Donnerstag, 27. November 2025

Krise? Ein Fake?

Wir sind schon wieder mittendrin, und dabei ist es offiziell noch gar nicht losgegangen. Die Adventmärkte im ganzen Land sind seit dem vergangenen Wochenende überlaufen. Die Black Week mit ihren Sonderangeboten aller Art, die am Freitag dieser Woche im Black Friday gipfelt, hat uns schon fest im Griff, ehe die Zeit, die immer noch als die "besinnliche" bezeichnet wird, am kommenden Sonntag mit dem ersten Adventsonntag beginnen wird. Dann geht es erst richtig los. Es ist alles angerichtet. Irgendwo ist der schöne Satz gestanden, dass dann "das Land dem Punschduft und Glöckchen klingen der Adventmärkte verfällt". So ist es. Und es wird jedes Jahr immer noch mehr, oder, wie nicht wenige finden, es wird immer noch ärger. Krise? Ist da was? Ein Fake gar?

Die Daten und Geschichten, die in diesen Tagen veröffentlicht werden, passen jedenfalls nicht dazu. Alles, was zu Geld gemacht werden kann, wird zu Geld gemacht. Allein aus dem Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus sollen die Standler heuer Prognosen zufolge 60 Millionen Euro Umsatz machen. Auf 390 Millionen Euro wird der Umsatz aller Adventmärkte in Österreich geschätzt.

Das neueste Feld, das man entdeckt hat, sind augenscheinlich Adventkalender, die man über Jahre als einfache Kreationen mit 24 Türchen kannte, hinter denen sich im besten Fall Schokofiguren verbargen, die das Warten aufs Christkind erträglicher machen sollten. Heute ist das Schnee von vorgestern, wird doch berichtet, dass man Adventkalender auch um 1.750 Euro (sic!) bekommt. Das freilich ohne Schokofiguren, dafür aber mit einem "handgenähten Wäschestück" hinter jedem Türchen, wie es vielversprechend heißt. Dagegen nimmt sich der Back-Adventkalender, den eine Lungauer Bäuerin um 105 Euro anbietet, noch günstig aus.

Da scheint noch allemal genug Geld für das eigentliche Fest übrig zu bleiben. Handelsforscher rechnen mit einem, wenn auch nur leichten Anstieg der Ausgaben im Handel gegenüber dem Vorjahr auf 2,35 Mrd. Euro, was einem neuen Rekord entspräche. Es gelte das Motto "Das Schenken lassen wir uns nicht nehmen". Das gilt auch für die Haustiere. Auch im Tierbedarfs-Handel hat das Weihnachtsgeschäft mit allerlei für Hund und Katz' längst begonnen und läuft dem Vernehmen nach gut.

54 Prozent der Bevölkerung haben heuer Freude beim Geschenkekaufen, hat das Meinungsforschungsinstitut IMAS erhoben. 426 Euro wollen sie im Schnitt ausgeben. Die Teuerung spiele zwar schon eine Rolle, heißt es, aber bei rund einem Drittel der Leute werden es schon zwischen 200 und 1.000 Euro sein, bei drei Prozent sogar mehr als 2.000 Euro, die man ausgeben will. Es ist, als ob es keine Bremsen gäbe, immer wieder gibt es neue Höhepunkte. Mehr denn je davon wird in chinesische Kassen fließen und jene von Amazon. Bei Temu, Shein und Konsorten darf man sich die Hände reiben. "Die Kassen klingeln in Fernost" heißt es.

Was wir in diesen Wochen erleben, fügt sich zur unbändigen Reiselust im Sommer und im Winter. Zwei, drei, oft vier Urlaube oder Reisen sind für viele selbstverständlich. Der Automarkt brummt, in Restaurants bekommt man oft ohne Reservierung keinen Platz. Das alles passt so gar nicht zu den düsteren Darstellungen der Wirtschaftslage und des Arbeitsmarktes und schon gar nicht zur Stimmung im Lande, die zur Schau getragen wird.

Geht es uns wirklich so schlecht? Oder doch nicht? Oder liegen die Befragungen für die Stimmungsbarometer und Ähnlichem so daneben, weil die Antworten den Erwartungen angepasst sind? Es nimmt nicht wunder, wenn mitunter Zweifel aufkommen an all dem Gezetere, das aus allen Ecken zu vernehmen ist. Oder könnten wir nicht doch etwas dazu beitragen respektive zulassen, dass sich der Staat und seine Finanzen wieder erfangen, auf dass man wieder Handlungsspielraum für die Gestaltung der Zukunft ermöglicht?

Bei Licht betrachtet muss man angesichts der tatsächlichen Lebensverhältnisse, die sich von den in Zahlen gespiegelten oft diametral unterscheiden, wohl ja sagen -ohne dass die Meldungen davon, dass vielen in einem kargen Jahr auch ein karges Weihnachtsfest blüht, untergehen sollen.

Die Stimmung ist freilich nicht danach. Nicht wegen der ewig geifernden Opposition, vor allem aber auch nicht wegen des fehlenden Mutes der Regierung.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. November 2025

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