Donnerstag, 29. November 2012

"Morbus Strache" zerfrisst Österreichs Verhältnis zur Europäischen Union





Es war so ein Sager, wie ihn österreichische Politiker immer öfter schnell sagen. Sie stecke das Geld lieber in das Pendlerpauschale, als es nach Brüssel zu überweisen, sagte Finanzministerin Maria Fekter kürzlich im Parlament. Sie tat es wohl im Glauben und in der Absicht, dass so etwas gut kommt in Österreich. Die einzig richtige Antwort darauf kam ausgerechnet von Kanzler Werner Faymann. "Das ist Unsinn“, sagte kurz und bündig. Es ist ihm nur recht zu geben.

Längst hat "Morbus Strache“ weite Teile des Landes und jener, die in diesem Land Politik machen, erfasst. Das EU-Bashing, das H.C. Strache seit Jahren vormacht, versuchen ihm immer mehr nachzumachen. Es ist Mode geworden, zu versuchen mit Seitenhieben gegen Brüssel billige Punkte beim Wahlvolk zu machen. Brüssel wird vorzugsweise als Geld verschlingender, undurchsichtiger Moloch dargestellt, der Österreich und seinen braven Bewohnern nichts als an den Kragen will. Davon, wo unser Land von der Mitgliedschaft profitiert, ist indes praktisch nichts mehr zu hören. Das im Wirthaussaal bei der Parteiveranstaltung verschwitzte Hemd ist allerorten näher als das feine graue Anzugstuch des Rocks, den man in Brüssel gerne zur Schau trägt.

Ausgerechnet der Kanzler, lange wegen eines Briefes an Krone-Herausgeber Dichand als Europa-Feind gescholten, macht den Eindruck, derzeit der einzige Europäer in der Spitzenpolitik des Landes zu sein. Die Volkspartei, die sich so gerne und eitel als die Hüter der europäischen Idee in Österreich darstellte, schaut dagegen schlecht aus. Der Brüsseler Gipfel in der vergangenen Woche führte das drastisch vor Augen. Von der Vetoankündigung bis zu den kleinlichen Stellungnahmen von Politikern aus aller Richtungen der Partei.

Dass es vor diesem Hintergrund Europa schwer hat in Österreich, nimmt nicht Wunder. Und dass die EU selbst samt ihrer Währung seit Jahren in einer hartnäckigen Krise steckt, macht die Situation nicht einfacher. Dass das Verhältnis zur EU und dass die Union selbst strapaziert ist, steht außer Frage. Umso wichtiger wären klare Linien in Österreichs Europa-Politik, klare Bekenntnisse zu den Zielen der Union und eine klare Orientierung und Positionierung in zentralen Themen.

Von all dem ist freilich kaum etwas zu sehen. Das Verhältnis zwischen Österreich und der europäischen Idee erkaltet zusehends. Österreich kann sich weniger denn je klar für die EU und ihre Ziele entscheiden, während die Skepsis der Österreicherinnen und Österreicher wächst. Kein Wunder, erleben sie doch Österreichs Teilnahme an der gemeinsamen Europäischen Politik vor allem als halbherzig, schlitzohrig und zuweilen unehrlich.

Da ist es nur zu logisch, dass Österreich in Brüssel kaum von Gewicht ist. Vieles von dem, was hierzulande als großes Engagement, toller Kontakt oder Initiative für Europa hinausposaunt wird, wird in Brüssel nicht einmal wahrgenommen. Österreichs Europapolitik spielt sich längst in zwei völlig unterschiedlichen Polit-Welten ab, die sich immer weniger verstehen und deren Kommunikationsschwierigkeiten immer augenscheinlicher werden. Die Reserviertheit und das Erstaunen der österreichischen EU-Abgeordneten über die Vetodrohung des hiesigen Außenministers ist besorgniserregender Beleg dafür. Da die hemdsärmeligen Politiker in Österreich, die kaum über den Tellerrand sehen, dort die von der heimischen Politik nach Brüssel entsandten Vertreter Österreichs, die unvermindert für die Europa-Idee arbeiten.

