Donnerstag, 22. November 2012

Österreichs ewige Schlagseite





Felix Baumgartner sorgte bei den einen für Nasenrümpfen. Es waren die Wenigeren. Bei den anderen, es waren die Mehreren, erntete er Zustimmung. Nicht immer offen, sondern zumeist hinter vorgehaltener Hand und eingebettet in allerlei Erklärungen dafür, dass und warum so eine kleine Diktatur Österreich und den Österreichern ganz gut täte.

Das erschreckt in diesem Land nicht wirklich. Hat es auch nie, passt es doch nur allzu gut zu Österreich und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern. Für den Ruf nach einer starken Hand hat man hierzulande immer schon eine Schwäche, zumindest solange es den eigenen Interessen dient.

Immer wenn‘s wo eng wird, oder wenn man mit einer Entwicklung nicht zu Rande kommt, wird der Ruf nach einem Durchgreifen der Obrigkeit laut. Die soll es auch gegen Widerstände und am besten ohne lange zu fragen richten. In so einer kleinen Diktatur geht ja alles schneller und ist alles einfacher.

Für manche der heimischen Politiker, zumal solche, die auf Stimmenzuwachs angewiesen sind, respektive solche, die vielleicht gar ums politische Überleben kämpfen, ist das durchaus verlockend. Der Ruf nach Einführung einer Obergrenze für die Mietzinsen in Wien geriet zum exemplarischen Beispiel dafür. Die Stadtchefin der Wiener Grünen, die sonst gar nicht genug kriegen können vom Abstimmen, brachte es zu Publizität und ihr hinterdrein die Arbeiterkammer samt schwesterlich verbundener Organisationen auch.

Noch besser, weil subtiler, können das freilich manche Bürgermeister und Landeshauptleute, die sich in ihrer Rolle als Ortskaiser und Landesfürsten zuweilen sehr gefallen. Der Grat zwischen dem, was als Führungsstärke geschätzt wird, und diktatorischen Anwandlungen ist dort mitunter sehr schmal.

Da kann man nur froh sein, dass die Demokratie hierzulande alles in allem und allen kleindiktatorischen Anwandlungen und Gelüsten zum Trotz doch noch funktioniert, zumal die Gelüste oft groß sind. Der Wunsch nach einer starken Hand wird oft laut in diesem Land. Wenn bei Lebensmitteln Preisanstiege drohen, bei den Treibstoffpreisen, beim Umgang mit Asylsuchenden sowieso und auch wenn‘s um die "Sozialschmarotzer“ geht.

Allerorten hat man dann wenig Scheu, Grundsätze, die sonst so stolz vor sich hergetragen werden, im Fall der Fälle mit Füßen zu treten. Anschaffen, drüberfahren - passt. Deckel drauf. Ist doch praktisch. Da gibt es klare Verhältnisse, da braucht es keine langwierigen Diskussionen. So mag man‘ s in Österreich, wenn‘s eng wird. Zumindest dann, wenn es gegen andere geht.

Wenn man freilich selbst unter die Räder kommt, ist alles ganz anders. Mit klein-diktatorischer Hand drüberfahren geht da freilich ganz und gar nicht. Da kommen die wunderlichsten Erklärungen und Argumente, warum dieses und jenes nicht machbar ist, dann wird schnell von einer "Sauerei“ geredet. Höhere Steuern vielleicht, eine Anhebung von Gebühren, ein Verbot dort, eine Vorschrift da. Da weiß man sehr schnell und sehr genau, was man nicht will und was man nicht braucht und wie es anders gemacht gehört und vor allem, warum das nicht geht. Im Handumdrehen fragt man "Was ist mit unseren Rechten, wo bleibt denn da die Mitbestimmung?“ und fordert "Mehr direkte Demokratie muss her“.

Das latente Verständnis für die kleine Diktatur hat freilich auch mit der schwachen und wenig vertrauenserweckenden Performance der Politik zu tun - und auch mit dem mangelnden Selbstbewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher. Selbstbewusst sind die meisten allenfalls in ihren vier Wänden. Den Mund aufmachen? Nur, wenn man sich gut geschützt weiß in einer Gruppe. Ansonsten traut man sich nicht. Reden nicht, handeln nicht und Verantwortung übernehmen schon gar nicht. Das sollen die anderen tun. Das fügt sich gut, zumal sich viele ohnehin als arme Wesen verstehen, denen die Welt nur Ungemach will.

Jetzt gibt‘s im Parlament sogar eine Partei, die dieses so österreichische Prinzip internalisiert hat. Im Team Stronach gibt es einen Chef, der die Regeln macht, weil er das Gold hat, wie er gerne sagt. Und damit ist gleich alles klar. Der schafft an, hinter dem kann man sich verstecken, in dieser Partei können Fragen erst gar nicht aufkommen und Diskussionen kann man sich sparen. Kleine Diktatur eben. "Bei uns gibt Frank die Linie vor“, heißt es dort.

Passt gut zu Österreich und seiner Schlagseite.

Meine Meinung Raiffeisenzeitung, 22. November 2012

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