Montag, 30. März 2015

Nach 37 Jahren ist Schluss



Mit 31. März ist die Milchquote und damit der geregelte Milchmarkt Geschichte. Bauern und Molkereien schauen in eine Zukunft voller Ungewissheit.

Hans Gmeiner
Salzburg. Bei den heimischen Milchbauern und in den Molkereien steigt seit Wochen die Spannung. Nach 37 Jahren mit Lieferquoten für Länder und Bauern kommt in der Europäischen Union mit 1. April der freie Milchmarkt ohne Produktionsbeschränkungen. „Es ist überall Nervosität zu spüren“, sagt Hans Költringer, Sprecher der heimischen Milchverarbeiter. Vielerorts herrscht auch Verunsicherung. Vor allem kleine Milchbauern und Bauern in schlechten Lagen haben große Sorgen um ihre Zukunft. Sie fürchten, dem Preis- und Kostendruck nicht gewachsen zu sein.

Auch wenn man in der Branche davon ausgeht, dass die Milchproduktion in der EU heuer nach der Marktfreigabe nur um moderate ein bis zwei Prozent zulegen wird, erwarten Experten wie Leopold Kirner von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik für die Bauern eine „harte Landung“. Zum einen sei derzeit das Angebot an Milch und damit der Preisdruck sehr groß. Zum anderen hätten viele Bauern, die im Hinblick auf die Marktfreigabe ihre Produktion bereits im Vorjahr über ihr Lieferrecht hinaus ausweiteten, hohe Abschlagszahlungen zu erwarten. Mit rund 40 Millionen Euro wird die sogenannte Superabgabe für das vergangene Milchwirtschaftsjahr so hoch ausfallen wie noch nie zuvor.

Eine Beschleunigung des Strukturwandels erwartet man dennoch nicht, wohl aber eine Fortsetzung. Schon in den vergangenen 20 Jahren habe sich die Zahl der Milchbauern trotz Quote von 78.000 auf weniger als 30.000 verringert, sagt Kirner. „Ob jemand aufhört, hängt viel mehr von anderen Faktoren, etwa familiären Konstellationen, ab.“

Während viele der Bauern nach wie vor mit dem seit acht Jahren bekannten Ende des geregelten Milchmarktes hadern, sind Experten wie Kirner trotz des drohenden Ungemachs davon überzeugt, dass dem Kontingentierungssystem keine Träne nachzuweinen ist. „Die Quote hat nur im Zusammenhang mit einem starken Außenschutz Sinn ergeben“, sagt Kirner. Der sei aber in der EU schon vor Jahren stark reduziert worden. „Damit wirkte sie ohnehin nicht mehr.“

Auf vielen Bauernhöfen vor allem in guten Lagen im Alpenland und im Voralpengebiet hat man ohnehin bereits in den vergangenen Jahren die Weichen für die Zukunft gestellt und die Betriebe vergrößert. So investierten in Oberösterreich, dem wichtigsten Milchproduktionsland, die Bauern in den vergangenen sieben Jahren knapp 500 Millionen Euro in den Ausbau und die Modernisierung ihrer Stallungen. In den anderen Bundesländern war es kaum anders. „Wer in der Milchproduktion bleiben will, richtete den Betrieb strategisch und produktionstechnisch entsprechend aus“, sagt Michael Wöckinger von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich.

Wo früher zehn bis 20 Kühe in den Ställen standen, stehen heute 30 bis 50 und mehr. Die durchschnittliche Milchliefermenge verdoppelte sich in den vergangenen Jahren auf knapp 90.000 Kilogramm Milch jährlich. Damit liegen die österreichischen Milchbauern im europäischen Vergleich zwar immer noch weit hinten. „Inzwischen gibt es aber auch in Österreich mehr als 800 Betriebe mit mehr als 50 Kühen und einer jährlich Produktion jenseits von 350.000 Kilogramm“, sagt Kirner. „Sie erzeugen rund zwölf Prozent der heimischen Milch.“

Auch die Molkereien haben in den vergangenen Jahren in den Ausbau der Kapazitäten, der Qualität und vor allem in die Käseproduktion kräftig investiert. „Allein im Spitzenjahr 2013 waren es mehr als 130 Mill. Euro“, sagt Költringer. Um die Rohstoffversorgung für ihre Anlagen zu sichern, haben sie mit den Bauern, so wie bisher, Lieferverträge abgeschlossen. „Jeder Milchbauer hat einen schriftlichen Vertrag und damit die Gewähr, dass die Milch auch abgenommen wird.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. März 2015

Donnerstag, 26. März 2015

Vorurteile als Staatsräson



Die Regierung will offenbar ernst machen mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Registrierkassenpflicht auch schon für kleine Unternehmungen, keine gerichtlichen Schwellen mehr für die Einschau in Betriebskonten, stattdessen ein Freibrief für Steuerfahnder, mehr Betriebsprüfer im Finanzamt, Spione in den Wartezimmern der Ärzte. Starker Tobak fürwahr. Ein ganzes Land ganz offenbar unter Generalverdacht. Da nimmt nicht wunder, dass das Wehklagen allerorten ein großes ist. "Wir werden behandelt, als wären wir durch die Bank schwarze Schafe und Steuerhinterzieher", tönt es allerorten.

Auch wenn das vielen unverständlich erscheint, unerklärbar ist es nicht. Zumal in einem Land, in dem sich eine Kultur etabliert hat, in der als Geschicktester gilt, wer sich am besten darauf versteht, alles auszunutzen, sich überall zu bedienen und notfalls alles zu verbergen. Ein Augenzwinkern da, ein Augenzwinkern dort. Ein bisserl was geht immer. "Legerl" inklusive. König ist der, der sich am besten darauf versteht - wenn's darum geht, ein bisserl was schwarz zu verdienen, wenn's darum geht, sich mit der Arbeitslosen und ein bisserl Pfusch ein feines Leben einzurichten, wenn's darum geht, ein paar Krankenstandstage herausholen oder darum, sich früher eine Pension zu organisieren.

Das ist Kultur in diesem Land. Alle wissen davon. Und alle wissen davon, dass alle zuschauen. Keiner denkt sich etwas dabei. Und keiner findet das gar groß anstößig. "Kavaliersdelikt" ist der schöne österreichische Begriff dafür. Und wer hält sich nicht für einen Kavalier?

Aber nicht nur deshalb sind die Pläne der Regierung nicht unverständlich. Denn, dass sie nun spezielle Berufsgruppen besonders ins Visier nehmen will, passt gut zu einem Land, in dem Vorurteile allemal einen größeren Stellenwert haben als Fakten.

So gelten Beamte grundsätzlich als faul und bequem und keines anderen Sinnes, als den Bürgerinnen und Bürgern das Leben möglichst schwer zu machen. In einem ähnlich schlechten Ruf stehen mancherorts die Eisenbahner dieses Landes, die sich permanent dem Generalverdacht ausgesetzt sehen, nichts als sündteurer Kostenfaktor fürs Budget zu sein, weil sie es verstanden hätten, einzigartige Dienstverträge inklusive ein vielen als hoffärtig früh geltendes Pensionsantrittsalter zu verteidigen. Mit noch mehr Vorurteilen und noch öfter mit Generalverdächtigungen haben hierzulande nur Arbeitslose und Ausländer zu leben. Die einen gelten als arbeitsscheu, die nur der Öffentlichkeit auf der Tasche liegen und jedweden Anspruch ausnutzen wollen. Die anderen gelten vielen in diesem Land grundsätzlich als kriminell, als Sozialschmarotzer und als faul sowieso.