In den vergangenen Tagen ist die Idee aufgetaucht, in Österreich für Politiker einen längeren Aufenthalt in Brüssel zur Pflicht zu machen. Dieser Vorschlag hat etwas. Ein Perspektivenwechsel täte vielen der Damen und Herren gut, die sich da Tag für Tag an Brüssel abputzen. Auch weil sie dann einen tieferen Einblick in die oft sehr komplexe Materie der europäischen Politik gewinnen würden. Denn derzeit, und das ist auch ein Grund für die Europa-Phobie, fehlt es allzuoft am Basiswissen.

Darum ist gerade von Spitzenpolitikern, zumal von solchen Parteien, die sich das blau-gelbe EU-Logo so gerne als Bekenntnis zu Europa an die Brust heften, Besinnung und Verantwortung gefragt. Der Handlungsbedarf ist groß, zumal es zur Europäischen Union keine Alternative gibt. Vor allem nicht für das kleine Österreich, das bisher von der Mitgliedschaft so stark profitierte, wie kaum ein anderes Land.

Meine Meinung, Raffeienzietung, 29. November 2012

Donnerstag, 22. November 2012

Österreichs ewige Schlagseite





Felix Baumgartner sorgte bei den einen für Nasenrümpfen. Es waren die Wenigeren. Bei den anderen, es waren die Mehreren, erntete er Zustimmung. Nicht immer offen, sondern zumeist hinter vorgehaltener Hand und eingebettet in allerlei Erklärungen dafür, dass und warum so eine kleine Diktatur Österreich und den Österreichern ganz gut täte.

Das erschreckt in diesem Land nicht wirklich. Hat es auch nie, passt es doch nur allzu gut zu Österreich und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern. Für den Ruf nach einer starken Hand hat man hierzulande immer schon eine Schwäche, zumindest solange es den eigenen Interessen dient.

Immer wenn‘s wo eng wird, oder wenn man mit einer Entwicklung nicht zu Rande kommt, wird der Ruf nach einem Durchgreifen der Obrigkeit laut. Die soll es auch gegen Widerstände und am besten ohne lange zu fragen richten. In so einer kleinen Diktatur geht ja alles schneller und ist alles einfacher.

Für manche der heimischen Politiker, zumal solche, die auf Stimmenzuwachs angewiesen sind, respektive solche, die vielleicht gar ums politische Überleben kämpfen, ist das durchaus verlockend. Der Ruf nach Einführung einer Obergrenze für die Mietzinsen in Wien geriet zum exemplarischen Beispiel dafür. Die Stadtchefin der Wiener Grünen, die sonst gar nicht genug kriegen können vom Abstimmen, brachte es zu Publizität und ihr hinterdrein die Arbeiterkammer samt schwesterlich verbundener Organisationen auch.

Noch besser, weil subtiler, können das freilich manche Bürgermeister und Landeshauptleute, die sich in ihrer Rolle als Ortskaiser und Landesfürsten zuweilen sehr gefallen. Der Grat zwischen dem, was als Führungsstärke geschätzt wird, und diktatorischen Anwandlungen ist dort mitunter sehr schmal.

Da kann man nur froh sein, dass die Demokratie hierzulande alles in allem und allen kleindiktatorischen Anwandlungen und Gelüsten zum Trotz doch noch funktioniert, zumal die Gelüste oft groß sind. Der Wunsch nach einer starken Hand wird oft laut in diesem Land. Wenn bei Lebensmitteln Preisanstiege drohen, bei den Treibstoffpreisen, beim Umgang mit Asylsuchenden sowieso und auch wenn‘s um die "Sozialschmarotzer“ geht.

Allerorten hat man dann wenig Scheu, Grundsätze, die sonst so stolz vor sich hergetragen werden, im Fall der Fälle mit Füßen zu treten. Anschaffen, drüberfahren - passt. Deckel drauf. Ist doch praktisch. Da gibt es klare Verhältnisse, da braucht es keine langwierigen Diskussionen. So mag man‘ s in Österreich, wenn‘s eng wird. Zumindest dann, wenn es gegen andere geht.

Wenn man freilich selbst unter die Räder kommt, ist alles ganz anders. Mit klein-diktatorischer Hand drüberfahren geht da freilich ganz und gar nicht. Da kommen die wunderlichsten Erklärungen und Argumente, warum dieses und jenes nicht machbar ist, dann wird schnell von einer "Sauerei“ geredet. Höhere Steuern vielleicht, eine Anhebung von Gebühren, ein Verbot dort, eine Vorschrift da. Da weiß man sehr schnell und sehr genau, was man nicht will und was man nicht braucht und wie es anders gemacht gehört und vor allem, warum das nicht geht. Im Handumdrehen fragt man "Was ist mit unseren Rechten, wo bleibt denn da die Mitbestimmung?“ und fordert "Mehr direkte Demokratie muss her“.

