Donnerstag, 28. Februar 2013

Land am Tropf



Der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler wirbt vor den Landtagswahlen am kommenden Sonntag mit dem Slogan "Unser Geld für unsere Leute“. Ausgerechnet. "Kärntner Familiengeld“ verspricht er, "Kärntner Gesundheitsgeld“ und "Kärntner Baugeld“. Ausgerechnet das Land, das keinen Knopf mehr in der Tasche hat, das die höchsten Schulden hat, das ein reiner Sanierungsfall ist, empört man sich außerhalb Kärntens, tut so, als sei "nach Haiders Tod nicht die Sonne, sondern ein Geldsack vom Himmel gefallen“, wie eine Zeitung befand. Wie könne man dort von "unserem Geld“ sprechen, wo es doch das längst nicht mehr gebe, wo doch längst ganz Österreich dafür grade stehen muss, dass dort überhaupt noch etwas geht.

Der Ärger und die Häme sind verständlich. Sie sollten sich freilich nicht auf Kärnten beschränken. Was Dörfler und die Seinen so exzessiv vorführen, ist im Grunde nichts anderes als das Selbstverständnis von Politik in seiner Endausbaustufe, dem man nicht nur in Kärnten, sondern auch in anderen Ländern und auf Bundesebene viel zu oft nachhängt. Allerorten macht man trotz leerer Taschen gerne auf reichen Mann, verspricht, zumal wenn Wahlen ins Haus stehen, gerne für dies und jenes Geld, macht Leute madig, die vom Sparen reden oder neue Strukturen einmahnen, und legt drauf und drauf und drauf.

Nachgerade animiert von der Politik will niemand seine Ansprüche zurückdrehen und will niemand locker lassen und nachgeben, weil man Angst hat, zu kurz zu kommen. "Wenn der nimmt, nehme ich auch“, ist die Devise. "Und wenn der etwas bekommt, habe ich auch keine Scheu etwas zu verlangen.“

Die Folgen haben das Zeug, bald das Prädikat "verheerend“ zu verdienen. Auf 230 Milliarden Euro sind die österreichischen Staatsschulden inzwischen angestiegen. Und es werden immer mehr.

Wie ein Junkie hängt ein ganzes Land am Tropf. Ohne Subvention, Förderung und Unterstützung aus irgendeinem Topf eines öffentlichen Haushaltes geht kaum mehr etwas. Im Privatbereich nicht und auch nicht bei den Unternehmen. Die Kalkulation von Investitionen orientiert sich hierzulande viel zu oft nicht an Themen der Rentabilität, sondern viel zu oft ausschließlich an der Verfügbarkeit von Förderungen.

In der Wirtschaft hat man sich längst daran gewohnt und im Privatbereich sowieso. Längst ist man abhängig. Oft ist dabei die Eigenständigkeit unter die Räder gekommen, die Eigeninitiative und die Eigenverantwortung. Ohne Förderung ist man nichts und tut man nichts. Viel zu oft dienen öffentliche Mittel alleine dazu, Verhältnisse, und seien sie noch so ungerecht und überholt, zu konservieren, viel zu selten dazu, Neues entstehen zu lassen.

Auf diese Weise ist Österreich beim Anteil der Förderungen am Brutto-Inlandsprodukte zum zweifelhaften Titel "Europameister“ gekommen. Die Geldleistungen aller Gebietskörperschaften vom Bund über die Länder bis hin zu den Gemeinden haben bereits ein Volumen von 75 Milliarden Euro erreicht. Das sind 25 Prozent des BIP - so viel wie in keinem anderen Land Europas. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die vergleichbare Quote 18,5 Prozent, in Frankreich 21,7 Prozent. Im EU-Schnitt liegt sie bei 19 Prozent. Ein Großteil dieses Geldes, 19 Prozent des BIP, floss an Privatpersonen, geht aus dem Subventionsbericht der Bundesregierung an das Parlament hervor.