Darum soll nicht wundern, dass in dieser gesellschaftlich-kulturellen Gemengelage auch die Regierung Vorurteile pflegt. In der sitzen ja auch lauter gelernte Österreicherinnen und Österreicher, denen nichts vom Beschriebenen fremd ist. Und diese Regierung, in der - das sei nebenbei bemerkt - ein ehemaliger Generalsekretär der Wirtschaftskammer als Vizekanzler dient, frönt mit ihrer Steuerreform ganz offensichtlich ihren Vorurteilen gegen die Unternehmer. Die will man ins Visier nehmen, denen will man in die Taschen greifen, die hat man im Verdacht, den Staat nichts denn ausnutzen zu wollen.

Das fügt sich in den Generalverdacht, in dem Unternehmer und die Wirtschaft als Ganzes in den vergangenen Jahrzehnten, vorangetrieben von zahllosen Proponenten der Sozialdemokratie, gestellt wurde. Unternehmer gelten hierzulande vielen, ganz so als herrsche noch der frühe Kapitalismus, als Ausbeuter, von nichts als Raffgier gesteuert. Wer hierzulande erfolgreich ist, dem wird schnell das Stigma angeheftet, es sich gerichtet zu haben. Warum also soll in einem solchen Land das nicht auch die Regierung annehmen? Vorurteile als Staatsräson sozusagen.

Sie soll es mitnichten. Denn das ist nichts anderes denn ein gefährliches Spiel zu nennen. Das ist nichts denn ein Zeichen dafür, dass in dem Land das Vertrauen untereinander grundlegend erschüttert ist und dass die Verantwortlichen den Blick aufs Ganze nicht mehr wahrnehmen.

Gute Basis für die Zukunft dieses Landes ist das jedenfalls keine.

Aber daran zu arbeiten, interessiert hierzulande offenbar ohnehin kaum jemanden. Nicht in der Regierung. Und auch nicht bei den von ihr Regierten. Wohl erst recht nicht jene, die jetzt unter Generalverdacht gestellt werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. März 2015

Montag, 23. März 2015

Züchter fürchten nur Seuchen



Rinderzüchter reüssieren in Paris und weltweit – auch mit Sperma.

Hans Gmeiner
Linz. Schier endlos sind die Reihen der von der Decke hängenden Rinderschlachtkörper im „Pavillon des Viandes“ in der Fleischhalle auf dem Pariser Großmarkt Rungis, dem größten Lebensmittelgroßmarkt der Welt. Rasch haben Oberösterreichs Agrarlandesrat Max Hiegelsberger sowie Hans Hosner und Josef Miesenberger vom Fleckviehzuchtverband Innviertel-Hausruck (FIH) Dutzende Rinderhälften aus Österreich entdeckt. „Andrea Jahn, Tischberg, Sandl“ steht auf einem Etikett, das die Herkunft der Tiere im fernen Paris nachweist. Das macht die Oberösterreicher stolz. „Es ist ein Erfolg unserer konsequenten Qualitätsstrategie, dass wir mit unseren Produkten hierherkommen“, sagen sie. „Sonst hätten wir hier keine Chance.“

Nicht nur Haltung, Fütterung und Kontrolle machen die Qualität österreichischer Rinder aus. Sie beginnt bereits bei der Zucht und den Zielen, die dabei verfolgt werden. Der Schwerpunkt liegt bei den Zweinutzungsrindern, die sowohl bei Milch als auch bei Fleisch gute Leistung, hohe Qualität und so zweifachen Nutzen bringen.