Das latente Verständnis für die kleine Diktatur hat freilich auch mit der schwachen und wenig vertrauenserweckenden Performance der Politik zu tun - und auch mit dem mangelnden Selbstbewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher. Selbstbewusst sind die meisten allenfalls in ihren vier Wänden. Den Mund aufmachen? Nur, wenn man sich gut geschützt weiß in einer Gruppe. Ansonsten traut man sich nicht. Reden nicht, handeln nicht und Verantwortung übernehmen schon gar nicht. Das sollen die anderen tun. Das fügt sich gut, zumal sich viele ohnehin als arme Wesen verstehen, denen die Welt nur Ungemach will.

Jetzt gibt‘s im Parlament sogar eine Partei, die dieses so österreichische Prinzip internalisiert hat. Im Team Stronach gibt es einen Chef, der die Regeln macht, weil er das Gold hat, wie er gerne sagt. Und damit ist gleich alles klar. Der schafft an, hinter dem kann man sich verstecken, in dieser Partei können Fragen erst gar nicht aufkommen und Diskussionen kann man sich sparen. Kleine Diktatur eben. "Bei uns gibt Frank die Linie vor“, heißt es dort.

Passt gut zu Österreich und seiner Schlagseite.

Meine Meinung Raiffeisenzeitung, 22. November 2012

Samstag, 17. November 2012

„Die EU will nur bei den Bauern sparen“





Landwirtschaftminister Niki Berlakovich wehrt sich dagegen, dass die EU den österreichischen Bauern 20 bis 30 Prozent der Gelder kürzen will.

HANS GMEINER

Künftig will die EU für die Landwirtschaft deutlich weniger Geld ausgeben als bisher. Der Vorschlag, den EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy eine Woche vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs vorlegte, bedeutet, dass die Mittel für österreichische Bauern um 20 bis 30 Prozent gekürzt werden. „Inakzeptabel“ nennt Landwirtschaftminister Niki Berlakovich das im SN-Interview. Das entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, ist doch Van Rompuys Vorschlag, den EU-Haushalt um 75 Mrd. Euro zu kürzen, ein Kompromissangebot an die EU-Nettozahler, zu denen auch Österreich gehört. Die fordern sogar eine Kürzung des EU-Haushalts für 2014 bis 2020 um 100 Mrd. Euro.

Müssen die Bauern jetzt schwarzsehen?

Berlakovich: Die Regierungsspitze mit Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger stellte sich ungeachtet der Position der Nettozahler hinter die Forderungen der Landwirtschaft. Es ist sichergestellt, dass für den Bundeskanzler die Sicherung der Mittel für den Bereich Ländliche Entwicklung in den Verhandlungen, die ja er führt, Priorität hat.

Wird Österreich an den ursprünglichen Forderungen festhalten?

Berlakovich: Wir halten daran fest. Wir haben die Summe von 3,8 Milliarden für die Ländliche Entwicklung über die gesamte Periode 2014–2020 als Ziel mit der Regierungsspitze sichergestellt. Das sind ohnehin bereits um rund zehn Prozent weniger als bisher. Wir gehen seit dem EU Beitritt in der Landwirtschaft einen ökologischen Weg. Diesen Weg wollen wir weitergehen, für den werden wir in ganz Europa von Barroso abwärts gelobt und wir gelten als Vorbild. Schon von da her verstehen wir nicht, dass wir durch Kürzungen bestraft werden sollen.

Es gibt aber Widerstände. Auch in den eigenen Reihen. So wird etwa Vizekanzler Spindelegger für seine Ankündigung bei Weitergehenden Kürzungen der Agrargelder, gegen das EU-Budget sein Veto einzulegen, kritisiert.

Berlakovich: Die Vetoankündigung von Spindelegger halte ich für richtig. Wir sind seit dem EU-Beitritt Nettozahler und haben das Recht, wie die Franzosen und die Briten, die sehr viel in die EU einzahlen, auch unsere Interessen einzufordern. Und das sind in unserem Fall die Mittel für die Ländliche Entwicklung und der Rabatt.

