Donnerstag, 12. Dezember 2019

Ein Tiefer Blick in die Seele des Landes



Die Zeitungen sind seit Wochen voll damit, wer auf sich hält, empört sich publikumswirksam. Die Besetzung des Casino-Vorstandes mit einem unbedarften Bezirksrat aus Wien hielt das Land in Atem. Aufregung und Empörung allerorten.

Natürlich zu Recht. Und natürlich ist Transparenz zu fordern. Und natürlich sollte das nicht so gehen. Und natürlich sollte es klare Richtlinien geben und keine Mauschelei. Aber, sei gefragt, erleben wir etwas anderes als ein Österreich, das in diesen Tagen wieder einmal tiefen Blick in seine Seele und auf das, was offenbar unausrottbar zur Kultur dieses Landes gehört, gewährt. Auf das Handeln und Schachern in allen möglichen und unmöglichen Situationen des Lebens nach dem Motto, ein bisserl was geht immer. Auf das Nichts-unversucht-Lassen, um einen Vorteil zu erlangen. Und das am besten irgendwo versteckt und im Geheimen und meist auf doppeltem Boden.

Wohl nur sehr gutgläubige Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben geglaubt, dass diese Zeiten überwunden sind. Angesichts der jüngsten Ereignisse, und nicht nur angesichts derer, ist wohl zu konstatieren, dass sie es nicht sind. Und dass sie es wohl, allen Vorhaben, Absichten und Plänen zum Trotz, die nun wieder gewälzt werden, auf absehbare Zeit nicht sein werden. Österreich, respektive seine Bürgerinnen und Bürger, leben damit seit Generationen und sie werden es wohl weiterhin tun. Schlawiner viele von ihnen, die sich darauf verstehen, es sich zu richten. Manchen können das besser, manche schlechter.

Denn was da so für Aufregung sorgt, leben die allermeisten in diesem Land und nicht nur die Politiker, an denen man in diesen Tagen das Mütchen kühlt. Jede Österreicherin und jeder Österreicher, die sich da so echauffieren und mit dem Finger auf die da oben zeigen, sollte sich selbst an der Nase nehmen, im Bekanntenkreis schauen und sein Gewissen erforschen. Kaum einer lässt eine Gelegenheit aus, es sich zu richten, wenn sich nur die Möglichkeit ergibt. Weil man jemand kennt, als Gegenleistung für einen Gefallen, für was auch immer. Oft geht es um einen Arbeitsplatz fürs Kind, oft um einen Platz in einer Schule, nicht selten um einen Platz in einem Heim für die Oma und den Opa. Und oft um einen besonderen Rabatt beim Autokauf oder um ein Geschäft. Freunde sind da gefordert, Politiker, die man persönlich kennt, Beschäftigte in Einrichtungen, die bieten können, was man gerade braucht.

Kaum jemand hat da Scheu, die Position und Situation für sich und die seinen auszunutzen. Dass die Muster dabei meist durchaus denen ähnlich sind, an denen man sich stößt, wenn es um die Vergabe von Posten in Aufsichtsräten oder anderswo geht, will man dabei tunlichst nicht zur Kenntnis nehmen. Gerade die, die sich am meisten aufregen und über Intransparenz und undurchsichtige Machenschaften klagen, sind oft die, die das am wenigsten erkennen wollen. Gerade sie sind oft die Ersten, wenn sich Gelegenheiten ergeben, die das weidlich auszunutzen versuchen. Das gilt im Kleinen genauso wie im Großen.

Die Freiheitlichen geben ein Musterbeispiel dafür ab. Nun finden sie sich selbst im Zentrum eines Skandals, der sie nackt dastehen lässt. Entblättert aller vollmundigen Versprechen, bloßgestellt und bar jeder Glaubwürdigkeit. Kaum je hat eine Partei so zugegriffen, als sie die Gelegenheit dazu bekam, wie es die Freiheitlichen getan haben. Im Innenministerium und im BVT genauso wie bei Postenbesetzungen in staatsnahen Unternehmen wie den Casinos Austria.

Die Herausforderung ist groß, dieses Denken und Verhalten nicht nur in der Politik zu ändern, sondern insgesamt diese Kultur zu überwinden. Sie verlangt viel Fingerspitzengefühl und viel Verständnis. Auch wenn in den vergangenen Jahren viel geschehen ist in Sachen Transparenz und Objektivierung -wenn es irgendwie geht, versucht man es sich zu richten. Ein bisserl was geht immer ist der Leitsatz, der viele Leute antreibt, wenn sie was erreichen wollen. Und der sie vergessen lässt, was sie sonst oft so sehr bei anderen aufregt, wenn es um die eigenen Wünsche geht.

So lange ein solche Verhalten zur Kultur im Land gehört, wird sich kaum etwas ändern. Oben nicht und unten auch nicht. Trotz aller Transparenz-und anderer Vorschriften, die man sich verordnen mag.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Dezember 2012

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1