Der Erfolg gibt den heimischen Züchtern recht. Die zuverlässigen Datensysteme, der Veterinärstatus und die Eigenschaften der Zuchttiere aus Österreich sind weltweit geschätzt. Probleme mit dem Schmallenberg-Virus beendeten 2013 zwar den Höhenflug früherer Jahre, der befürchtete Absturz blieb aber aus. Seit 2014 steigen die Ausfuhren monatlich an. Die Exporte erreichten im Vorjahr wieder 25.000 Stück, der Exportumsatz rund 50 Mill. Euro. Seit Jahresbeginn ziehen auch die Preise wieder an. „Die Aussichten sind wieder sehr gut“, sagt Franz Sturmlechner von der Arbeitsgemeinschaft österreichischer Rinderzüchter, dem Dachverband der acht heimischen Zuchtverbände. Die nach Italien wichtigsten Exportländer Türkei und Algerien sind für heimische Zuchtrinder wieder offen. Auch nach Russland liefert man wieder.

Belebend aufs Geschäft der Rinderzüchter wirkt sich auch die bevorstehende Liberalisierung des Milchmarkts aus. „Viele Bauern stocken ihre Betriebe auf und kaufen Kühe zu“, sagt Miesenberger. Gefragt ist aber auch das Sperma der heimischen Zuchtstiere. Rund 200.000 Spermaportionen, die in den vier Zuchtstationen gewonnen werden, gehen jährlich ins Ausland.

Die Rinderzüchter wissen aber, dass der Grat schmal ist, auf dem sie sich bewegen. Derzeit haben sie alle Hände voll zu tun, ein Herpes-Virus unter Kontrolle zu bringen. Sorgen macht auch die Ausbreitung der Blauzungenkrankheit in Ungarn. Zwischenfälle könnten schnell alle Erwartungen zerstören.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 23. März 2015

Donnerstag, 19. März 2015

Es bleibt, wie es ist



Die Steuerreform ist fertig. Die Regierung hat etwas eingehalten, was sie angekündigt und versprochen hat. Das steht auf der Habenseite. Aber viel mehr steht da auch schon nicht. Denn dass man eine Steuerreform zusammenbringt, ist eigentlich nicht mehr als das, was sich das gemeine Publikum von der Politik erwarten darf - dass sie eben Politik macht. Das freilich ist in der Vergangenheit angesichts fehlender Ideen, mangelnder Durchsetzungskraft und fragwürdiger Entscheidungskraft zuweilen in Vergessenheit geraten. Hierzulande hat man lernen müssen, dass diese Erwartungen oft übertrieben sind, weil die Politik genau das nicht machte, was von ihr erwartet wurde und wofür man Wahlkämpfe über sich ergehen ließ und andere Belästigungen
- nämlich Politik zu machen.

Und darum gilt die Steuerreform vielen als Erfolg, zumal in der österreichischen Politik, deren Kennzeichen ja nicht beherztes Anfassen von Problemen, Entscheidungsfreudigkeit und rasche Umsetzung von tragfähigen Lösungen ist.

Was da jetzt von manchen groß gefeiert wird, hat daher allenfalls viel eher dem Funktionieren der Regierung zu gelten, als der Steuerreform selbst. Denn die scheint alles andere als ausgewogen zu sein. Und kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der große Wurf, das darf schon jetzt gesagt werden, ist sie nicht, auch wenn der Kanzler von der größten Steuerreform in der Zweiten Republik spricht. Dafür enthält sie zu wenige Weichenstellungen, die nachhaltig zu nennen wären und die dem Steuerwesen in diesem Land eine zukunftsweisende Richtung geben würden. Dafür gibt es zu viel rein ideologisch motivierte Maßnahmen und zu viele, die nichts sind denn Geld-Auftreibungsaktionen, die oft mehr Schaden anrichten werden, als sie zu bringen versprechen.

Vor allzu großen Erwartungen in die Ergebnisse der Steuerreform wird daher immer lauter gewarnt. So meint etwa Wifo-Chef Aiginger, dass die je nach Einkommen paar hundert bis paar Tausend Euro, die die Steuerreform jedem Österreicher bringen wird, schon in zwei, drei Jahren von der kalten Progression wieder verschluckt sein werden. Und der Linzer Professor Schneider lässt keinen Zweifel daran, dass um eine eigenes Sparpaket kein Weg herumführt.