Warum ist das Geld für die Ländliche Entwicklung so wichtig?

Berlakovich: Die Ländliche Entwicklung ist das Herzstück unserer Agrarpolitik. Das sind die Mittel für Umwelt- und Bioprogramme und die Bergbauernförderung. Zudem werden Projekte in nicht bäuerlichen Bereichen gefördert. Eine Wifo-Studie zeigt die positiven Effekte, wie die Absicherung von Tausenden Arbeitsplätzen.

Es gibt aber Kritik, dass von diesen Mitteln die Landwirtschaft viel zu stark profitiere. Organisationen wie die Arbeiterkammer wollen eine Neuverteilung.

Berlakovich: Von den mehr als vier Milliarden Euro in der derzeitigen Periode gingen mehr als 20 Prozent in den nicht bäuerlichen Bereich – in den Naturschutz, in die Dorferneuerung, in die Förderung des Fremdenverkehrs und des Gewerbes.

In der Öffentlichkeit haben die Bauern das Image, es ginge ihnen nur ums Geld.
Berlakovich: Wir wehren uns jetzt so, weil der Agrarbereich der einzige Sektor ist, bei dem die Mittel gekürzt werden sollen. Wir zeigten uns bereit, die ursprünglich geplante Kürzung als Beitrag zum gemeinsamen Europa zu leisten, aber weitere Kürzungen, wie jetzt offensichtlich geplant, lehnen wir ab. Wir verstehen nicht, dass etwa die EU-Verwaltung nicht sparen muss und mehr bekommen soll.

Aber die Preise für Agrarprodukte sind hoch, in den vergangenen zwei Jahren gab es kräftige Einkommenszuwächse. Was spricht da gegen Kürzungen?

Berlakovich: Dem ist entgegenzuhalten, dass die Schwankungen bei den Agrarpreisen sehr hoch sind. Oft geht es in zweistelligen Prozentsätzen runter, dann wieder rauf. Im Vorjahr etwa hat alles gepasst, heuer ist alles wieder ganz anders – mit Frostschäden, Überschwemmungen und Dürre. Daher kämpfe ich für ein ausreichend dotiertes EU-Prämiensystem, weil das den Bauern eine Basisabsicherung verschafft.

Womit müssen die Bauern rechnen?

Berlakovich: Realistischerweise mit weniger Geld. Man muss aber auch Ruhe bewahren, weil sich jetzt die entscheidende Phase noch Monate hinziehen kann. Es wird jedenfalls ein harter Kampf.

Wo ist für Sie die Schmerzgrenze?

Berlakovich: Jedes Prozent tut weh. Agrarkommissar Ciolos hat mit dem Argument, die EU-Landwirtschaft ökologisieren zu wollen, ursprünglich Budgetmittel erhalten. Wenn Kürzungen in dem Maß kommen, wie sie jetzt diskutiert werden, ist dieses Konzept nicht mehr zu halten. Dann muss die Agrarreform völlig neu aufgestellt werden.

Donnerstag, 15. November 2012

Hausgemachter Leidensdruck


 


Man weiß es. Frau und Herr Österreicher fühlen sich gerne zu kurz gekommen, ungerecht behandelt und ungerechtfertigt ausgesackelt. Vom Staat, von den Handelskonzernen, von den Ölfirmen, von den Banken, von wem auch immer. Was alteriert man sich nicht darüber an den Stamm- und Küchentischen dieses Landes. Der Leidensbedarf ist hoch zwischen Neusiedlersee und Bodensee.

Dabei ist so vieles hausgemacht. Ohne Not und ohne Verantwortung und im wahrsten Sinn des Wortes. Erst jüngst ließ das Finanzministerium, vielerorts als Hort der Gier und der Abzocke gescholten, vernehmen, dass Jahr für Jahr hunderte Millionen Euro an staatlichen Hilfen einfach nicht abgeholt werden. Nicht abgeholt von vielen derer, die sonst nicht müde werden, über die hohe Steuerlast und den räuberischen Staat zu jammern und nicht abgeholt, von vielen derer, für die all das gemacht wurde, weil die sonst angeblich nicht über die Runden kämen.

