Montag, 24. November 2025

Wer von hohen Lebensmittelpreisen profitiert

Nur vier von 100 Euro, die wir fürs Essen ausgeben, landen bei den Bauern. Sogar der Finanzminister hat mehr davon. Am meisten landet – noch vor dem Handel – in Gastronomie und Hotellerie.

Hans Gmeiner

Salzburg „In der Landwirtschaft kann man nichts verdienen, aber an der Landwirtschaft kann man viel verdienen.“ Diesen Satz bekommt man auf den heimischen Bauernhöfen schon mit der Muttermilch mit. Franz Sinabell, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, relativiert ihn nur geringfügig. „In der Landwirtschaft kann man gerade so viel verdienen, dass man über die Runden kommt, und an der Landwirtschaft kann man gut verdienen“, sagt er und untermauert das mit Zahlen. „Von 100 Euro, die für Lebensmittel ausgegeben werden, kommen nur wenig mehr als vier Euro in der Landwirtschaft an.“

Am meisten geht an Gastronomie und Hotellerie

Mehr als doppelt so viel, nämlich neun Euro, gehen als Steuern in die Staatskasse, und fünf Euro landen bei den Verarbeitern der Produkte, die die Bauern liefern. Die großen Brocken aber teilen sich der Handel sowie Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe. In den Groß- und Einzelhandel gehen laut einer Aufstellung der „Wertschöpfungsverteilung bei Haushaltsausgaben für Nahrung und Getränke in Österreich“, die das Wifo erarbeitete, 14 von 100 Euro und in die Gastronomie und Hotellerie zusammen sogar 17 Euro von 100.

Ein Drittel landet direkt oder indirekt im Ausland

Damit nicht genug. Zwölf von 100 Euro, die die Konsumenten für Lebensmittel zahlen, landen direkt oder indirekt in Immobilien, bei Patenten oder bei Markenrechten. Dort ist es oft der Handel, der die Hand ein zweites Mal aufhält und etwa über Eigenmarken oder Immobiliengeschäfte profitiert. Was selbst Sinabell überraschte: „Mehr als ein Drittel, 34 Prozent, der Ausgaben für Lebensmittel landet direkt oder indirekt im Ausland.“ Dazu zählen nicht nur die Ausgaben für importierte Lebensmittel, sondern auch die Aufwendungen für Importe von Gütern, die gebraucht werden, um Nahrungsmittel in Österreich herzustellen. „Der Bogen reicht da bis hin zu Energieimporten“, erläutert Sinabell.

Insgesamt ist dieser Kuchen gut 100 Milliarden Euro groß. Die 4,3 Mrd. Euro, die als Bruttowertschöpfung dabei im Vorjahr auf die Landwirtschaft entfielen, nehmen sich sehr bescheiden aus angesichts des Geschäftsvolumens, das zu einem guten Teil mit den Produkten gemacht wird, die die Bauern liefern. Im Groß- und Einzelhandel etwa geht es um ein Volumen zwischen 15 Mrd. und 20 Mrd. Euro und in der Gastronomie um rund 14 Mrd. Euro. Und da ist noch gar nicht die Rede von den fast 10 Mrd. Euro, die als Steuern in die Staatskasse fließen.

Landwirtschaft will nicht den Schwarzen Peter

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist nachvollziehbar, dass sich die heimische Landwirtschaft in der Diskussion um die hohen Lebensmittelpreise nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen will. „Unsere Untersuchungen belegen, dass der Anteil der bäuerlichen Produktion am Endpreis gering ist und weiter abnimmt“, sagt Sinabell. Er stellt die Rechnung am Beispiel Brot auf: „Weniger als fünf Prozent des Endpreises gehen an den Bauern, der Rest verteilt sich auf Mühle, Bäckerei, Verpackung, Transport, Handel und Steuern.“

Die Wifo-Analyse zeigt, dass die Preissteigerungen der vergangenen Jahre kaum auf die Landwirtschaft zurückzuführen sind. Vielmehr seien es gestiegene Energiepreise sowie höhere Löhne und Transportkosten, die sich laut dieser Untersuchung in der gesamten Kette niederschlagen. Besonders stark sei dabei der Außer-Haus-Konsum wegen der gestiegenen Personalkosten in Gastronomie und Hotellerie betroffen. Im Lebensmittelpreisindex gehe das aber unter.

Österreich nicht im Spitzenfeld bei Preisen

Im internationalen Vergleich liegt das Preisniveau von Lebensmitteln in Österreich im oberen Mittelfeld, aber nicht an der Spitze. „Lebensmittel in Österreich sind leistbar“, sagt Sinabell. „Was fehlt, ist aber oft ein faktenbasierter Blick auf die Sachlage.“ Zu berücksichtigen sei auch, dass sich Österreich durch ein hohes Qualitätsniveau, einen überdurchschnittlichen Bioanteil und strengere Produktionsstandards von anderen Ländern abhebt.

Alkohol ist billig wie kaum wo sonst

Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den gesamten Haushaltsausgaben beträgt in Österreich nur zwölf Prozent. „Das ist der drittniedrigste Wert in der EU.“ Nahrungsmittel wie Brot, Milch, Milchprodukte, Fleisch, Obst und Gemüse, aber auch Getränke sind in vielen europäischen Staaten deutlich teurer als in Österreich. So liegt Österreich bei Milch und Milchprodukten erst an 22. Stelle, bei Fleisch an siebter, bei Brot an sechster und bei Nahrungsmitteln und Getränken insgesamt an neunter Stelle. Billig wie kaum sonst wo in Europa ist Alkohol. Da liegt Österreich an 32. Stelle.

Die Forderung nach Preisdeckeln für Lebensmittel hält Sinabell für fragwürdig. „Wenn man die Position der Bauern verbessern will, muss man sie messbar machen und dann gezielt stärken“, sagt er. Sein Rezept: die Einführung eines Preismonitoring-Systems nach französischem Vorbild, in dem Datenquellen gebündelt werden und das schrittweise zu einem umfassenden Monitoring ausgebaut wird, um mehr Transparenz zu schaffen.

Salzburger Nachrichten – Wirtschaft, 24. November 2025

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