Vor zwei Wochen führte die UN-Weltklimakonferenz im ägyptischen Sharm el Sheik drastisch vor Augen, wie dramatisch die Klimasituation ist. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist der Krieg in der Ukraine, der drastisch vor Augen führt, wie schnell die Versorgung der Welt mit Lebensmitteln aus dem Gleichgewicht kommen kann und wie schnell hunderte Millionen Menschen in die Gefahr kommen, hungern zu müssen. Und schließlich erleben wir auch Tag für Tag was es heißt, bei Energieformen wie Gas von Ländern wie Russland abhängig zu sein.
Die Welt tut sich schwer, den richtigen Weg zu finden zwischen diesen beiden Themen und den Herausforderungen, die sie mit sich bringen. Denn die sind enorm. Die Spannungen wachsen. Auf der einen Seiten stehen die zuweilen wild entschlossenen Klimaaktivisten, die unverdrossen den Klimaschutz einmahnen und nicht von Umweltzielen, auf die man sich vor den Krisenzeiten mühevoll geeinigt hat, abgehen wollen -trotz des Krieges in der Ukraine mit seinen weitreichenden Folgen, trotz der Inflationswelle, trotz der Hungergefahr in vielen Ländern. Sie kleben sich auf Fahrbahnen, als ob nichts anders wäre, sie schütten Kunstwerke an. Nicht so sehr aus Bosheit, sondern oft wohl wirklich, weil sie echt Angst haben um die Zukunft, weil es nicht fünf vor zwölf und auch nicht fünf nach zwölf ist, sondern weil der Zeiger, um im Bild zu bleiben, ihrer Ansicht nach längst in Richtung halb eins geht. "Die Welt hat keine Zeit mehr, Punkt" sagen sie.Auf der anderen Seite stehen Unternehmen, Berufsgruppen und viele Menschen, die sich Sorgen um ihre Zukunft und ihr Leben machen, weil die Folgen des Krieges, die angespannte Versorgungslage und die Teuerung ihre Kalkulationen und alles durcheinanderwirbeln. Die Umweltprobleme erkennen meist auch sie, und sie sind grundsätzlich auch bereit, die Klimapolitik mitzutragen. Aber das sture Festhalten an vielen der Umweltvorgaben und Zukunftsstrategien passt für sie nicht zur aktuellen Situation. Sie sehen Zielkonflikte, die man ihrer Meinung nicht ignorieren darf.
Immer lauter wird der Ruf nach mehr Pragmatismus, nach Anpassung und Aussetzung von Plänen und Zielen, nach mehr Flexibilität und nach weniger Ideologie, weil man sich immer mehr Sorgen macht um die wirtschaftliche Entwicklung. Und auch, weil man sich zunehmend Sorgen um gesellschaftliche und politische Spannungen macht.
"Umwelt und Klimaschutz sind wichtig, aber genauso wichtig ist die Sicherung der Lebensmittelversorgung", sagte erst kürzlich Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Er und die Bauern stehen an dieser Front ganz vorne. Die Bauern gehören zu den Gruppen, die die größten Probleme damit haben. Gerade für sie passen viele der Pläne, insbesondere wie die EU sie im "Green Deal" hegt, mit der Halbierung des Pflanzenschutzes und dem Ziel, den ökologischen Zustand der 1950er-Jahre wiederherzustellen, nicht mit den Anforderungen zusammen, wie sie die Realität stellt. Sie befürchten, dass sie durch ideologische Blindheit und politische Sturheit unter die Räder kommen und die Folgen nicht bedacht werden. "Ein grünes Europa hilft nichts, wenn in Südamerika der Regenwald brennt." Und sie verstehen nicht, dass man ausgerechnet Nachhaltigkeit und Biodiversität von Holz in Frage stellt, während man Atomenergie und Gas ein grünes Mäntelchen umhängt.
Argumente und Argumentationen von Gruppen wie den Bauern klingen vernünftig. Und sie sind vor allem von einem Pragmatismus getragen, den die andere Seite oft vermissen lässt.
Dort sind die Hardliner am Ruder. Auch die muss es freilich geben. Gerade beim Klimaschutz. Zu groß wäre wohl die Gefahr, dass das Thema verschwindet. Gerade in einer Situation, wie wir sie derzeit erleben.
Dennoch darf nicht aus den Augen verloren werden, dass es gilt zu einem Ausgleich, zu einem fruchtbaren Kompromiss zu kommen, der alle in der Sache und die Sache selbst voranbringt. Das ist freilich oft mühsam.
Neu ist es nicht. In der Vergangenheit hat es das immer wieder gegeben. Verlangt sind Offenheit und Ernsthaftigkeit. Und Vernunft. Ideologie ist da fehl am Platz. Es geht um vernünftige Kompromisse. Und die scheinen, das muss gesagt werden, eher nicht von der Seite derer zu kommen, die nur den Klimaschutz im Auge haben, die auf Gefühle pochen und die den aktuellen Sorgen, Problemen und Gefahren keine Bedeutung zumessen. Jedenfalls nicht die, die ihnen zusteht.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 1. Dezember 2022
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