Die restlichen sechs Prozent werden unter dem Titel "Unternehmenssubventionen“ geführt. Sie sind wegen der hohen Direktförderungen im Gesundheitswesen und an die ÖBB im internationalen Vergleich besonders hoch. In diesem Fall ist "besonders hoch“ wirklich "besonders hoch“, weil der vergleichbare Anteil in Deutschland bei nur zwei Prozent, in Frankreich bei 2,2 Prozent und EU-weit bei 2,3 Prozent liegt.

15,8 Milliarden wurden 2011, auf dieses Jahr bezieht sich der aktuelle Subventionsbericht, alleine vom Bund an direkten und indirekten Förderungen an die Wirtschaft vergeben. Vier Milliarden davon, der größte Brocken, sind dem Gesundheitswesen, insbesondere den Spitälern, zuzurechnen, drei Milliarden dem Verkehr und 1,8 Milliarden den ÖBB. Mit 700 Millionen nimmt sich da die so oft gescholtene Landwirtschaft fast als marginale Größe aus.

Dass sich daran ausgerechnet heuer etwas ändert, ist angesichts der Wahlen freilich unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist, dass Dörfler und sein "Unser Geld für unsere Leute“ kein abschreckendes Beispiel, sondern Vorbild ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Februar 2013

Donnerstag, 21. Februar 2013

Der Aufschrei


Er ist ein Gewerbetreibender. Er verdient gut. Er ist das, was man umtriebig im besten Sinne nennt. Er hat immer wieder Ideen, mit denen er etwas Neues vorantrieben will. Er lebt in einem Dorf, dem das gut täte. Dieser Schwung, neues Leben, neue Arbeitsplätze, Geld für die Gemeindekassa.

Der gute Mann ist einer von denen es heißt, solche Leute brauche das Land.

Freilich, er lebt in Österreich. Und das, man weiß es, ist eine gehörige Herausforderung, wenn man Eigeninitiative entwickelt und etwas Neues machen will. Da fühlt man sich auch als unbescholtener Steuerzahler schnell als Bittsteller, da wird einem das Vorhaben etwas zu verdienen schnell als etwas Unlauteres ausgelegt. Und da gibt es jede Menge Hürden, die aufgestellt werden, aber ganz sicher kaum Unterstützung.

Das weiß unser Gewerbetreibender, damit lebt er. Er kennt das Getriebe, er weiß, dass man da einen langen Atmen braucht. Jetzt aber, wo er mit einem Partner ein neuartiges Gastronomie-Projekt verwirklichen will, ist ihm aber der Kragen geplatzt. Was er sagt, stellt das ganze System bloß und zeigt, was schief läuft in diesem Land. Seine Argumentationskette ist in ihrer Klarheit so entlarvend, dass sie wörtlich zitiert sei. "Wir wollen aus privater Initiative etwas auf die Beine stellen, wir beantragen keine Förderungen, wir riskieren unserer privates Geld“, umreißt er die Ausgangslage. "Dass wir nach Abzug unserer Kosten, auch von Personalkosten, etwas verdienen wollen, soll nicht verboten sein“.

Das freilich ist ein Kalkül, das hierzulande gewagt ist. Denn in Österreich ist die Bürokratie so aufgestellt, dass man anderes viele eher vermuten muss. "In der Bezirkshauptmannschaft haben uns die Beamten eine unendlich lange Liste von Auflagen präsentiert, uns gesagt, welche Gutachten erforderlich seien und dass sie mindestens drei Monate Bearbeitungszeit bräuchten“. Das rüttelt am Nervenkostüm. Verständlicherweise.

"Man stelle sich vor - ich möchte meine wirtschaftlichen Tätigkeiten erweitern und weiß schon jetzt, dass ich von jedem Ertrag wegen der Steuerprogression nur 50 Prozent behalten können werde“, geht die Anklage weiter. "Und ich muss trotzdem bangen und hoffen, dass ich die Idee verwirklichen darf und ich muss fürchten, dass die zu erwartenden Auflagen unser Projekt unrentabel machen“.

Wohl unfreiwillige Ironie ist, dass die Stelle, bei der unser Gewerbetreibender in der Bezirkshauptmannschaft darum ringen muss, Geld verdienen und Arbeitsplätze schaffen zu dürfen, nur ein paar Türen von jener entfernt logiert, die die Mindestsicherung bemisst und auszahlt. Dass diese Ironie erkannt wird, glaubt unser Mann nicht. "Ob die Beamten wissen, dass ich mit meinen Steuern nicht nur ihren Hintern, sondern auch die Mindestsicherung finanziere, muss ich nach unserer Vorsprache bezweifeln“.

