Mit einer “Versorgungssicherheitstour“ tingelten der Landwirtschaftsminister, Kammern und Bauernbund in den vergangenen Wochen durchs Land. Bei der Agraria in Wels stellte die Landwirtschaftskammer Österreich das Thema ins Zentrum. Was als billiger Trick der Bauern verstanden werden kann, vor dem Hintergrund des Überfalls auf die Ukraine, der Energiekrise und der Teuerung Stimmung für ihre Anliegen zu machen, hat einen ernsten Hintergrund. Auch wenn es viele nicht hören wollen – die Versorgung mit Lebensmitteln steht in Österreich auf tönernen Füssen. Mit Geld und Zuschüssen allein ist das Problem nicht zu lösen. Abgesehen von Fleisch, Milch und Getreide sind die Selbstversorgungsgrade bei Produkten wie Eiern, Geflügel, sogar Butter und Kartoffeln, bei Obst und Gemüse, bei pflanzlichen Ölen und vielen anderen Produkten mitunter sehr bescheiden.
Eine wirklich bedrohliche Dimension bekommt das Thema, wenn
man in die Details geht. Da zeigt sich schnell, dass Österreichs Landwirtschaft
in der Produktion viel stärker auf Importe angewiesen ist, als ihr lieb sein
kann. Denn selbst in Produktgruppen, in denen die Selbstversorgungsgrade über
100 Prozent liegen, kann es sehr schnell sehr eng werden kann.
Das beginnt bei der Abhängigkeit von importiertem Soja und
Aminosäuren für die Eiweißversorgung in der Schweine- und Geflügelfütterung und
hört bei den Getreidesorten aus dem Ausland nicht auf. Bei Mahlweizen, Gerste,
Hafer, Roggen oder Raps kommen 75 Prozent der Genetik und des Saatgutes aus dem
Ausland. Bei Gräsern kommen Genetik und das Zuchtmaterial praktisch zur Gänze
aus Dänemark und Neuseeland und auch bei Gemüse gibt es in großem Stil weder
Züchtung noch Saatgutvermehrung in Österreich. Auch nicht bei Biogemüse, wo
alle Sorten in den großen Produktionsbereichen aus dem Ausland kommen – die
besten Biotomaten-Sorten dem Vernehmen nach sogar von Monsanto und Bayer. Auch
in der tierischen Produktion ist die Abhängigkeit vom Ausland wichtiges Thema.
Weniger bei Rindern und Schweinen, aber vor allem bei Geflügel. Bei Mast- und
Legehühnern muss die Genetik zu 100 Prozent importiert werden.
Seit Monaten etwa sorgt zudem der geplante Verkauf des
Dünger-Erzeugers Borealis für Unruhe in der Bauernschaft. Eigene Entwicklungen
von Pflanzenschutzmitteln oder gar Wirkstoffen gibt es schon seit Jahren nicht
mehr. Produziert werden nur mehr - von zwei Unternehmen - überwiegend Generika,
also Mittel, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist.
Und da ist noch gar nicht die Rede von den Sorgen um Gas-
und Strompreise und die Versorgung bei den Lebensmittelverarbeitern und Bauern,
dem Kampf gegen die Bodenverschwendung und die „Umwelt“-Pläne der EU, die die
Produktion weiter beschränken werden.
Vor diesem Hintergrund ist eigentlich erstaunlich, dass sich
Politik und Standesvertretung erst jetzt, drei Jahre nach Beginn der
Corona-Pandemie und nicht ganz ein Jahr nach dem Überfall Russlands auf die
Ukraine, dieses Themas besinnen und ein Strategiekonzept erarbeiten wollen.
Dass es ein solches Konzept längst gibt, hätte man eigentlich angenommen.
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