Corona hat uns fest im Griff. Die Virenlast steigt wieder und die Kostenlast auch. Und auch der Unmut darüber wächst, dass wir uns im täglichen Leben immer noch mit Beschränkungen herumschlagen müssen, weil die Impfquote weit von dem entfernt von dem ist, was uns die Freiheit zurückgeben könnte. Immer mehr Ärzte schlagen in immer dramatischeren Worten Alarm und können nur mehr mühsam ihren Unmut im Zaum halten. Und immer weniger sehen auch die Geimpften ein, dass sie weiter Unannehmlichkeiten auf sich nehmen müssen, weil sich mehr als ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher nicht und nicht für eine Impfung entscheiden können oder wollen.
Längst hat sich eine
gefährlicher Schlendrian eingenistet im Umgang mit der Pandemie, so als hätte
man sie akzeptiert als Teil unseres Lebens. Um Entscheidungen drückt man sich
herum, Diskussionen wie etwa um eine Impfpflicht werden tunlichst vermieden. Dass
die Zahlen wieder stark steigen, wird mittlerweile achselzuckend hingenommen.
Man hat sich eingerichtet. Was Ärzte und Gesundheitspersonal auf sich nehmen,
wird als normal gesehen, dass nun wieder Operationen verschoben werden müssen
auch. Dass Lehrerinnen und Lehrer klaglos auch unter oft unvorstellbaren
Bedingungen funktionieren, wird als selbstverständlich hingenommen. Da muss man
den Impfpässe vorweisen, dort ein Testergebnis. Masken in den Öffis und im
Handel? Und Ausreisekontrolle? Geht ja. Was soll‘s, da muss man sich ja doch
nicht impfen lassen.
Pandemie ist für viele
längst das neue normal. Welche Belastung sie wirklich für die Gesellschaft und
die Wirtschaft ist, wird immer weniger gesehen. Derweil beginnt die Pandemie
längst überall zu drücken. Schon im Frühjahr bezifferte Agenda Austria den
Schaden der Krise für das Land mit 100 Milliarden Euro. Inzwischen werden es
wohl noch viele Milliarden mehr sein. „Koste es was es wolle“ war zu Beginn der
Pandemie vor eineinhalb Jahren die Devise, die der Bundeskanzler ausgab, als
man, und wohl auch er, noch glaubte, der Spuk sei in ein paar Wochen vorbei.
Nun ist er immer noch
nicht vorbei und „Koste es was es wolle“ wächst sich zur Last für kommende
Generationen aus. Jeden Tag. Die niedrige Impfquote und die Beharrlichkeit der
Impfgegner und -verweigerer ist längst zu einem wirtschaftlichen Problem
geworden, über die die Erholung auf dem Arbeitsmarkt und die Wachstumsraten in
der Wirtschaft nicht hinwegtäuschen dürfen. „Auf viele Unternehmen kommen durch
die Impfgegner hohe Kosten zu und die wirtschaftliche Erholung laufe mit vielen
Ungeimpften deutlich schleppender als mit einer hohen Durchimpfungsrate, meint
etwa Professor Christoph Badelt, Noch-Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes.
Es geht dabei nicht allein um die hohen Kosten im Gesundheitswesen, sondern vor
allem auch um die indirekten Kosten in der Wirtschaft, wie sie etwa durch
Quarantäne-Fälle verursacht werden.
Man ist bisher wohl zu
locker umgegangen damit. Auch weil vieles von der öffentlichen Hand
ausgeglichen wurde, sind die Folgen aus dem Fokus geraten. Sich impfen zu
lassen oder nicht wurde sehr stark als eine persönliche Einstellung
dargestellt, finden Wissenschaftler wie die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle
von der FH Klagenfurt, und damit impliziert, dass das gesamtgesellschaftlich
und gesamtwirtschaftlich keine Auswirkungen habe. Ein Fehler wie sich nun immer
deutlicher zeigt, wo sich die Fronten verhärten und damit Politik gemacht wird.
Was wir erleben ist
nicht normal. Nicht in der Wirtschaft und auch sonst nirgendwo. Und es darf
nicht normal werden. Nicht das, was die Ärzte und das Gesundheitspersonal in
den Spitälern hinnehmen müssen und nicht was die Lehrerinnen und Lehrer
aushalten müssen, die Schüler und ihre Eltern. Und auch nicht, was man den
Unternehmen zumutet. Und schon gar nicht hinzunehmen ist, dass damit Politik
gemacht wird.
Es ist eine Frage der
Verantwortung, der Eigenverantwortung auch und der Solidarität. Da wie dort.
Nicht nur in der Politik, sondern in der Gesellschaft insgesamt. Der
Diskussionsbedarf ist groß. Und der Erklärungsbedarf auch. Verantwortung,
Eigenverantwortung und Solidarität dürfen nicht nur großes Worte sein, sie müssen
auch gelebt werden. Von der Politik, von den Impfgegnern, von allen. Damit die
Gesellschaft, die Wirtschaft, wir alle, aushalten können, was wir aushalten
müssen und der Spuk zu einem Ende kommt.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. September 2021
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