Viele seiner Kollegen hat so etwas schon ins Ausland getrieben. Bestenfalls. Für viele aber kamen Herzinfarkt, Depression und Verzweiflung schneller. "Es ist unerträglich, dass man in Österreich mit einer Geschäftsidee auf den Knien vor Beamten rutschen muss, damit man wirtschaften darf“, folgert unser Gewerbetreibender entkräftet und desillusioniert. "In einem normalen Staat müsste man einen Teppich ausrollen, dafür, dass ich wirtschaftlich aktiv werde, Arbeitsplätze schaffen will und dass ich mit meinen zu erwartenden Steuern das Öl für das Staatgetriebe liefere.“

Dem Mann kann man nur recht geben. Die Klarheit, in der er das formuliert, schmerzt. Sie sollte den Verantwortlichen an den Schaltstellen in Politik, Bürokratie und Gewerkschaft unter die Haut gehen. Der Verweis auf Förderungen, der an dieser Stelle gerne eingebracht wird, führt sich selbst ad absurdum - geht doch ein Großteil dafür drauf, all die oft nichts als unsinnig und schikanös empfundenen Auflagen und Vorschriften erfüllen zu müssen. Die Katze beißt sich also in den Schwanz und Wirtschaftsförderung ist damit zu einem guten Teil nichts anderes als staatlich organisierte Geldvernichtung.

Es ginge auch einfacher. Und es muss auch einfacher gehen. Österreich kann es sich nicht leisten, sich länger selbst zu knebeln und Fesseln anzulegen. Denn es zahlen nicht nur die drauf, die durch eine wirtschaftliche Idee Geld verdienen wollen, sondern auch die, die die Arbeitsplätze bräuchten. Und auch die, die in der Bezirkshauptmannschaft um ihren Mindestunterhalt anstehen müssen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Februar 2013

Donnerstag, 14. Februar 2013

Unerreichbar im Parallelkosmos



Schladming hatte gleich zu Beginn seinen, wenn auch kleinen, Skandal. Auf Flyern wurde in die eigens aufgebaut Gösser-Arena zu Motto-Abenden wie "Super Schnitten lassen bitten“, "Scharfe Kanten, heiße Tanten“ oder gar "Zeig der Zilli deinen Willi“ geladen. Die Aufregung, war, zumal in Zeiten der hochdräuenden Diskussion rund um den Alltagssexismus, groß. Die Brauerei machte sofort den Kotau vor den Kritikern und entschuldigte sich via Facebook.

Das Publikum, Männlein wie Weiblein gleichermaßen, wird sich trotzdem dort vergnügt und die Sau raus gelassen haben. Schließlich fahren viele ja nicht zuletzt wegen Veranstaltungen dieser Art in die Wintersportorte.

Dort gewesen sein wollen freilich nur die Wenigsten. Viele behalten das lieber für sich.

Wie so vieles. Wichtig ist, dass die Fassade herzeigbar ist. Fein herausgeputzt, in Zuckerlfarben. Man weiß, wie man sich in diesem Land nach außen zu präsentieren hat und wem man wie nach dem Mund zu reden hat. Freundlich grüßen, in die Kirche gehen, sagen, dass man langsam Auto fährt, sich Sorgen um die Umwelt macht und dass man keine Probleme mit Menschen mit Migrationshintergrund hat und auch nicht mit gleichgeschlechtlichen Paaren. Man weiß, was man wo sagen kann und was man wo nicht sagen kann, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen, für dumm gehalten zu werden oder unter Rechtfertigungsdruck zu kommen. Privat und in der Arbeit.

