50 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel sollen Bauern ab 2030 einsetzen dürfen. Für sie eine „mission impossible“, sie schlagen anderes vor.
Hans GmeinerWien. Die Pläne der EU-Kommission zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln machen die Bauern zunehmend nervös. Um 50 Prozent soll bis 2030 die Menge an eingesetzten Pflanzenschutzmitteln reduziert werden. Das sieht die Farm-to-Fork-Strategie vor, mit der Europas Landwirtschaft umweltfreundlicher gemacht werden soll. In besonders sensiblen Regionen wie etwa in den Natura-2000-Gebieten im Salzburger Flachgau, im Marchfeld oder in der Wachau sollen überhaupt keine Pflanzenschutzmittel mehr verwendet werden dürfen.
„Wir glauben, dass die Ziele, wie sie jetzt formuliert sind, so nicht realisierbar sind“, sagen Christian Stockmar, Sprecher der Industriegruppe Pflanzenschutz, und Ernst Karpfinger, Obmann der heimischen Rübenbauern und Vorsitzender des Fachbereichs für Getreide in der AMA. „Das ist eine ,mission impossible‘“. Sie sehen insbesondere die Versorgungssicherheit gefährdet und warnen davor, dass der Landwirtschaft, die angesichts des Klimawandels, zunehmender Trockenheit und Ernteverlusten vor großen Herausforderungen stehe, wichtige Werkzeuge zur Produktion von Lebensmitteln genommen werden. Erträge könnten damit nicht mehr gut abgesichert werden und man warnt davor, dass es Europa mit der Versorgung mit Nahrungsmitteln gehen könnte wie derzeit mit der Gasversorgung. „Wenn dadurch in Europa die Produktion sinkt, wie es viele Analysen vorhersagen, müssen wir die Ware von anderswo herholen“, sagt Karpfinger. Damit würden Probleme nur verlagert und Abhängigkeiten erzeugt. „Damit ist dem Klima nicht geholfen, ist den Insekten nicht geholfen, damit ist niemandem geholfen.“
„Die Sorgen der Gesellschaft sind legitim, aber man darf nicht reflexartig alles auf das Thema Pflanzenschutz abladen“, sagt Manfred Weinhappel, Pflanzenbauexperte der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. „Es gibt ja da auch noch Themen wie die Klimaerwärmung oder die Bodenversiegelung, die wichtige Rollen spielen, zudem haben auch nicht chemische Pflanzenschutzverfahren wie etwa Abflämmen Auswirkungen auf die Ökosysteme.“
Weinhappel stößt sich insbesondere an den starren Vorgaben. „Wir wollen Schaderreger und Pflanzenkrankheiten, die in der Natur auftreten, einer mathematischen Gesetzmäßigkeit unterwerfen, das funktioniert nicht.“ Da werde überhaupt nicht mehr berücksichtigt, was in der Natur stattfinde. „Wir haben heiße Jahre, wir haben feuchte Jahre, wir haben trockene Jahre, das kann man nicht einfach der Mathematik unterwerfen.“
Zu kämpfen haben die Bauern auch mit einer statistischen Besonderheit. In Österreich – als einem von ganz wenigen Ländern in der EU – werden „inerte Gase“ wie Kohlendioxid, das vorwiegend bei der Lagerung von Obst und Biogetreide eingesetzt wird, seit 2016 als Pflanzenschutzmittel geführt. Seither muss sich die Landwirtschaft vorhalten lassen, dass hier der Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln so stark zunimmt wie kaum sonst wo. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall. Laut einer Aufstellung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) ist der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel, die im Fokus der Kritik stehen, von 2016 bis 2021 um 22,1 Prozent zurückgegangen.
„Wir haben sehr viel gelernt“, sagen die Bauernvertreter. „Es ist ja nicht so, dass nichts passieren würde.“ Sie verweisen auf ein aufwendiges Warndienstsystem, das für Bauern jederzeit abrufbar ist und aktuelle Informationen bietet, auf das Schadschwellenprinzip und auf neue Technologien wie GPS, die helfen, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zu optimieren und damit zu reduzieren.
