Nur vier von 100 Euro, die wir fürs Essen ausgeben, landen bei den Bauern. Sogar der Finanzminister hat mehr davon. Am meisten landet – noch vor dem Handel – in Gastronomie und Hotellerie.
Hans Gmeiner
Salzburg „In der Landwirtschaft kann man nichts
verdienen, aber an der Landwirtschaft kann man viel verdienen.“ Diesen Satz
bekommt man auf den heimischen Bauernhöfen schon mit der Muttermilch mit. Franz
Sinabell, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, relativiert ihn nur
geringfügig. „In der Landwirtschaft kann man gerade so viel verdienen, dass man
über die Runden kommt, und an der Landwirtschaft kann man gut verdienen“, sagt
er und untermauert das mit Zahlen. „Von 100 Euro, die für Lebensmittel
ausgegeben werden, kommen nur wenig mehr als vier Euro in der Landwirtschaft
an.“
Am meisten geht an Gastronomie und Hotellerie
Mehr als doppelt so viel, nämlich neun Euro, gehen
als Steuern in die Staatskasse, und fünf Euro landen bei den Verarbeitern der
Produkte, die die Bauern liefern. Die großen Brocken aber teilen sich der
Handel sowie Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe. In den Groß- und
Einzelhandel gehen laut einer Aufstellung der „Wertschöpfungsverteilung bei
Haushaltsausgaben für Nahrung und Getränke in Österreich“, die das Wifo
erarbeitete, 14 von 100 Euro und in die Gastronomie und Hotellerie zusammen
sogar 17 Euro von 100.
Ein Drittel landet direkt oder indirekt im Ausland
Damit nicht genug. Zwölf von 100 Euro, die die
Konsumenten für Lebensmittel zahlen, landen direkt oder indirekt in Immobilien,
bei Patenten oder bei Markenrechten. Dort ist es oft der Handel, der die Hand
ein zweites Mal aufhält und etwa über Eigenmarken oder Immobiliengeschäfte
profitiert. Was selbst Sinabell überraschte: „Mehr als ein Drittel, 34 Prozent,
der Ausgaben für Lebensmittel landet direkt oder indirekt im Ausland.“ Dazu
zählen nicht nur die Ausgaben für importierte Lebensmittel, sondern auch die
Aufwendungen für Importe von Gütern, die gebraucht werden, um Nahrungsmittel in
Österreich herzustellen. „Der Bogen reicht da bis hin zu Energieimporten“,
erläutert Sinabell.
Insgesamt ist dieser Kuchen gut 100 Milliarden Euro
groß. Die 4,3 Mrd. Euro, die als Bruttowertschöpfung dabei im Vorjahr auf die
Landwirtschaft entfielen, nehmen sich sehr bescheiden aus angesichts des
Geschäftsvolumens, das zu einem guten Teil mit den Produkten gemacht wird, die
die Bauern liefern. Im Groß- und Einzelhandel etwa geht es um ein Volumen
zwischen 15 Mrd. und 20 Mrd. Euro und in der Gastronomie um rund 14 Mrd. Euro.
Und da ist noch gar nicht die Rede von den fast 10 Mrd. Euro, die als Steuern
in die Staatskasse fließen.
Landwirtschaft will nicht den Schwarzen Peter
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist
nachvollziehbar, dass sich die heimische Landwirtschaft in der Diskussion um
die hohen Lebensmittelpreise nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen will.
„Unsere Untersuchungen belegen, dass der Anteil der bäuerlichen Produktion am
Endpreis gering ist und weiter abnimmt“, sagt Sinabell. Er stellt die Rechnung
am Beispiel Brot auf: „Weniger als fünf Prozent des Endpreises gehen an den
Bauern, der Rest verteilt sich auf Mühle, Bäckerei, Verpackung, Transport,
Handel und Steuern.“
Die Wifo-Analyse zeigt, dass die Preissteigerungen
der vergangenen Jahre kaum auf die Landwirtschaft zurückzuführen sind. Vielmehr
seien es gestiegene Energiepreise sowie höhere Löhne und Transportkosten, die
sich laut dieser Untersuchung in der gesamten Kette niederschlagen. Besonders
stark sei dabei der Außer-Haus-Konsum wegen der gestiegenen Personalkosten in
Gastronomie und Hotellerie betroffen. Im Lebensmittelpreisindex gehe das aber
unter.
Österreich nicht im Spitzenfeld bei Preisen
Im internationalen Vergleich liegt das Preisniveau
von Lebensmitteln in Österreich im oberen Mittelfeld, aber nicht an der Spitze.
„Lebensmittel in Österreich sind leistbar“, sagt Sinabell. „Was fehlt, ist aber
oft ein faktenbasierter Blick auf die Sachlage.“ Zu berücksichtigen sei auch,
dass sich Österreich durch ein hohes Qualitätsniveau, einen
überdurchschnittlichen Bioanteil und strengere Produktionsstandards von anderen
Ländern abhebt.
Alkohol ist billig wie kaum wo sonst
Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den
gesamten Haushaltsausgaben beträgt in Österreich nur zwölf Prozent. „Das ist
der drittniedrigste Wert in der EU.“ Nahrungsmittel wie Brot, Milch,
Milchprodukte, Fleisch, Obst und Gemüse, aber auch Getränke sind in vielen
europäischen Staaten deutlich teurer als in Österreich. So liegt Österreich bei
Milch und Milchprodukten erst an 22. Stelle, bei Fleisch an siebter, bei Brot
an sechster und bei Nahrungsmitteln und Getränken insgesamt an neunter Stelle.
Billig wie kaum sonst wo in Europa ist Alkohol. Da liegt Österreich an 32.
Stelle.
Die Forderung nach Preisdeckeln für Lebensmittel
hält Sinabell für fragwürdig. „Wenn man die Position der Bauern verbessern
will, muss man sie messbar machen und dann gezielt stärken“, sagt er. Sein
Rezept: die Einführung eines Preismonitoring-Systems nach französischem
Vorbild, in dem Datenquellen gebündelt werden und das schrittweise zu einem
umfassenden Monitoring ausgebaut wird, um mehr Transparenz zu schaffen.
Salzburger Nachrichten – Wirtschaft, 24. November
2025

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