Und man hat keine Skrupel, dabei naturgemäß oft zu lügen, zumal in einem Land, in dem Rückgrat nicht wirklich viel gilt. Denn hinter den Fassaden, da ist alles gar nicht selten ganz anders. Dort glauben sie sein zu können, wie sie sind, dort müssen sie nicht erklären, warum sie auch mit einem ordentlichen Schwips fahren, warum ihnen die Türken um die Ecke so auf den Geist gehen, warum sie etwas von einem starken Mann halten, der endlich aufräumen würde, warum sie den Schilling wieder wollen und die Ostgrenze. Und warum die Frauen lieber in der Küche stehen als im Büro sitzen sollen. Und dass eine g’sunde Watschn noch nie jemandem geschadet hat. Dass man es Umfragen zufolge mit der Moral nicht genau nimmt und auch ein bisschen Korruption nicht abgeneigt ist, passt da dazu.

Das alles traut man sich allenfalls in der Familie und unter Freunden oder nach ein paar Vierterln nach Mitternacht im Tschecherl ums Eck sagen. Aber untertags? Bei Licht? Nie! "Schön sprechen“ heißt es da. Und meistens versteht man sich drauf. Und wenn nicht, dann hält man lieber den Mund. Längst ist in Österreich ein Parallelkosmos entstanden, in den sich immer mehr Menschen zurückziehen und unerreichbar werden. Längst ist dieses Verhalten zu einem gesellschaftlichen und damit politischen Problem ersten Ranges geworden. Nicht nur in Österreich.

Immer mehr Menschen fühlen sich überfordert. Sie haben Probleme mit dem, was als gesellschaftlicher Fortschritt gilt. Oft von Grund auf. Viele haben noch Probleme mit der Gleichstellung von Mann und Frau zurecht zu kommen, mit Frauen in bestimmten Berufen, mit neuen pädagogischen Standards, erst recht mit Ausländern und mit vielem anderen, was sich in den vergangenen Jahrzehnten an Werthaltungen wandelte.

Sie haben Probleme, die Veränderungen zu verstehen und zu akzeptieren. Sie wissen nur - wenn sie etwas Falsches sagen, kann es schwierig und vielleicht sogar richtig ungemütlich werden. Da wird man schnell lächerlich gemacht, für blöd erklärt und für hinterwäldlerisch, da drohen Schelte und Ausgrenzung, vielleicht sogar Strafen. Kümmern tut sich um diese Menschen freilich niemand, sie ernst nehmen, versuchen sie heranzuholen und ihnen die Ängste zu nehmen auch nicht. Da macht man sich allemal lustig über sie und kanzelt sie ab. Verständlich, dass sie sich zurückziehen. Und dass sie sich nur mehr dort so geben, wie sie wirklich sind, wo sie sich unter ihresgleichen und damit sicher fühlen.

Diese Entwicklung hat in Österreich längst dramatische Dimensionen angenommen. Die Politik hat dabei auf allen Linien versagt. Viel zu schnell wollte und will man die Menschen gewinnen, viel zu kurz ist der Atem dafür, viel zu gering die Geduld und die Ernsthaftigkeit. Die vermitteln allenfalls Parteien am Rande des Verfassungsspektrums oder solche, die mit viel Geld in der Tasche wuchern und diesen Menschen nach dem Mund reden. Dass sie sie freilich auch nicht weiterbringen und dahinter nichts als Eigennutz steckt, spielt dabei keine Rolle, dass sie dabei das ganze Land gefährden, aber sehr wohl.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Februar 2013

Dienstag, 12. Februar 2013

Absprachen machen sprachlos





Die Kartellstrafe für Berglandmilch schadet der Landwirtschaft und legt die Ungleichgewichte gegenüber dem Handel offen.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Bei Berglandmilch gab man sich ahnungslos, während die Bundeswettbewerbsbehörde vor zwei Wochen die Salzburger Spar-Zentrale filzte. „Wir rechnen damit, dass sich die Wettbewerbsbehörde die gesamte Lebensmittelbranche anschaut“, gab man damals zu Protokoll. Dass man zu diesem Zeitpunkt bereits seit Tagen eine Kartellstrafe der Wettbewerbshüter in Höhe von 1,125 Mill. Euro wegen illegaler Preisabsprachen auf dem Tisch hatte, verschwieg man tunlichst.

