War da was? An diesem vergangenen Wahlsonntag in Oberösterreich und in Graz und vor allem in Deutschland? In Oberösterreich platzte eine Pop-up-Partei aus der Parallelöffentlichkeit aus dem Nichts in den Landtag, überholte die NEOS aus dem Stand und kassierte bei der FPÖ Stimmen in großem Stil ein. Unaufgeregt, alles in allem eher sachlich, aber entschieden und bestimmt in der Meinung und auch in den Forderungen zu Corona und Impfen. In Graz fegten die Kommunisten einen arrivierten schwarzen Langzeit-Bürgermeister aus dem Amt und bescheren damit Österreich wohl eine internationale Aufmerksamkeit, die das kleine Land in den Alpen nicht wirklich brauchen kann. Schnell tauchten in den Sozialen Medien Fotomontagen auf, die die Stadt an der Mur am nächsten 1. Mai in einem Meer voller Hammer und Sichel-Fahnen zeigen -wie man es nur mehr aus China und Nordkorea kennt.
Die politischen Auguren lesen Alarmsignale aus diesen Ergebnissen heraus, Alarmsignale vor allem für etablierte Parteien. Für alle etablierten Parteien die einen, vor allem für die Sozialdemokratie die anderen. Was wir erlebt haben am vergangenen Wochenende ist wohl das, wovon seit Jahren geredet wird -die Wählertreue ist nur mehr eine flüchtige, die Neigung, Parteien anzukreuzen, die Unbehaglichkeiten bündeln und formulieren können, wächst. Das freilich nicht nur in Oberösterreich und nicht nur in Graz, sondern auch in Deutschland.Dort zeigte sich am Sonntag aber auch für Parteien des Typs wie sie am vergangenen Wochenende in Österreich erfolgreich waren, dass nichts mehr von Dauer ist in der Wahllandschaft. Die rechtsextreme AfD, vor der sich vor noch gar nicht langer Zeit ganz Deutschland fürchtete und der so viel zugetraut wurde, verlor fast 20 Prozent der Stimmen und rutschte von 12,6 auf 10,3 Prozent. Die Linkspartei, die wie die AfD in den vergangenen Jahren bei Beobachtern mitunter Angst und Schrecken verbreitete, hat sich mit dem Rutsch von 9,2 auf 4,9 Prozent fast halbiert.
Dass mit dem Kanzlerkandidaten der Union, dem grauen, biederen und mitunter tolpatschigen Armin Laschet, einer von einer etablierten Partei der eigentliche große Wahlverlierer des vergangenen Sonntags war, fügt sich da ins Bild von der Gefahr, der diese Parteien zunehmend ausgesetzt sind, das von den Kommentatoren gezeichnet wird.
Diese Niederlage markiert eine politische Wende hin zur Sozialdemokratie und den Grünen mit den Liberalen als Zünglein an der Waage. Das wird Folgen haben. Weitreichende, geht es doch auch um die Nachfolge von Angela Merkel. 16 Jahre regierte sie in Deutschland, etablierte sich als mächtigste Frau nicht nur in der Europäischen Union, sondern in der Weltpolitik schlechthin. "Sie ist ein Vorbild an Verlässlichkeit und Vernunft", wurde in den vergangenen Wochen über sie geschrieben. "Europa wird sie vermissen." Ein "Gegenentwurf zu den Populisten" sei sie gewesen und in stürmischen politischen Zeiten habe sie "die Wirkung von Kamillentee" gehabt.
Nun ist Merkel weg und was in Deutschland kommt ist noch nicht klar. Und auch nicht was in der Welt kommt, in der China immer stürmischer nach vorne drängt, in der Putin seine Fäden zieht und in der sich der neue US-Präsident Joe Biden noch nicht wirklich etabliert hat. Und in der, das vor allem, Europa keine Strategie findet, die Bedeutung auf dem internationalen politischen Parkett, aber auch in der Weltwirtschaft, die man in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sukzessive verlor, wieder zurückzugewinnen.
Europa und die westliche Welt sind weniger eins denn je, der neue US-Präsident noch nicht mit dem alten Kontinent warm geworden. Der jüngste Streit um den U-Boot-Deal zwischen Frankreich und Australien zeigte, wie brüchig die westlichen Allianzen sind.
Das macht das Ende der Ära Merkel, die politische Wende in Deutschland so brisant. "Neuer Kompass für eine komplizierte Welt gesucht" titelten kürzlich die "Salzburger Nachrichten". Das trifft es wohl. Und das kann unruhig machen, zumal in dem Zustand, aus dem Europa sich nicht befreien kann und vor den Herausforderungen, vor denen die Staatengemeinschaft steht.
Die Welt ist seit dem vergangenen Wochenende eine andere als vor einem Jahr. In Oberösterreich ein bisschen, in Graz wohl auch. So richtig anders aber wohl auf der internationalen Bühne. Dort muss man ohne Kompass zurechtkommen. Derzeit, und vielleicht noch länger.
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