Statt eines willkürlichen Einsparungsziels wünschen sich Bauern und Industrie mehr Verständnis, Kontinuität in der Weiterentwicklung und einen praxisgerechteren Weg. „Wir brauchen keine Politik der Verbote, sondern eine Politik, die Perspektiven schafft“, sagt Industriesprecher Stockmar. Mit diesem Wunsch stoßen er und die Bauern einstweilen auf taube Ohren. „Auf der einen Seite will man eine Technologie verbieten, auf der anderen Seite gibt es Anträge für neue, modernere und bessere Produkte, aber die werden nicht einmal bearbeitet.“ Es gäbe Lösungen, sagt er. „Die Pflanzenschutzmittelindustrie hat sich verpflichtet, bis 2030 insgesamt 14 Mrd. Euro in Forschung und Innovation mit Schwerpunkt biologische Pflanzenschutzmittel und Digitalisierung zu investieren.“
Die minus 22 Prozent beim Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in den jüngsten zehn Jahren waren für die Experten nicht das letzte Wort. „Wir denken schon, dass sich der Weg fortsetzen lässt und eine Einsparung in dieser Größenordnung auch in den kommenden Jahren möglich ist.“
„Wir glauben, dass die Ziele, wie sie jetzt formuliert sind, so nicht realisierbar sind“, sagen Christian Stockmar, Sprecher der Industriegruppe Pflanzenschutz, und Ernst Karpfinger, Obmann der heimischen Rübenbauern und Vorsitzender des Fachbereichs für Getreide in der AMA. „Das ist eine ,mission impossible‘“. Sie sehen insbesondere die Versorgungssicherheit gefährdet und warnen davor, dass der Landwirtschaft, die angesichts des Klimawandels, zunehmender Trockenheit und Ernteverlusten vor großen Herausforderungen stehe, wichtige Werkzeuge zur Produktion von Lebensmitteln genommen werden. Erträge könnten damit nicht mehr gut abgesichert werden und man warnt davor, dass es Europa mit der Versorgung mit Nahrungsmitteln gehen könnte wie derzeit mit der Gasversorgung. „Wenn dadurch in Europa die Produktion sinkt, wie es viele Analysen vorhersagen, müssen wir die Ware von anderswo herholen“, sagt Karpfinger. Damit würden Probleme nur verlagert und Abhängigkeiten erzeugt. „Damit ist dem Klima nicht geholfen, ist den Insekten nicht geholfen, damit ist niemandem geholfen.“
„Die Sorgen der Gesellschaft sind legitim, aber man darf nicht reflexartig alles auf das Thema Pflanzenschutz abladen“, sagt Manfred Weinhappel, Pflanzenbauexperte der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. „Es gibt ja da auch noch Themen wie die Klimaerwärmung oder die Bodenversiegelung, die wichtige Rollen spielen, zudem haben auch nicht chemische Pflanzenschutzverfahren wie etwa Abflämmen Auswirkungen auf die Ökosysteme.“
Weinhappel stößt sich insbesondere an den starren Vorgaben. „Wir wollen Schaderreger und Pflanzenkrankheiten, die in der Natur auftreten, einer mathematischen Gesetzmäßigkeit unterwerfen, das funktioniert nicht.“ Da werde überhaupt nicht mehr berücksichtigt, was in der Natur stattfinde. „Wir haben heiße Jahre, wir haben feuchte Jahre, wir haben trockene Jahre, das kann man nicht einfach der Mathematik unterwerfen.“
Zu kämpfen haben die Bauern auch mit einer statistischen Besonderheit. In Österreich – als einem von ganz wenigen Ländern in der EU – werden „inerte Gase“ wie Kohlendioxid, das vorwiegend bei der Lagerung von Obst und Biogetreide eingesetzt wird, seit 2016 als Pflanzenschutzmittel geführt. Seither muss sich die Landwirtschaft vorhalten lassen, dass hier der Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln so stark zunimmt wie kaum sonst wo. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall. Laut einer Aufstellung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) ist der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel, die im Fokus der Kritik stehen, von 2016 bis 2021 um 22,1 Prozent zurückgegangen.
„Wir haben sehr viel gelernt“, sagen die Bauernvertreter. „Es ist ja nicht so, dass nichts passieren würde.“ Sie verweisen auf ein aufwendiges Warndienstsystem, das für Bauern jederzeit abrufbar ist und aktuelle Informationen bietet, auf das Schadschwellenprinzip und auf neue Technologien wie GPS, die helfen, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zu optimieren und damit zu reduzieren.
Statt eines willkürlichen Einsparungsziels wünschen sich Bauern und Industrie mehr Verständnis, Kontinuität in der Weiterentwicklung und einen praxisgerechteren Weg. „Wir brauchen keine Politik der Verbote, sondern eine Politik, die Perspektiven schafft“, sagt Industriesprecher Stockmar. Mit diesem Wunsch stoßen er und die Bauern einstweilen auf taube Ohren. „Auf der einen Seite will man eine Technologie verbieten, auf der anderen Seite gibt es Anträge für neue, modernere und bessere Produkte, aber die werden nicht einmal bearbeitet.“ Es gäbe Lösungen, sagt er. „Die Pflanzenschutzmittelindustrie hat sich verpflichtet, bis 2030 insgesamt 14 Mrd. Euro in Forschung und Innovation mit Schwerpunkt biologische Pflanzenschutzmittel und Digitalisierung zu investieren.“
Die minus 22 Prozent beim Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in den jüngsten zehn Jahren waren für die Experten nicht das letzte Wort. „Wir denken schon, dass sich der Weg fortsetzen lässt und eine Einsparung in dieser Größenordnung auch in den kommenden Jahren möglich ist.“
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. November 2022
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