Nicht nur dem größten heimischen Milchverarbeiter ist diese Strafe unangenehm. Auch die Agrarpolitik schweigt zu diesem Thema. Es gibt keinerlei Stellungnahme dazu und im Pressedienst der Bauernkammern sucht man die Meldung ebenso vergeblich wie in den Kammerzeitungen. „Das Thema soll nicht weitergespielt werden“ ist alles, was man dazu hört. Das mache die Preisverhandlungen der Molkereien mit dem Handel noch schwieriger. „Wir brauchen nämlich dringend höhere Preise.“

Man versteht den Aufschrei der IG-Milch-Chefin Erna Feldhofer, die Konsumenten und Bauern betrogen sieht. Denn die Optik für ein Unternehmen, das wegen Preisabsprachen verurteilt wird und trotzdem seine Bauern eher unterdurchschnittlich bezahlt, schaut in der Tat nicht gut aus – zumal, weil es genossenschaftlich organisiert ist, also im Eigentum der Bauern selbst steht.

Die Optik schaut aber nicht nur für Berglandmilch, sondern für die gesamte Landwirtschaft nicht gut aus. Der Schaden ist beträchtlich. Die Strafe für den Milchriesen ist nichts als Wasser auf den Mühlen der Arbeiterkammer, die seit Langem zu hohe Lebensmittelpreise in Österreich anprangert. Für die Bauern wird es damit wohl noch schwieriger, zu dem zu kommen, was sie als gerechte und notwendige Preise für ihre Produkte ansehen.

Denn die Strafe für Berglandmilch macht den in Österreich bereits übermächtigen Lebensmittelhandel noch stärker. Schon jetzt ist das Gleichgewicht zwischen Handel und Verarbeitern aus dem Lot wie kaum anderswo. Mit einem Marktanteil von zusammen 85 Prozent ist die Marktmacht der drei großen Handelsketten erdrückend. Die Einkäufer diktieren die Preise, und wer sich dem nicht fügt, fliegt aus den Regalen. Weil es kaum Alternativen, zumal für große Mengen, gibt, ist es für die Lebensmittelverarbeiter oft eine Überlebensfrage, die Krot zu schlucken und lieber schlechte Preise zu akzeptieren, als auf der Ware sitzen zu bleiben.

Das Verhältnis zwischen Handel und Verarbeitern ist in den vergangenen Jahren so komplex und vielschichtig geworden, dass es einem gordischen Knoten gleicht. Ihn zu durchschlagen wäre längst eine zentrale Aufgabe im Interesse der Konsumenten und der Bauern geworden. Entsprechende Bemühungen sind jedoch überschaubar.

Noch jedenfalls sind die Gewichte völlig verschoben. Zeichen dafür ist auch, dass bisher einzig Berglandmilch wegen Preisabsprachen bestraft wurde. Von Strafen für die, mit denen diese Absprachen getroffen wurden, ist hingegen nichts bekannt.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 12. Februar 2013

EU-Geld: Wer sind die Gewinner?




Die Regierung streitet über das neue EU-Budget. Eine nüchterne Betrachtung zeigt: Österreich zählt keineswegs zu den Verlierern.

INGE BALDINGER, HANS GMEINER, ANDREAS KOLLER

Wien, Brüssel (SN). Es ist alles eine Frage der Betrachtung: Reinhold Lopatka (ÖVP), Staatssekretär im Außenamt, rechnete im SN-Gespräch vor, dass Österreich bei den EU-Budgetverhandlungen eine Verminderung der Rabatte hinnehmen musste. „Wir haben die Chance, wieder das zurückzubekommen, was wir in der letzten Finanzperiode zurückbekommen haben. Aber wir starten mit einem Minus von 500 Millionen bei den Rabatten, wir haben einen Startnachteil“, sagt er. Lopatka rechnet damit, dass Österreich von Platz zehn unter den Nettozahlern auf Platz sieben vorrücken wird.

Ganz anders sieht dies das Bundeskanzleramt, welches sich auf die offiziellen Ergebnisse des Freitagabend zu Ende gegangenen Gipfels stützt. Demnach habe Österreich seine Nettozahlungen an die EU auf 0,31 Prozent seiner Wirtschaftsleistung drücken können. Beim EU-Budget 2007 bis 2013 wären noch 0,33 Prozent vereinbart gewesen.