Rund 100 Millionen lässt man jährlich einfach liegen, weil man es etwa nicht der Mühe wert findet, das Formular für die Arbeitnehmerveranlagung, den Jahresausgleich, auszufüllen. 130 Millionen bleiben dem Finanzministerium übrig, weil die steuerliche Absetzbarkeit von Kosten für die Kinderbetreuung nicht genutzt wird, und 100 Millionen, weil der Kinderfreibetrag nicht geltend wird. Im Sozialministerium wundert man sich darüber, dass nur 193.000 Menschen jährlich die Mindestsicherung, die frühere Sozialhilfe, in Anspruch nehmen. Und im Wissenschaftsministerium darüber, dass viele Studenten, die sich sonst so gerne über das Ansinnen Studiengebühren einzuführen, alterieren, einen Gutteil der staatlichen Förderungen liegen lassen und darauf verzichten, Studienbeihilfe zu beantragen.

Beispiele wie diese gibt es viele in diesem Land, in dem sich, diesem Eindruck kann man sich allzu oft nicht entziehen, so viele Menschen vor allem übers Jammern und über das, was sie nicht bekommen, definieren.

Für all das, das sei gar nicht angezweifelt, mag es Gründe geben. Zumindest da und dort. So ist etwa bekannt, dass insbesondere in ländlichen Regionen Menschen eine Scheu haben, zum Gemeindeamt zu gehen und um Sozialhilfe zu bitten. Dass man darauf einen Anspruch hat, tut dabei wenig zur Sache. Die Scham ist oft größer. Oder man weiß, dass die geringe Nutzung des Kinderfreibetrags damit zusammenhängt, dass das letzte Kindergartenjahr großteils gratis ist und somit nicht steuerlich geltend gemacht werden kann.

Die Fragen, die diese Zahlen aus dem Finanzministerium und dieses Verhalten vieler Österreicherinnen und Österreicher aufwerfen, sind dennoch diskussionswürdig. Zum einen ist die Treffsicherheit all dieser Maßnahmen zu hinterfragen, die die Politik oft in falscher Einschätzung der Realitäten durchsetzt. Zum anderen geht es dabei aber auch um nichts anderes als um den sorgsamen Umgang mit Ressourcen.

In den geschilderten Fällen ist es die Ressource Geld, die allerorten knapp zu werden droht, zumal angesichts der Finanzprobleme der EU, die längst tief in die nationalen Budgets und mithin auch in den Haushalt der Republik Österreich hinein strahlt.

Da gilt es ganz offensichtlich den Blick zu schärfen und nicht populistischem Geheul den Weg frei zu machen. Was etwa hätte man mit dem Geld, das da im Vorjahr nicht abgeholt wurde, nicht alles machen können, ist zu fragen - Initiativen in Wirtschaft und Bildung, Steuersenkungen vielleicht sogar oder Hilfe für Menschen, für die nichts vorgesehen ist. An Möglichkeiten fehlt es nicht.

Das gleiche Muster findet sich beim omnipräsenten Klagen über hohe Lebensmittelpreise. Dass hierzulande rund ein Drittel der Lebensmittel im Müll landet, weggeworfen oft just von jenen, die besonders über die Preise jammern, ist ein Thema, das sich in der Öffentlichkeit schwer tut. Über ein paar Cent mehr beim Milch- und Brotpreis einen Wirbel zu machen, ist da allemal leichter.

Nicht anders verhält es sich mit den Klagen über hohe Treibstoff-und Energiepreise. Sie füllen die Gazetten und regen die Leute auf - und nicht, dass daheim die Lichter brennen, als gäbe es kein morgen und selbst kleinste Wege lieber mit dem Auto als zu Fuß zurückgelegt werden.

Doch statt sich Fragen und Themen wie diesen zu stellen und sich in den Spiegel zu schauen, verbraucht man sich lieber am Gewohnten. Am Jammern, am Fordern. Man will sich doch die Lust am Leiden nicht madig machen lassen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. November 2012

Donnerstag, 8. November 2012

Mehr Ehre für die Lehre





Das Land braucht Fachkräfte, schallt es aus jeder Ecke. Überall sind Leute gefragt und gesucht, die sich auskennen und etwas können. Immer lauter klagen die Betriebe über den Mangel an qualifiziertem Personal. Gute Leute zu finden, gleicht in manchen Branchen längst der Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen. Auch der Lehrlingsmangel macht zunehmend Sorgen. Während sich die Universitäten kaum des Ansturms junger Leute erwehren können, tun sich Betriebe in vielen Branchen immer schwerer, Nachwuchs zu finden und damit ihre Zukunft zu sichern. Alle Bekenntnisse zur Lehre und alle Bemühungen sie attraktiver zu machen und damit den Nachschub zu sichern, erweisen sich zumeist als eines - als Papiertiger.

