Manchmal kann selbst gut gemeinte Unterstützung für Hilfsaktionen richtig verunglücken. Ein Sturm der Entrüstung ging in der vergangenen Woche durchs Land, weil Licht ins Dunkel, die große Hilfsaktion des ORF, wie jedes Jahr die Spendensaison mit einer großen Fernsehgala eröffnete. Nur fand sie diesmal mitten im Lockdown statt. Und das stieß vielen Bürgerinnen und Bürgern sauer auf. Während im ganzen Land Zusammenkünfte von mehreren Personen und Veranstaltungen verboten sind, flimmerten Bilder vom swingenden Bundespräsidenten und tanzenden Ministerinnen über den Bildschirm, von denen sich nicht wenige verhöhnt fühlten.
Der Hilfsbereitschaft wird das hoffentlich nichts antun. Denn die Vorweihnachtszeit ist in Österreich die Zeit, in der sich die Brieftaschen für Spenden öffnen. Bettelbriefe flattern in diesen Tagen wieder ins Haus - von der Caritas, den Ärzten ohne Grenzen bis hin zur Hilfe für die Opfer von Landminen. Österreich macht in diesen Tagen und Wochen vor Weihnachten gerne auf gut. Zumindest was das Spenden betrifft. Auch wenn man mit den Organisationen, die sich dafür einsetzen, und auch mit den Schicksalen, denen man Hilfe angedeihen lässt, oft kaum etwas anzufangen weiß. Man gefällt sich zu helfen. Das hat wohl mit Tradition zu tun und auch damit, sein Gewissen zu beruhigen und sich auf diese Weise Gutes zu tun - Balsam für die Seele und das Gewissen sozusagen.Damit hat es sich aber auch schon meistens. In den vergangenen Jahren, namentlich nach der Flüchtlingskrise 2015, hat sich in den Köpfen und Herzen der Österreicherinnen und Österreicher viel verändert. Viel vom Verständnis und von der Hilfsbereitschaft für Notleidende, Bedürftige und für soziale Randgruppen ging verloren. Und gar nicht zu reden von den Geflüchteten. Da ist nur mehr wenig vom goldenen Herz, auf das man einst so stolz war. Zuweilen scheint es dort inzwischen oft eher wie in der sprichwörtlichen Mördergrube auszusehen, wenn die Rede auf solche Gruppen kommt.
Wenn man denn überhaupt noch von ihnen redet. Bedürftige, Randgruppen, soziale Themen sorgen heute kaum mehr für Schlagzeilen. Wenn im Ärmelkanal, wie in der Vorwoche, Dutzende ertrinken, ist das nicht einmal mehr ein Achselzucken wert. Und schon gar nicht, wenn im europäischen Osten hunderte Menschen in die Machtmühlen zweier Staaten geraten.
Man kann das durchaus verstehen. Zu viel hat man wohl in den vergangenen Jahren von den Menschen abverlangt, zu wenig Verständnis hat man für ihre Anliegen aufgebracht. Und jetzt beschäftigt auch noch seit fast schon zwei Jahren Corona die Menschen und die Politik, zerrt am gesellschaftlichen Zusammenhalt und macht den Menschen Sorgen.
Diese Entwicklung hat natürlich auch mit der Politik der vergangenen Jahre zu tun, in der sich ein Populismus breitmachte, der viel zu oft allein den Egoismus von Menschen und gesellschaftlichen Gruppen anheizte und beförderte, die oft sehr viel mehr auf Spaltung angelegt ist, denn auf die Verantwortung füreinander. Und schon gar nicht für die, die Hilfe brauchen.
Soziale Themen sind unterbelichtet in Zeiten wie diesen - die in Österreich selbst und erst die im Ausland. Berichte von Armut im Land, Schicksale sozialer Randgruppen, selbst die Gewalt gegen Frauen oder gar Flüchtlingsdramen jucken hierzulande keinen mehr. Sie alle sind Routine geworden, die in der täglichen Informationslawine durch die Wohnzimmer rauschen und am nächsten Tag Schnee von gestern und vergessen sind, ohne viel zu bewirken.
Hilfsorganisationen, die gegen diesen Trend ankämpfen, tun sich schwer. Längst haben sie alle Hände voll zu tun, nicht in den politischen Strudel hineingezogen, vereinnahmt oder punziert zu werden.
Und dennoch entlässt all das den Einzelnen und die Gesellschaft nicht aus der Verpflichtung und der Verantwortung für sozial schwache Menschen, für Randgruppen und die, die sich schwer tun im Leben -ob in Österreich oder anderswo. "Seit Corona hat die Armut ein neues Gesicht" schreibt die Caritas. "Jenes von Einzelunternehmern", nennt sie als Beispiel, Gastronomen und Kulturschaffende, Leiharbeiter auch und "jungen Menschen, die von Einkommensverlusten und Arbeitslosigkeit betroffen waren und sind". Das alles seien Menschen, die zuvor keine existenziellen Nöte gekannt haben.
Das sollte nicht vergessen werden. Als Mahnung davor, was jedem passieren kann.
Auch im heutigen gesellschaftlichen Klima.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Dezember 2021
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