Die Steuerreform greift nicht in die grundlegenden Strukturen ein
-und das ist ihr größtes Manko. Sie steht bis auf wenige Ausnahmen eher im Geruch des Weiterwurschtelns.

Österreich bleibt ein Hochsteuerland mit einem komplizierten Steuersystem, das Wege eher versperrt, denn freimacht und wirtschaftliches Engagement eher bestraft denn entfesselt, wie dereinst versprochen wurde. Da ist nichts von einer Vereinfachung, nichts von einer nachhaltigen Erleichterung und nichts von einer dauerhaften Neuordnung, die mit den Lasten der Vergangenheit aufräumen und Zuversicht geben würde.

Im Gegenteil. Mit der Erhöhung des Spitzensteuersatzes setzt man ganz eindeutig ein Signal in die falsche Richtung. Im Vergleich mit den Nachbarländern steht man künftig nicht besser da als bisher, rechnet die "Presse am Sonntag" vor. "Müssten Österreicher so wenig Steuern wie die Deutschen zahlen, hätten sie von vornherein 17 Milliarden Euro mehr in den eigenen Taschen", heißt es da. Und hätten wir das Schweizer Modell in der Verwaltung, würden wir uns weitere 9,2 Milliarden Euro sparen.

Das ist aber nicht so, auch nicht nach der Steuerreform. Sie ändert nichts an den grundsätzlichen Problemen des Landes. Und sie ändert nichts am Handlungsbedarf. Der ist genauso groß wie zuvor. Im Sozialbereich, in der Bildung, bei den Pensionen stehen Reformen dringend an, die Wirtschaft braucht Impulse und der Arbeitsmarkt. Es geht darum, den Standort Österreich für Unternehmen und auch für Arbeitnehmer wieder attraktiver zu machen. Und es geht darum, die Bürokratie in den Griff zu bekommen. Kurzum all das, was nichts denn Kosten verursacht, den Leuten die Arbeit verdrießt und jedes Engagement abwürgt.

Davon ist bisher nicht viel zu erkennen. Die Steuerreform trägt jedenfalls nicht dazu bei. An Absichtserklärungen mangelt es zwar nicht. Auch diesmal nicht. Vom Kanzler abwärts reden alle davon, dass das erst der Anfang ist. "Ich glaube nicht, dass die Steuerreform der große Wurf ist", sagt selbst Finanzminister Schelling. "Aber es ist der erste Schritt zurück an die Spitze."

Man würde ihm gerne Glauben schenken. Denn das Land braucht nichts dringender als einen großen Wurf, einen Befreiungsschlag.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 19.März 2015

Montag, 16. März 2015

Landwirte nutzen das Internet



„Smart Farming“ heißt der Trend in der Landwirtschaft. Hightech hat Ställe und Felder erobert und liefert jede Menge Daten. Das spart Kosten und schont Umwelt und Tiere.

Hans Gmeiner
Salzburg. In Schulbüchern sind zuweilen immer noch Bilder zu sehen, die vor Pflüge gespannte Pferde zeigen. Die Werbung für Lebensmittel ist bestimmt von romantisierenden Bildern vom Bauernleben längst vergangener Tage. Mit der Wirklichkeit auf den Höfen hat das kaum zu tun. Dort bestimmt längst moderne Technik die Arbeit in den Ställen und auf den Feldern. Automatische Fütterungsanlagen sind auch in Österreich längst Standard. Über Computer und sogar über Apps auf Handys werden Fütterung und Melkanlagen gesteuert. Und im Ackerbau sind GPS-Steuerungen, die Traktoren wie von Geisterhand übers Feld lenken können und die angehängten Geräte aus- und einschalten, die Verkaufsrenner.