Da ist einiges in Schieflage geraten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, was sich nun zu rächen beginnt. In den Köpfen von Eltern, in den Köpfen von Jugendlichen, in den Köpfen von Bildungs-und Ausbildungsverantwortlichen. Studieren gilt etwas in diesem Land, Lehre, Handwerk und nichtakademischen Berufen hingegen kommt oft bei weitem nicht jene Beachtung zu, die sie verdienen. Schon gar, wenn es um handwerkliche Tätigkeiten geht. Man macht sich ja die Hände nicht schmutzig.

Wer eine Lehre beginnt, hat es in diesem Land nicht immer leicht. Allen Beteuerungen zum Trotz kann das Image der meisten Lehrberufe nicht mit dem Studium an einer Universität mithalten. Die Lehre gilt vielen hierzulande als Sackgasse, AHS und Studium hingegen gelten als Einbahn zum Erfolg. Unverdrossen.

Warum das so ist, ist freilich die Frage. Denn viele hoffnungsvoll beginnende akademische Karrieren stranden oft sehr rasch im abgeschiedenen Kämmerlein mit wenig anspruchsvollen Aufgaben, schlechter Bezahlung und miserablen Aussichten.

Ein ordentlicher Lehrabschluss mit entsprechenden Weiterbildungen ist da angesichts der Aussichten auf dem Arbeitsmarkt durchaus eine sinnvolle Alternative. Selbst Siemens-Chefin Brigitte Ederer rät den Jungen zu Mut und zu Lehrberufen. "Werdet Installateur“, sagt sie gerne Leuten, die sie um Rat fragen.

Freilich, leicht ist es nicht diesem Rat zu folgen. Man muss angesichts der österreichischen Wirklichkeit schon einiges mögen, um einen Lehrberuf zu ergreifen. Dinge, wie die Aussicht auf eine relativ schlechte Bezahlung, oft schwierige und unangenehme Arbeitsbedingungen oder schwere körperliche Arbeit über Jahrzehnte sind durchaus nicht jederfrau und jedermanns Sache. Mit 60 auf dem Baugerüst bei Wind und Wetter herumzuklettern, auch wenn man längst Polier ist. Mit 58 als Installateur unter der Abwasch liegen, um zwei Rohre zusammenzuklemmen. Oder mit 55 als Mechanikergeselle mit ölverschmierten Händen Autos zu reparieren.

Der Mangel an Fachkräften hat aber nicht nur mit Image, Arbeitsbelastung und Bezahlung zu tun. Er hat auch mit dem Korsett zu tun, das Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden wollen, in den vergangenen Jahren umgelegt wurde.

Angesichts der oft allzu gut gemeinten und damit überzogenen Auflagen und Verpflichtungen ist durchaus nachvollziehbar, dass vor allem kleine Unternehmen sich aus der Lehrlingsausbildung völlig zurückziehen. Lehrlinge unterm Glassturz sind für sie bei allem guten Willen oft mehr Last als Hilfe. Sie können sich das schlicht nicht leisten. Und: Wer will sich schon von den Haarspaltern aus Gewerkschaft oder Arbeitsmarktaufsicht ständig wegen jeder Kleinigkeit auf die Finger klopfen und als übelmeinender Bösewicht hinstellen lassen?

Es täte gut, den Wert einer akademischen Ausbildung und den Wert einer Lehre öfter zu vergleichen und sich nicht auf Vorurteile zu verlassen. Die Ergebnisse würden zuweilen überraschen. Sehr oft zugunsten der Lehre. Denn was Können, Wissen und Know-how betrifft, sind Lehrberufe oft völlig unterschätzt. Und das völlig zu Unrecht. Angesichts der Anforderungsprofile, die an manchen Akademiker gestellt werden, ist zu fragen, warum etwa Lehrberufe durch die Bank schlechter bezahlt sind, zumal dann, wenn man dort oft mehr können muss und mehr gefordert ist als in Berufen, die akademische Ausbildung verlangen.

