Wenn wahr wird, was die Zeitungen geschrieben haben, muss Thomas Schmid für nicht gerechtfertigte Aussageverweigerungen vor dem ÖVP-Untersuchungsausschuss nicht mehr als 800 Euro Beugestrafe zahlen. Man darf davon ausgehen, dass er die Strafe mit Handkuss annimmt. Drastischer als mit dieser Beugestrafe hätte das Theater rund um diesen Untersuchungsausschuss, aber auch um all die anderen Untersuchungsausschüsse der vergangenen Jahre, nicht vor Augen geführt werden können.
"Teuer, sinnlos, das interessiert niemand mehr", lautet das Urteil, das nicht nur die Stammtische dieses Landes längst gefällt haben. Viele sind von den schier täglichen Schlagzeilen, der künstlichen Aufgeregtheit, den Winkelzügen und den endlosen Geschäftsordnungstricksereien angewidert. Die Kritik wächst, das Verständnis sinkt. Zuweilen hat man den Eindruck, dass das Publikum längst auf Seiten derer steht, die da vorgeladen werden und genießt, wie nicht sie, sondern die Mitglieder des Untersuchungsausschusses vorgeführt werden.Sinn und Zweck solcher Ausschüsse, nämlich den als Kontrollinstrument des Parlaments, sind längst desavouiert. Von allen Seiten. Nicht nur von denen, die vor einem Untersuchungsausschuss jede Aussage verweigerten, sondern vornehmlich auch von den Proponenten der Untersuchungsausschüsse selbst. Von all den Krainers, Hangers, Krispers, Hafeneckers, Sobotkas und wie sie alle heißen, die das für Politik halten, was sie dort machen.
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse wurden zunehmend für parteipolitische Interessen instrumentalisiert. Und nicht nur das. Sie wurden zunehmend auch mit Politik verwechselt. So sehr, dass zuweilen der Eindruck entstehen konnte, die Politik in diesem Land bestehe nur mehr darin, sich mit der Politik der vergangenen Jahre und ihren Verfehlungen, respektive mit einem ehemaligen Kanzler zu beschäftigen.
Es steht außer Frage, dass die parlamentarische Arbeit, zumal wenn sie so verstanden wird, wie sie offenbar nicht wenige Politiker in diesem Land (miss-)verstehen, einer Kontrolle bedarf und all die Machenschaften und katastrophalen Fehler der Vergangenheit aufzuklären sind. Aber das hat effizienter zu geschehen. So, wie wir sie in den vergangenen Jahren erlebten, machen Untersuchungsausschüsse keine Sinn mehr. Da nimmt nicht wunder, dass das Ansehen der Politik und der Politikerinnen und Politiker in den Keller stürzt, das Vertrauen in das politische System immer neue Tiefpunkte erreicht, während ein "starker Führer" mittlerweile erstmals sogar mehrheitlich nicht mehr abgelehnt wird.
Das sollte als Alarmzeichen verstanden werden und als Weckruf. Denn Politik hat vornehmlich andere Aufgaben, als sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen und mit dem Anpatzen der politischen Gegner. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Herausforderungen, wie jüngst Alexander Purger in den "Salzburger Nachrichten" schrieb, dem "Kampf mit der Hydra" gleichen. "Kaum schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen zwei neue Krisen nach. Corona, Ukraine-Krieg, Gaskrise, Teuerung, Massenmigration, Arbeitskräftemangel, das Scheitern der europäischen Politik des Gelddruckens -die unheimliche Serie scheint kein Ende zu nehmen. Und die nächsten Köpfe rühren sich schon."
Politik in Österreich hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend auf das Negative konzentriert, auf politische und auch auf persönliche Aversionen. Vor diesem Hintergrund ist, bei Licht betrachtet und ohne die in diesem Land üblich gewordenen Filter, durchaus bemerkenswert, was die aktuelle türkis-grüne Regierung bei aller berechtigten Kritik zustande bringt. Die Zusammenarbeit scheint, trotz des jüngsten Scheiterns der Arbeitsmarktreform, zu gelingen. Minister von der Qualität eines Martin Kocher, eines Norbert Totschnig oder auch einer Eleonore Gewessler hat es schon lange nicht mehr gegeben. Und auch die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen. Die Bilanzen des ersten Jahres Nehammer fielen, trotz der katastrophalen Umfragewerte durchwegs positiv aus. "Die Regierung ist besser als ihr Ruf", hieß es dieser Tage allerorten. Dem kann man, bei allem was schiefläuft und besser gemacht werden könnte, zustimmen, muss aber nicht. Aber Projekte wie die Abschaffung der kalten Progression, die ökologische Steuerreform oder Rekordsummen für die Ökologisierung sind mehr, als viele andere Regierungen zusammengebracht haben.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Dezember 2022
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen