
Österreichs Politik hat in diesen Tagen nur ein Thema - Harald Mahrer. Dieses Thema ist, was man "fett" und "ergiebig" nennt. Und es passt wie maßgeschneidert in den Kosmos der Politblase, die im Land die Deutungshoheit zu haben glaubt und sich gerne als Jagdgesellschaft versteht. Da ist einer, der immer schon Kanten gezeigt hat, der als arrogant empfunden wurde, zu dem man nie wirklich eine Nähe gefunden hat und der zu allem Überfluss noch der Chef einer Kammer und einer der mächtigen Männer in der ÖVP war. An so einem Mann und seinem Scheitern kann man sich wunderbar abarbeiten. Mahrers Fall ist, was die Politblase liebt, ist man doch vorzugsweise damit beschäftigt, sich gegenseitig zu beschädigen und schlecht zu machen. Da kann man alte Rechnungen begleichen und sich profilieren. Es muss gestritten und ausgeteilt werden. Das vor allem. Nach vorne schaut man freilich nie.
Bei Mahrer war alles aufgelegt. Er war von Beginn an verloren, aus eigenem Verschulden. Aber sei's drum - Mahrer ist Geschichte. Das ist wohl auch gut so.Mit Fällen wie Mahrer wird, auch wenn es um einen bedeutenden Posten und eine bedeutende Institution im Land geht, Zeit vergeudet und werden Kapazitäten gebunden, die anderswo fehlen. Das hemmt die politische Arbeit an den tatsächlichen Problemen des Landes, wirft sie zurück und gaukelt eine Aktivität vor, die weit von dem entfernt ist, was das Land braucht. Und von dem, was sich die Leute erwarten. Zumal in einem Land, das so in den Seilen hängt wie derzeit Österreich.
Dabei ist klar, Fälle wie den Fall Mahrer darf und sollte es nicht geben. Sie sollten die politische Arbeit nicht bremsen. Dass sie es tun, ist zur Kultur geworden in diesem Land. Man versteht es, damit das p.t. Publikum zu unterhalten, man spielt sich gegenseitig die Bälle zu, man ist sich der Schlagzeilen sicher und oft auch des Beifalls von den Rängen.
Da wird zum Greifen, warum in diesem Land nichts weitergeht. Alleine die Vorwoche zeigte es. Da war nicht nur Mahrer, dessen Fall den Politbetrieb beherrschte und damit blockierte. Da waren auch so Themen wie die Juwelen Habsburgs und die unklare Antwort des Enkels des letzten Kaisers auf die Frage, ob er sich als rechtmäßiger Kaiser von Österreich sehe, oder die Auseinandersetzung um das unselige Dinghofer-Symposium im Parlament.
Das alles gilt als Politik im Land. In Wahrheit Nullthemen aus der Vergangenheit allesamt, die nicht auf der großen Bühne gelöst werden müssten, sondern auf kurzem Weg abgehandelt werden sollten. Genauso wie eigentlich auch der Rücktritt eines Kammerpräsidenten nicht große Politik sein darf, die das Land gleichsam in Geiselhaft nimmt, während die wirklichen Themen zu kurz kommen -Themen wie eine Strategie für die Industrie oder die explodierenden Ausgaben der Länder, insbesondere Wiens, und die Folgen für das Bundesbudget, die daneben in der Vorwoche fast untergegangen sind.
Da nimmt nicht wunder, dass die Politik im Ansehen der Leute regelrecht abstürzt. Der Großteil der Menschen in diesem Land fühlt sich politisch nicht mehr gehört. Die Jungen verlieren das Vertrauen in die Politik. Nur einer profitiert davon und darf sich die Hände reiben -Herbert Kickl und seine Freiheitliche Partei. Für sie war die vorige Woche wieder eine Steilvorlage. Nicht nur, weil sie sich nach dem Wöginger-Desaster schon wieder in Häme ergehen konnte, sondern auch, weil die Volkspartei insgesamt in Probleme schlitterte, die schnell an die Substanz gehen können. Und das nicht nur jener der Volkspartei, sondern auch jener der Regierung.
Der Druck auf den Bundeskanzler, nach der Phase der Beruhigung endlich Leadership zu zeigen und Ziele vorzugeben, wächst rasant. "Die Regierung fährt sich gerade im Morast fest", schreiben prominente Zeitungskommentatoren inzwischen. Und: "Die Bundesregierung muss heuer noch Pflöcke einschlagen, um nicht ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren."
Dies auch schon alleine deswegen, um einen Vergleich verstummen zu lassen, der immer öfter zu hören ist. Da und dort lästert man, "Stocker erinnert mich nicht nur wegen der Physiognomie immer öfter an Fred Sinowatz". Der war, für die Jungen unter den Lesern, in den 1980ern SP-Bundeskanzler und ging mit dem Satz "Es ist alles sehr kompliziert" in die Geschichte ein.
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