Wie sieht die Lage für Österreich nun konkret aus?
Rabatt. 2007 bis 2014 hat Österreich jährlich im Schnitt 187 Mill. Euro Rabatt bekommen; nun wird dieser Rabatt von 2014 bis 2020 auf 115 Mill. Euro jährlich gestutzt. Das bedeutet einen Gesamtverlust von 504 Millionen.
Forschung. Das neue EU-Budget sieht eine deutliche Steigerung der Ausgaben für Forschung vor (von 56 auf 69 Milliarden). Davon will sich Österreich einen Kuchen von 1,4 Milliarden sichern, und zwar in Form von Rückflüssen für heimische Forschungsvorhaben. Laut Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle liegt der besondere Mehrwert der europäischen Forschungsförderung nicht nur im Budget an sich, sondern in der Etablierung eines europäischen Forschungsraums. Dadurch ist es möglich, die besten Forscherinnen und Forscher Europas systematisch zu unterstützen.
Infrastruktur. Österreich profitiert auch von der Aufstockung der EU-Mittel für die Infrastruktur (von 12,8 auf 19,3 Milliarden). 1,3 Milliarden sollen nach Österreich fließen. In der laufenden Budgetperiode (2007 bis 2013) waren es nur 700 Millionen.
Bauern. Die Bauern verlieren gegenüber der derzeitigen Budgetperiode rund zwei Prozent der Gelder. Für Direktzahlungen stehen 2014 bis 2020 knapp 4,9 Mrd. Euro zur Verfügung, in der derzeitigen Budgetperiode sind es gut fünf Milliarden.
Ländliche Entwicklung. Groß ist die Erleichterung der Bauern darüber, dass im Bereich Ländliche Entwicklung, aus dem Umwelt-, Bergbauern- und Investitionsprogramme finanziert werden, die Kürzungen geringer ausfallen als befürchtet. Die befürchteten 3,6 Mrd. Euro bezogen sich nämlich auf das Jahr 2011, dessen Zahlen die Basis für die Budgetplanung bildeten. Berücksichtigt man den fix vorgesehenen Inflationsausgleich, entspricht diese Summe 2014 rund 3,9 Mrd. Euro. Damit beträgt das Minus gegenüber den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln nur rund 200 Mill Euro oder knapp 30 Mill. Euro pro Jahr.

Salzburger Nachrichten - Innenpolitik, 12. Februar 2013

Donnerstag, 7. Februar 2013

Vor EU-Gipfel malen Agrarier schwarz





Verhandlungserfolge, die Faymann und die Agrarier feierten, sind keine mehr

Wien (SN-gm). Taktik, um leichter einen Verhandlungserfolg feiern zu können, oder ernsthafte Sorge? Laut Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich sind die 700 Extramillionen für Österreichs Landwirtschaft, die EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy beim Budgetgipfel im November zusicherte, alles andere als fix. Statt wie geplant 2,9 Mrd. Euro hätte es demnach für die Ländliche Entwicklung zumindest 3,6 Mrd. Euro für die nächsten sieben Jahre geben sollen. Das wären zwar minus zwölf Prozent gegenüber den 4,1 Mrd. Euro, die in der auslaufenden Budgetperiode zur Verfügung standen, aber doch deutlich weniger als das nun wieder drohende Minus von 30 Prozent. „Das wäre das Aus für Umweltprogramme“, sagt Berlakovich und droht mit Österreichs Veto.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Februar 2013

Privatisierungsphobie extrem



Die Stadt Wien hat die Wassergebühren per 2012 um nicht weniger als 33 Prozent erhöht. Nun freut man sich über einen Überschuss von 85 Millionen Euro, der da im Vorjahr in den Stadtsäckel gespült wurde.

Man stelle sich vor, ein Privater, vielleicht sogar einer aus dem Ausland, hätte vor Jahresfrist die Wasserversorgung der Bundeshauptstadt übernommen, die Stirn gehabt, im Handumdrehen um ein Drittel mehr zu verlangen und dann auch noch gewagt, den Überschuss zu veröffentlichen. Der Furor, der durchs Land gefegt wäre, wäre unvorstellbar gewesen.

So aber war’s nicht mehr, als eine kleine Zeitungsnotiz unter dem Titel "Saftige Gewinne mit Wasser“. Und keiner regt sich groß auf.

Ganz anders ist das, wenn jemand, wie jüngst die EU bei der Wasserversorgung, mehr Transparenz und Markt ermöglichen will und damit indirekt der Privatisierung auch solcher Infrastruktur-Einrichtungen das Tor öffnet. Der Aufschrei, der durchs Land ging, weil sich dabei die Privatisierung nur als eine von mehreren Möglichkeiten anbietet, geriet hysterisch. Im Nu standen die Regimenter geschlossen auf und malten den Teufel an die Wand. Vor unmäßigen Verteuerungen wurde gewarnt und um die Sicherheit der Versorgung wurde gefürchtet. Wortreich sah man sich verantwortungslosen und gierigen Abzockern ausgeliefert. Selbst für die, die sonst so gerne ihr marktwirtschaftliches oder gar ihr wirtschaftsliberales Fähnchen in den Wind hängen, war klar, dass es da einen besonderen Schutz in der Verfassung braucht.

Das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die wirtschaftlichen Fähigkeiten und moralische Lauterkeit öffentlicher Einrichtungen ist bemerkenswert, das Misstrauen Privaten gegenüber ebenso. Selbst monströse Desaster wie in Salzburg, in Kärnten und in anderen Bundesländern, in Städten und Gemeinden tun dem keinen Abbruch. Und auch nicht die ewigen Probleme von Betrieben im Umfeld von Bund, Ländern und Gemeinden, bei denen die öffentliche Hand immer wieder Schiffbruch erleidet und im Korruptionssumpf oder vor dem Kriminal landet - nicht zuletzt wegen des Einflusses, den zu nehmen sich die Politik nicht verschließen mag. Und dass sich das zuweilen in einer überbordenden Steuerlast niederschlägt, nimmt man schier achselzuckend hin.

Frau und Herr Österreicher sind in ihrem Vertrauen in die öffentlichen Einrichtungen schier unerschütterlich. Dabei schimpft man so oft und so böse über diese Einrichtungen und Unternehmungen, darüber, dass dort der politische Einfluss so groß ist, dass Kostenbewusstsein und Effizienz zu wünschen übrig ließen und dass oft Preis und Leistung in keinem Verhältnis stünden. Man ärgert sich darüber, dass dort zuweilen gezockt wird, wie in keinem Spielcasino und dass Korruption und Freunderlwirtschaft einen fruchtbaren Boden wie sonst kaum wo haben.

Und dennoch zieht man diese Welt mit ihren Grauzonen, in der Parteibuch, Mauscheleien, Beziehungen und Schmattes noch immer viel mehr zählen als man meinen möchte, jeder anderen, schon gar ein privatwirtschaftlich organisierten, vor.

Dass das so ist, hat wohl zu einem guten Teil mit der über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte gelernten Hörigkeit der Obrigkeit gegenüber zu tun. Es hat aber wohl auch damit zu tun, dass sich die Menschen als Miteigentümer fühlen von öffentlichen Versorgungseinrichtungen und von Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. Vor allem die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften verstehen es dieses Gefühl zu befeuern, indem sie den Eindruck vermitteln, die Österreicherinnen und Österreicher hätten dort etwas mitzureden - weniger über den Stimmzettel, als vielmehr über die Gewerkschaft und Betriebsrat, die in der Regel in solchen Unternehmen immer noch sehr mächtig sind. Die Leute kaufen ihnen das gerne ab, gibt es doch das kuschelige Gefühl dazuzugehören und doch gehört zu werden.

Das Schachern um die Privatisierungen in den vergangenen Jahrzehnten und manche Personen, die sich dabei engagierten, mögen das Vertrauen trotz zahlloser positiver Resultate nicht gestärkt haben. Die Privatisierungsphobie, die Österreich umklammert hält, ist dennoch unverständlich. Eine entspannteres Verhältnis Österreichs zu diesem Thema wäre durchaus angebracht.