„Smart Farming“ ist das neue Schlagwort. Dabei wird die Fülle der Daten, die die Elektronik liefert, zusammengeführt und in der agrarischen Produktion genutzt. Dabei geht es nicht nur um Leistungssteigerung und Kostenoptimierung. Erhöht wird auch die Produktsicherheit für Produzenten und Verbraucher. Zudem kann „Smart Farming“ beitragen, den Einsatz von Chemie und Medizin in der Landwirtschaft zu verringern. Denn statt auf Verdacht Mittel einzusetzen, können die Bauern dank der Datenverknüpfung wesentlich gezielter arbeiten.

„Weltweit geht auf diesem Gebiet die Post ab“, sagt der ehemalige Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium Werner Wutscher, der heute Unternehmensgründer betreut. „Überall schießen Start-ups aus dem Boden, werden Plattformen gegründet, die Daten bündeln und den Agrarbetrieben Komplettpakete vom Anbau bis zur Bilanzierung bieten.“ Internationale Agrarkonzerne von Monsanto bis John Deere nutzen längst die neuen Möglichkeiten, die deutsche BayWa kaufte kürzlich einen Spezialisten für Landdaten. Und Banken wie die holländische Rabobank investieren Millionen in dieses Segment. Manche Länder, wie Israel, haben „Smart Farming“ sogar zu einem politischen Schwerpunkt gemacht.

„Smart Farming“ sei für die Landwirtschaft eine ähnliche Revolution wie seinerzeit der Umstieg von Pferd und Ochs als Zugtiere auf Traktoren und die damit einhergehende Mechanisierung, sagt Gottfried Pessl. Der steirische Unternehmer weiß, wovon er spricht. Seit 30 Jahren entwickelt sein Unternehmen Pessl Instruments aus Weiz Anlagen, die Bauern genaue Daten für Produktionsentscheidungen liefern. Weltweit bietet das Unternehmen mittlerweile die mit Sensoren gespickten Stationen nicht nur zur Wetter- und Bodenbeobachtung an. Die Geräte werden auch zur Kontrolle der Entwicklung von Pflanzenkrankheiten und des Schädlingsbefalls eingesetzt und liefern die Daten zur Steuerung komplexer Bewässerungssysteme. „Wir haben weltweit 35.000 Nutzer, für die wir maßgeschneiderte Empfehlungen erarbeiten“, sagt Pessl. „Wir bieten Risikominimierung.“

Das versucht auch Smaxtec. Das junge steirische Unternehmen hat eine Sonde zur Überwachung des Rinderpansens entwickelt und ist inzwischen in 30 Ländern weltweit vertreten. „Damit werden Körperdaten wie pH-Wert und Temperatur des Rindermagens überwacht“, sagt Mario Fallast. „Der Landwirt bekommt sofort einen Alarm, wenn irgendetwas an einem Tier auffällig ist, und kann rasch reagieren.“ Damit könne der Medikamenteneinsatz reduziert werden, weil Präventivbehandlungen vermieden werden können.

In Österreich steckt die Verknüpfung der Daten zu Smart-Farming-Konzepten und Web-Plattformen noch in den Kinderschuhen, vor allem, was die kleinen Betriebe angeht. Bis auf allgemein gehaltene und regional abgestimmte Wetter- und Pflanzenschutzwarndienste gibt es von Politik und Interessenvertretungen bisher kaum Initiativen.

Die fehlen aber auch bei der Direktvermarktung bäuerlicher Produkte. Zwar entstehen eine Reihe von Vertriebsplattformen im Internet, dahinter stehen aber fast nur nicht landwirtschaftliche Betreiber. Damit geben die Bauern diese Vertriebsschiene aus der Hand. Das kann sich noch ganz anders entwickeln. „Die junge Bauerngeneration springt auf den Internet-Zug voll auf“, sagt Gottfried Pessl, „auch in Österreich ist ein enormer Wandel im Gang.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. März 2015

