Samstag, 17. November 2012

„Die EU will nur bei den Bauern sparen“





Landwirtschaftminister Niki Berlakovich wehrt sich dagegen, dass die EU den österreichischen Bauern 20 bis 30 Prozent der Gelder kürzen will.

HANS GMEINER

Künftig will die EU für die Landwirtschaft deutlich weniger Geld ausgeben als bisher. Der Vorschlag, den EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy eine Woche vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs vorlegte, bedeutet, dass die Mittel für österreichische Bauern um 20 bis 30 Prozent gekürzt werden. „Inakzeptabel“ nennt Landwirtschaftminister Niki Berlakovich das im SN-Interview. Das entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, ist doch Van Rompuys Vorschlag, den EU-Haushalt um 75 Mrd. Euro zu kürzen, ein Kompromissangebot an die EU-Nettozahler, zu denen auch Österreich gehört. Die fordern sogar eine Kürzung des EU-Haushalts für 2014 bis 2020 um 100 Mrd. Euro.

Müssen die Bauern jetzt schwarzsehen?

Berlakovich: Die Regierungsspitze mit Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger stellte sich ungeachtet der Position der Nettozahler hinter die Forderungen der Landwirtschaft. Es ist sichergestellt, dass für den Bundeskanzler die Sicherung der Mittel für den Bereich Ländliche Entwicklung in den Verhandlungen, die ja er führt, Priorität hat.

Wird Österreich an den ursprünglichen Forderungen festhalten?

Berlakovich: Wir halten daran fest. Wir haben die Summe von 3,8 Milliarden für die Ländliche Entwicklung über die gesamte Periode 2014–2020 als Ziel mit der Regierungsspitze sichergestellt. Das sind ohnehin bereits um rund zehn Prozent weniger als bisher. Wir gehen seit dem EU Beitritt in der Landwirtschaft einen ökologischen Weg. Diesen Weg wollen wir weitergehen, für den werden wir in ganz Europa von Barroso abwärts gelobt und wir gelten als Vorbild. Schon von da her verstehen wir nicht, dass wir durch Kürzungen bestraft werden sollen.

Es gibt aber Widerstände. Auch in den eigenen Reihen. So wird etwa Vizekanzler Spindelegger für seine Ankündigung bei Weitergehenden Kürzungen der Agrargelder, gegen das EU-Budget sein Veto einzulegen, kritisiert.

Berlakovich: Die Vetoankündigung von Spindelegger halte ich für richtig. Wir sind seit dem EU-Beitritt Nettozahler und haben das Recht, wie die Franzosen und die Briten, die sehr viel in die EU einzahlen, auch unsere Interessen einzufordern. Und das sind in unserem Fall die Mittel für die Ländliche Entwicklung und der Rabatt.

Warum ist das Geld für die Ländliche Entwicklung so wichtig?

Berlakovich: Die Ländliche Entwicklung ist das Herzstück unserer Agrarpolitik. Das sind die Mittel für Umwelt- und Bioprogramme und die Bergbauernförderung. Zudem werden Projekte in nicht bäuerlichen Bereichen gefördert. Eine Wifo-Studie zeigt die positiven Effekte, wie die Absicherung von Tausenden Arbeitsplätzen.

Es gibt aber Kritik, dass von diesen Mitteln die Landwirtschaft viel zu stark profitiere. Organisationen wie die Arbeiterkammer wollen eine Neuverteilung.

Berlakovich: Von den mehr als vier Milliarden Euro in der derzeitigen Periode gingen mehr als 20 Prozent in den nicht bäuerlichen Bereich – in den Naturschutz, in die Dorferneuerung, in die Förderung des Fremdenverkehrs und des Gewerbes.

In der Öffentlichkeit haben die Bauern das Image, es ginge ihnen nur ums Geld.
Berlakovich: Wir wehren uns jetzt so, weil der Agrarbereich der einzige Sektor ist, bei dem die Mittel gekürzt werden sollen. Wir zeigten uns bereit, die ursprünglich geplante Kürzung als Beitrag zum gemeinsamen Europa zu leisten, aber weitere Kürzungen, wie jetzt offensichtlich geplant, lehnen wir ab. Wir verstehen nicht, dass etwa die EU-Verwaltung nicht sparen muss und mehr bekommen soll.

Aber die Preise für Agrarprodukte sind hoch, in den vergangenen zwei Jahren gab es kräftige Einkommenszuwächse. Was spricht da gegen Kürzungen?

Berlakovich: Dem ist entgegenzuhalten, dass die Schwankungen bei den Agrarpreisen sehr hoch sind. Oft geht es in zweistelligen Prozentsätzen runter, dann wieder rauf. Im Vorjahr etwa hat alles gepasst, heuer ist alles wieder ganz anders – mit Frostschäden, Überschwemmungen und Dürre. Daher kämpfe ich für ein ausreichend dotiertes EU-Prämiensystem, weil das den Bauern eine Basisabsicherung verschafft.

Womit müssen die Bauern rechnen?

Berlakovich: Realistischerweise mit weniger Geld. Man muss aber auch Ruhe bewahren, weil sich jetzt die entscheidende Phase noch Monate hinziehen kann. Es wird jedenfalls ein harter Kampf.

Wo ist für Sie die Schmerzgrenze?

Berlakovich: Jedes Prozent tut weh. Agrarkommissar Ciolos hat mit dem Argument, die EU-Landwirtschaft ökologisieren zu wollen, ursprünglich Budgetmittel erhalten. Wenn Kürzungen in dem Maß kommen, wie sie jetzt diskutiert werden, ist dieses Konzept nicht mehr zu halten. Dann muss die Agrarreform völlig neu aufgestellt werden.

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