Und es wäre auch dringend nötig - allein um Einrichtungen wie den Wiener Wasserwerken und ihren politischen Hintermännern nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Februar 2013

Freitag, 1. Februar 2013

Vorsicht, Taschenspieler!





Die EU-Agrarreform biegt in die Zielgerade. Am Ziel freilich ist sie indes noch lange nicht. Und fix ist nichts, außer dass die Reform wohl erst 2015 und nicht schon 2014, wie ursprünglich geplant, wirksam wird. Der Streit ums EU-Budget hat alle Zeitpläne über den Haufen geworfen. Die kommenden Wochen und Monate werden noch richtig spannend. Denn nun geht es um die Details. Und da muss sich erst zeigen, was das wirklich wert ist, was die heimischen Agrarier in den vergangenen Wochen und Monaten den Bauern immer wieder als Erfolg ihrer politischen Arbeit verkauften. Vieles von dem sind nichts anderes als Positionen, auf die sich Agrarminister oder der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments geeinigt haben -also oft nichts als gemeinsame Wünsche, aber keine fixen Beschlüsse. Das gilt für die Berücksichtigung der Teilnahme an Umweltprogrammen beim Greening genauso wie für die kolportierte Reduzierung der ökologischen Vorrangflächen von geplanten sieben auf nunmehr angeblich drei Prozent.

Das ist in mancherlei Hinsicht durchaus beachtlich, aber es ist auch um keinen Deut mehr. Schon gar nicht heißt das, dass diese Positionen damit fixer Teil Agrarreform sind und 1:1 Teil der Reform werden. Auch wenn das Europäische Parlament erstmals direkt an der Gestaltung der Reform der Landwirtschaft mitwirken kann, muss es erst beweisen, dass es mehr ist als ein Papiertiger. Bisher blieb es diesen Beweis schuldig und nicht wenige sagen, dass das Parlament bisher rund um die Agrarreform die größte Enttäuschung war. Selbst wenn sich das Europäische Parlament durchsetzen und gemeinsame Positionen Realität werden sollten, sind immer noch zahllose Details völlig ungewiss. Und in denen kann bekanntermaßen der Teufel stecken. Und würde er das ausgerechnet bei der EU-Agrarreform nicht, so würde das sehr verwundern.

Darum sind die zuweilen fetten Schlagzeilen, mit denen sich unsere Agrarpolitiker feiern lassen, nur mit Vorsicht zu genießen. Denn was all das auf die österreichische Landwirtschaft heruntergebrochen heißt, ist derzeit kaum zu sagen. Ganz abgesehen davon, dass noch immer völlig unklar ist, wie viel Geld in der nächsten Budgetperiode für die österreichische Landwirtschaft zur Verfügung stehen wird.

Nach dem Desaster, in das die Bundesheer-Volksbefragung die Sozialdemokraten brachte, würde nicht überraschen, wenn Bundeskanzler Faymann sein von Bauernbund &Co so gefeiertes Bekenntnis zur Landwirtschaft und das Versprechen, sich für die Ländliche Entwicklung einzusetzen, überdenken würde. Allein, dass der Bundeskanzler via Medien immer wieder kolportiert, dass Österreich für die Ländliche Entwicklung um 700 Millionen Euro mehr bekommen soll, als ursprünglich vorgesehen, sollte skeptisch machen. Das ist nichts als ein politischer Taschenspielertrick, denn die Wahrheit schaut ganz anders aus. Faymann bezieht sich auf einen Vorschlag des EU-Präsidenten, der für Österreich eine Kürzung um 1,2 Milliarden Euro bedeutet hätte. Im korrigierten Vorschlag sind nun 3,6 Milliarden vorgesehen, also jene 700 Millionen Euro mehr, von denen jetzt Faymann gerne redet. Dass aber auf die derzeitigen 4,1 Milliarden immer noch 500 Millionen Euro fehlen, wird tunlichst verschwiegen.

Vor diesem Hintergrund staunt man, wie weit sich manche Agrarpolitikerinnen und -politiker hinauslehnen. Denn vieles von dem, was sie den Bauern in Aussicht stellen, könnte sich sehr schnell als Fata Morgana erweisen.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 1. Februar 2013
 
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