Donnerstag, 12. März 2015

Land der Unschuldslämmer



Die Medien, die Medien, die Medien! Die NGO, die NGO, die NGO! Die Opposition! Die Regierung! Die Arbeiterkammer! Brüssel! Wenn wo etwas nicht so läuft, wie es laufen soll, wenn wo etwas schief geht oder so richtig in den Graben - Schuld sind in diesem Land immer die anderen. Wirtschaftskapitäne, Politiker, Interessenvertreter verlieren sich in solchen Fällen immer öfter in Schuldzuweisungen und fühlen sich regelrecht verfolgt. Alles vermuten sie, niemand verschonen sie mit ihren Vorhaltungen und Verdächtigungen. Nur sie selbst sind nie schuld an den Schief- und fatalen anderen Lagen. Die Bösen sind immer die anderen. Nachgerade lustvoll malen sie von sich selbst an Bildern von Unschuldslämmern und völlig zu Unrecht verkannten Talenten, um jede Verantwortung nur möglichst weit weg von sich zu schieben.

In Österreich ist diese Haltung weit verbreitet. Und sie verbreitet sich immer mehr und ist dabei zur Kultur, besser Unkultur, zu werden. Vielfach wird sie schon für Unternehmensführung und - noch schlimmer - für Politik gehalten.

Schon in der kommenden Woche, davon darf man mit Sicherheit ausgehen, wird die Präsentation der Steuerreform-Vorschläge zu einem exemplarischen Beispiel dafür werden. Wenn die Reform nicht bringt, was sie bringen sollte oder was zu bringen versprochen wurde - die Schuld dafür nehmen sicherlich nicht die auf sich, die sie eigentlich auf sich nehmen müssten. Nämlich die, die die Steuerreform ausverhandelt, respektive mit ihren Wünschen, Protesten und Untergriffen zu dem gemacht haben, was sie schlussendlich geworden sein wird. Dafür werden von denen sicherlich ganz andere verantwortlich gemacht.

Dieses Phänomen, die Verantwortung abzuschieben, ist immer häufiger zu beobachten. Immer öfter werden ganze Vorträge, Seminare und Diskussionsveranstaltungen damit bestritten. Zumal dann, wenn es um die Motivation von Mitarbeitern, von Funktionären oder von Wahlvolk in welcher Konstellation auch immer geht. Wortreich präsentiert man sich im Fall von schlechten Nachrichten oder schlechtem Licht, in das man geraten ist, frei von Fehlern, missverstanden, verfolgt und als Opfer von Bösartigkeit und zeigt mit ausgestreckten Fingern auf die Medien und auf die vornehmlich als fies empfundene Konkurrenz. Je schlechter man steht, desto heftiger, desto lauter und desto länger.

Auf die Idee, dass man selbst zumindest Mitschuld dran tragen könnte, weil Fehler unterlaufen sind und nicht gut genug gearbeitet wurde, scheint kaum mehr jemand zu kommen. Ganz so als ob man damit gar nichts damit zu tun und gar nichts dazu beigetragen hätte.

Man verweigert sich nicht nur der eigenen Verantwortung, sondern verkennt, dass die Informationen, die Kritik und die Vorbehalte ja von wo herkommen -und das in den allermeisten Fällen nicht an den Redaktionsschreibtischen oder anderswo frei erfunden werden. Man verkennt, dass es andere Einschätzungen, Meinungen und Sichtweisen gibt. Und man vergisst, dass machen Informationen auch ganz gezielt gestreut werden.

Dabei müsste man das genau wissen. Denn die, die bei Bedarf in die Opferrolle schlüpfen, sind in praktisch allen Fällen auch in der anderen Rolle zu finden. In jener, die Informationen streut, in jener, die die Konkurrenz anpatzt und in jener, die kritisiert - und sei es darum, Entwicklungen zu verhindern oder gar hintertreiben zu wollen.

