Donnerstag, 19. November 2020

Sorglos durch die Jahre

Da waren sie wieder diese Bilder. Schlangen vor Geschäften, die mit Sonderangeboten lockten, überfüllte Einkaufszentren, volle Supermärkte. Und da waren auch wieder die leeren Regale. Da und dort zumindest. Das Land bereitete sich nicht auf den neuen, jetzt als "hart" ausgerufenen Lockdown vor, sondern nutzte noch einmal die Möglichkeiten des "weichen" Lockdowns, mit dem seit Anfang November vergeblich versucht wurde, die Corona-Zahlen in den Griff zu kriegen. Allerorten schien man nachgerade die Sorglosigkeit beweisen zu wollen. Und sorglos sind die Österreicher wohl. Nicht nur im Umgang mit der Pandemie, sondern auch in der Vorbereitung auf Herausforderungen wie diese.

Corona zeigt viel. Es legt Charaktere offen, es führt vor, wie Menschen in besonderen Situation ticken und auch, wozu sie fähig respektive nicht fähig sind. Corona hat bisher viele neue Einsichten eröffnet. Eine davon war gerade am vergangenen Wochenende wieder eindrücklich zu besichtigen. Man tut sich schwer damit, zu lernen. Nicht einmal aus den Erfahrungen, die man im Frühjahr vor dem ersten Lockdown machte, als man um Klopapier anstand und die Supermärkte regelrecht plünderte, weil man Angst um die Versorgung, aber nichts zu Hause hatte.

Wer glaubte, diesmal sei es besser, wurde eines Besseren belehrt. Wieder waren vor allem die Haushalte schlecht vorbereitet, längst vergessen waren die Vorhaben, Pläne und Versprechungen, sich für Notzeiten Vorräte anzulegen. Besser vorbereitet sind diesmal allenfalls die Hersteller und der Handel in den neuen Lockdown gegangen. Die privaten Haushalte hingegen kaum. Gut bestückt sind dort allenfalls die Alkoholvorräte, sonst aber schaut es eher schlecht aus, ätzen nicht ohne Grund Kritiker des österreichischen Schlendrians.

Wenn es nicht gerade um Dinge geht, die mit Geld zu regeln sind, wie etwa Sparen oder Versicherungen, haben die Österreicherinnen und Österreicher ein gestörtes Verhältnis zur Vorsorge für schlechte Zeiten. Kaum jemand sichert sich mit Vorräten oder technischen Vorkehrungen für Ernstfälle, wie jetzt die Pandemie, aber auch gegen Stromausfälle oder andere technische Katastrophen oder Ähnliches ab, die gemeinsam haben, im Ernstfall just nicht mit Geld geregelt werden zu können.

Laut einer Umfrage in Oberösterreich fühlt sich dort nur rund ein Zehntel der Bewohner selbst sehr gut auf einen Ernstfall vorbereitet. In anderen Bundesländern wird es kaum anders sein. Appelle der Zivilschutzverbände -ja, so etwas gibt es -"Vorsorge sollte ein Dauerthema sein und jeder Haushalt in Österreich sollte eine Grundbevorratung haben" verhallen hierzulande traditionell völlig wirkungslos.

Und das ist den Österreicherinnen und Österreichern nicht einmal zu verargen. Die Öffentlichkeit, respektive der Staat, lebt ihnen seit Jahrzehnten nichts anderes vor. Wenn, wie vor wenigen Jahren, der damalige Landwirtschaftskammerpräsident Schultes den Aufbau von Getreidelagern forderte, um für Notfälle gewappnet zu sein, erntete der Vorschlag nicht einmal ein müdes Lächeln, sondern allenfalls Häme, weil man dahinter wieder eine Bauernlist vermutete, zu mehr Geld zu kommen. Gar nicht zu reden davon, was sich die seinerzeitige Gesundheitsministerin Rauch-Kallat jahrelang wegen des Vorrats an Schutzmasken anhören musste, den sie seinerzeit wegen der Bedrohung durch SARS anlegen ließ. Und Legion sind die Pamphlete, in denen Politiker und Leitartikler eine, wie sie sie befanden, Überzahl an Spitalsbetten geißelten. An dieser Haltung änderte sich auch nichts, als im Vorjahr das Festnetz in weiten Teilen Österreichs ausfiel. Und nicht einmal, als man im Frühjahr in aller Welt um Schutzkleidung und Masken betteln musste.

Letztere gibt es nun zwar, aber die anderen großen Themen sind immer noch offen. Trotz aller Erfahrungen und Versprechungen in und mit der Corona-Krise. Immer noch etwa gibt es keine Antwort auf die Warnung von Experten, dass binnen fünf Jahren etwa mit einem Strom-Blackout zu rechnen ist. Nicht von der Politik und nicht von der Wirtschaft. Und auch nicht von privaten Haushalten.

Was aber ist, wenn dann wirklich der Strom weg ist, wenn die Lifte stecken und die Kühltruhen auftauen, kein Wasser fließt und kein Telefon funktioniert? Man will es sich nicht ausmalen, aber man könnte es vielleicht doch so einrichten, dass man halbwegs zurande kommen kann damit. Jetzt wäre die Zeit dazu. Auch im Privatbereich.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. November 2020

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