Lehre verdient mehr Anerkennung. So lange es die aber nur auf dem Papier gibt, wird sich wohl am Fachkräftemangel in Österreich nur schwer etwas ändern.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 8. November 2012

Freitag, 2. November 2012

Geruch der Bauerntäuscherei hängt in der Luft





Die ersten großen Hürden auf dem Weg der heimischen Landwirtschaft in die Zukunft sind überwunden. Ende August präsentierte der Landwirtschaftsminister ein Modell zur Angleichung der Förderungen innerhalb Österreichs. Seit drei Wochen liegt auch in der Einheitswertfrage und damit in der Neuordnung der Besteuerung der Bauern eine Lösung auf dem Tisch.

Allerorten lobt man sich in höchsten Tönen. Von Vorarlberg bis Salzburg heften sich die Landesräte und Kammerpräsidenten an die Brust, dass in Zukunft mehr EU-Geld in ihre Bundesländer fließt. Ihre Kollegen im Osten halten sich zugute, dass sie die Mittel für ihre jeweiligen Bundesländer ohne allzu große Abstriche sichern konnten. Und der Bauernbundpräsident lässt sich dafür feiern, dass er verhinderte, dass sich die SPÖ bei Einheitswerten und Besteuerung mit ihren Forderungen durchsetzte.

Alles paletti also? Aus der Vogelperspektive der Agrarpolitiker mag das so sein. Für viele Bauern ist das ganz sicher nicht so. Denn was auf Landesebene und in Gesamtzahlen oder vor dem Hintergrund von Forderungen anderer Parteien gut ausschauen mag, muss noch lange nicht gut für den einzelnen Landwirt sein. Denn da gibt es nicht nur Sieger, sondern auch sehr viele Verlierer.

Die Veränderungen, die kommen, sind für viele einzelne Landwirte heftig. Da geht es mitunter um eine Erhöhung der Belastungen oder eine Senkung der Förderungen im zweistelligen Bereich. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, wie die Agrarpolitik, die sonst mitunter jedes Zehntelprozent an Veränderung zum Drama und zur Existenzfrage erklärt, darüber hinwegzuturnen versucht.

"Das muss sein", ist alles was man denen sagt, die es erwischt - und man versteckt sich lieber tunlichst hinter Gesamtzahlen und verweist auf abgewehrte Forderungen anderer Parteien. Als ob sich die betroffenen Bauern davon etwas abbeißen könnten. Konkrete Informationen zu den möglichen Auswirkungen auf die einzelnen Betriebe sind indes bisher so spärlich, dass es an Bauerntäuscherei grenzt.

Wie lange das gut geht, ist offen. Bei den Schweine-und Milchbauern, die in die Steuerpflicht genommen werden, brodelt es bereits. Vor allem Ungleichheiten in der Bewertung der Tierbestände sorgen für Unmut. Viele Ackerbauern ärgern sich, dass es wieder nichts mit der seit Jahren versprochenen Besserstellung bei den Einheitswerten geworden ist, und sind erstaunt, mit welchem Gleichmut ihnen ein Viertel der Prämien und mehr einfach genommen wird. Viele fragen danach, wo die Gerechtigkeit bleibt, und viele fühlen sich ge- und enttäuscht. Allerorten brechen Spannungen innerhalb der Bauernschaft auf. Die einen freuen sich darüber, dass die Schweinebauern Steuern zahlen müssen, die anderen, dass die Ackerbauern gestutzt werden. Dass es dabei oft um sehr viel geht, ist ihnen genauso egal wie den Agrarpolitikern.

Angesichts der heftigen Veränderungen, die anstehen, ist die Lage in der Bauernschaft freilich relativ ruhig. Der Bauernbund scheint bis hinunter in die Bezirksorganisationen, die sich wohl aus Parteiräson und oft gegen ihre Interessen handzahm geben, alles im Griff zu haben. Bemerkenswert ist auch, wie ruhig all die Agrar-Robin-Hoods von der IG-Milch über die SP-Bauern, den Bauernverband bis hin zum Grünen-Evergreen Wolfgang Pirkelhuber sind.

Die Ruhe freilich könnte sich als trügerisch erweisen. Die Bauern vertragen viel. Aber alles, was nur den Geruch von Täuscherei hat, vertragen sie nicht. Gar nicht.

Gmeiner meint Blick ins Land - 2. November 2012
 
UA-12584698-1