Donnerstag, 12. November 2020

Von wegen immer super

In Österreich versucht man sich in diesen Tagen zu sortieren. Und man muss es wohl auch. Österreichs kleine Welt, die man sich so arglos zurechtgezimmert hat, taugt nicht mehr wirklich zum arglosen Wohlfühlen. Das Attentat in Wien hat Angst und Entsetzen verbreitet und das Land in einen Schock versetzt. Und wurde man noch im Frühjahr nicht müde, sich als das Land, das Corona am besten im Griff hat, auf die Schultern zu klopfen, zählt Österreich jetzt zu den Ländern, in dem die Zahlen explodieren wie kaum sonstwo. Und das alles in einem Land, dessen Selbstverständnis und dessen Selbstbewusstsein darauf fußt, etwas ganz Besonders zu sein. Etwas Besseres in einer Welt, die von immer mehr als immer schlechter, ungerechter und bedrohlicher empfunden wird. Eine Insel der Seligen, wie man so gerne sagt.

In Österreich ist man ja immer schnell mit Superlativen, wenn es darum geht, das Ego aufzublasen. Da erbaut man sich daran, dass die Bundeshauptstadt angeblich die lebenswerteste Metropole der Welt sei, man hält sich für das gastfreundlichste Volk, behauptet nicht nur, das beste Essen, sondern auch die weltbesten Lebensmittelstandards zu haben, die saubersten Gewässer und die besten Skifahrer. Jeder bessere Landeshauptmann respektive jede bessere Landeshauptfrau ernennt ein paar benachbarte und toll funktionierende Unternehmen gleich zur europaweit führenden Wirtschaftsregion, und wer in Übersee oder im Fernen Osten Erfolg hat, gilt gleich als Exportweltmeister oder Weltmarktführer. Und klar, dass man sich auch, wie dieser Tage der "Kurier" schrieb, für eines der bestverwalteten und sichersten Länder der Welt hält.

Spätestens hier aber zeigt sich, dass die Wirklichkeit nicht stützen kann, was bei vielen, vor allem auch vielen Politikern in Regierungsverantwortung, das Selbstbewusstsein nährt. Denn das stimmt wohl nicht und ist nicht zu halten. Österreichs Verwaltung ist gut und man muss froh sein, so eine zu haben, aber sie ist nicht die beste und schon gar nicht Weltklasse, wie immer wieder versucht wird uns weiszumachen. Das zeigte sich ganz dramatisch rund um das Wiener Attentat, bei dem die Pannen im Umgang mit dem späteren Attentäter sehr schnell ruchbar wurden. Das zeigte sich aber auch schon vorher immer wieder. Man denke nur an all das, was alleine in der Corona-Krise auffällig wurde - von den schlampigen Verordnungen, die vor dem Höchstgericht nicht standhielten, bis hin zur fehlenden Schutzkleidung für das Gesundheitspersonal. Es sei erinnert an den Commerzialbank-Skandal, von dem man immer noch nicht glauben kann, dass er möglich war, oder an die Hypo Kärnten. Und es wundert nicht, wenn jetzt in den Zeitungen steht: "Bei jeder der vielen Krisen in letzter Zeit fliegt ein eklatantes Behördenversagen auf."

Das zeigt, was man hierzulande nicht gerne hört -Österreich ist nicht so perfekt, wie man sich gerne gibt. Österreich braucht keinen internationalen Vergleich zu scheuen, in keinem Belang. Und es stimmt vieles von dem, woran sich in Österreich jedermann und jedefrau aufbaut. Aber es stimmt eben nicht in dem Maß, wie man es für sich Anspruch nimmt. Österreich ist gut, aber es ist nicht so gut, wie man gerne vorgibt zu sein. Im internationalen Vergleich hält es selten, weil es halt oft nicht mehr als Überschriften und Schlagworte sind, mit denen man sich gut darstellen will.

Man neigt im Land schnell zu Superlativen, die keine sind. Das mag mit der Größe, respektive Kleinheit des Landes zusammenhängen, das international gesehen und beachtet werden will. In vielen Bereichen kann das zur Gefahr werden, weil es, um noch einmal den "Kurier" zu zitieren, oft auch "an der Fehleranalyse hapert". Man schaut zu wenig genau hin und man neigt dazu die Augen vor der Wirklichkeit lieber zu verschließen, als etwas zu verändern. Eines der großen Probleme dieses Landes ist, dass man zwar nicht dazu neigt, sich selbst zu belügen, aber doch dazu, Dinge geschönt darzustellen und dabei mitunter die richtigen Weichenstellungen versäumt.

"Weltberühmt in Österreich" zu sein reicht zu oft. Das ist ja nicht grundsätzlich unsympathisch. Aber mehr Selbstkritik und weniger Selbstüberschätzung wären oft sehr viel richtiger und angemessener. Auch deswegen, damit es nicht zu solch fatalen Fehlern kommt, die zu Folgen wie den Ereignissen am Montag der Vorwoche in der Wiener Innenstadt führen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. November 2020

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1