Der Fortschritt ist nicht gut angesehen in unserer Gesellschaft. Eine regelrechte Fortschrittsfeindlichkeit hat sich breitgemacht und eingenistet in vielen Köpfen. Viele sehnen sich zurück nach den alten Zeiten, die vielen als gut gelten, und man verdrängt dabei, dass sie meistens alles andere als gut waren, und zumeist richtig schlecht. Schon gar wenn es um die täglichen Dinge geht, um die persönlichen Verhältnisse, um die Gesundheit, um die Ernährung auch und die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Da ist noch gar nicht die Rede von den sozialen und den politischen Verhältnissen und von den Lebensumständen insgesamt. Nicht einmal übersichtlicher war es in den Zeiten, die so gerne als die guten alten Zeiten beschworen und verklärt werden. Und gar nicht zu reden davon, dass inzwischen viele daraus ein Geschäftsmodell gemacht haben. In der Wirtschaft und in der Politik vor allem.
Zuweilen scheint es, als hätte die Gesellschaft die Orientierung verloren, wenn es um die Entwicklung geht und um die Notwendigkeiten. Da geht der Blick selten über den Tellerrand hinaus und ist bestimmt vor allem von eigenen Interessen und der eigenen Situation. Das sei jedem Einzelnen unbenommen, das darf aber keine Entschuldigung dafür sein, im Großen die Dinge nicht voranzutreiben. Für die Menschen, aber auch für die Umwelt. Denn was der Fortschritt erreicht, kann immer wieder erstaunen. Und es passt oft überhaupt nicht zu dem, wie darüber gedacht und diskutiert wird.Der Fortschritt ist oft kaum zu merken, im Ergebnis ist ihm aber oft nachgerade ein Wunder eigen, über das man nicht genug staunen kann - in der Lebenserwartung, in der Medizin, in der Landwirtschaft und in vielen anderen Bereichen.
"1960 ernährte die Landwirtschaft ca. drei Milliarden Menschen, 2020 waren es nicht ganz acht Milliarden Menschen", war dieser Tage auf X (vormals Twitter) zu lesen. "In derselben Zeit wurden weltweit die Produktionsflächen von 4,4 Mrd. auf 4,7 Mrd. Hektar ausgedehnt." Nachsatz: "In Europa nahmen die Flächen deutlich ab, dagegen gab es Zunahmen in Südamerika und Afrika." Jetzt kann man freilich sehr viele Argumente und auch viel Kritik an der Landwirtschaft einbringen -über die ungleiche Verteilung, die Ausbeutung auch bis hin zu Lebensmittelverschwendung und zur Umweltbelastung, und man kann anführen, dass zuletzt der Welthunger wieder zu einem größeren Problem geworden ist. Was bleibt, ist dennoch mehr als erstaunlich. Heute ernährt die Landwirtschaft, die sich so viel Kritik gefallen lassen muss und die für viele, vor allem in Europa, ein rotes Tuch ist, von der im Großen und Ganzen gleich gebliebenen Fläche fast drei Mal so viele Menschen wie vor sechzig Jahren.
Und was auch bleibt, ist die Frage, was mit den Milliarden Menschen geworden wäre, wenn es diesen Fortschritt in der Landwirtschaft, der so vielen als des Teufels gilt, nicht gegeben hätte? Man mag gar nicht nachdenken darüber.
Und man mag auch gar nicht nachdenken darüber, was es bedeutet, dass just in Europa die Flächen in dieser Zeit zurückgingen. Denn das passt zum verqueren Verhältnis zum Fortschritt, das sich bis hin zu einer regelrechten Fortschrittsfeindlichkeit entwickelte, die auf dem alten Kontinent in den vergangenen Jahrzehnten zur Kultur geworden ist. Das passt freilich auch dazu, wie sich Europa von internationalen Entwicklungen abschottet, sich aus der Verantwortung stiehlt und für sich arbeiten lässt.
In der Landwirtschaft, die man in der eigenen Umgebung mit Auflagen und Vorschriften knebelt, wobei man gleichzeitig keine Hemmungen hat, aus anderen Weltregionen zu importieren, wo all die Auflagen nicht gelten, ist das besonders augenscheinlich.
Der Fortschritt in dieser Sparte, die oft so angefeindet wird, ist nur ein Beispiel. In vielen anderen Bereichen ist es freilich nicht anders. Es ist angesehen, den Fortschritt zu knebeln. Die Gefahren, die damit verbunden sind, nimmt man in Kauf. Mit einer sturen Haltung, die sich allem verschließt. Dabei sind intelligente Lösungen mehr denn je gefragt. Es ist hoch an der Zeit, die Wege dafür freizumachen -und auch, den Aufwand dafür auf sich zu nehmen. Offen und in geordneten Bahnen freilich. Um nicht Feind der eigenen Zukunft zu werden. Nicht nur der eigenen, das vor allem.
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