Dass man sich bestens drauf versteht, bemüht man sich auch gar nicht zu verstecken. Mit Floskeln wie "ich will keine Namen nennen" macht man just in Referaten, Präsentationen oder Stellungnahmen, in denen über falsche Angaben und Einschätzungen in der Öffentlichkeit geklagt wird, das Anpatzen der Konkurrenz zuweilen zum dramaturgischen Höhepunkt, streut lustvoll Zahlen und interpretiert Aussagen, die nichts im Sinn haben, als Schaden und Verunsicherung anzurichten.

Ein solches Verhalten ist nicht nur mühsam, sondern auch falsch, weil dabei mitunter sehr schnell die Urteilsfähigkeit der Verantwortlichen den Bach hinuntergeht. Beispiele dafür gibt es genug - von der Politik über die Wirtschaft bis hin zur Landwirtschaft.

Längst ist diese Unkultur zu einer Gefahr nicht nur für viele Unternehmen, sondern fürs ganze Land geworden, weil man vielfach die Realität und ihre Anforderungen aus den Augen verloren hat. Und dabei nicht merkt, dass Österreich längst keine Insel der Seligen mehr ist. Und schon gar nicht der Nabel der Welt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. März 2015

Donnerstag, 5. März 2015

Land mit Wurm



In diesem Land ist der Wurm drinnen. Und das nicht nur wegen der Hypo Alpe Adria. Das sagen viele von denen, die die Entwicklung in Österreich beobachten, schon lange. Man mag sie für Miesmacher halten und für Nestbeschmutzer. Oder für notorische Nörgler. Aber viele von den Meldungen, die Österreich in den vergangenen Wochen im internationalen Konnex zeigten, geben ihnen durchaus recht. Und auch viele andere Meldungen taten das. Nachgerade massiv kam daher, wovor schon so lange gewarnt und was schon so lange befürchtet wurde. Schwarz auf weiß. Und damit gleichsam amtlich. Und allesamt haben sie nichts mit der Wolkenkuckuckswelt zu tun, die sich vorzugaukeln hierzulande vieler Leute, zumal jener in den Regierungsparteien, Lieblingsbeschäftigung ist.

Da ist wenig von der Insel der Seligen und wenig von einem führenden europäischen Land, als das man sich so gerne sieht. Da zeigt sich viel mehr, dass sich all die Fehler und Versäumnisse der vergangenen Jahren jetzt so weit aufsummiert haben, dass sie schlagend werden. Österreich wurde in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen von oben nach unten durchgereicht, nach oben ging es hingegen praktisch nie.

So zählt etwa Österreich mittlerweile in Sachen Wirtschaftswachstum gemeinsam mit Zypern und Italien zu den Schlusslichtern in der Eurozone. Dort wächst die Wirtschaft doppelt so stark wie hierzulande. Was genau betrachtet auch ein leichtes ist, denn hierzulande wächst die Wirtschaft bekanntermaßen ja kaum mehr. Und das seit nunmehr schon drei Jahren. Im letzten Quartal des Vorjahres sank das BIP gegenüber dem vergleichbaren Vorjahrszeitraum gar um 0,2 Prozent, während es in Deutschland zur gleichen Zeit um 1,5 Prozent und in der Eurozone um 0,9 Prozent zulegte.

Das freilich ist nicht alleine Schicksal und nicht nur mit den schwierigen Verhältnissen auf den Märkten zu erklären, wie man das hierzulande gerne tut. Nicht wenige Fachleute sehen das im Zusammenhang mit dem aus den Fugen geratenen österreichischen Staatshaushalt, der der Politik keinen Spielraum mehr lässt. Man verweist darauf, dass sich unter den Euroländer mit den höchsten Zuwachsraten auffallend viele Länder finden, die in der jüngeren Vergangenheit die öffentlichen Haushalte konsolidiert haben. Diejenigen, die ihre öffentlichen Ausgaben hochgefahren beziehungsweise hoch gehalten haben, tummeln sich hingegen, wie etwa die Agenda Austria vorrechnet, "am unteren Ende der Wachstumsskala".

Da passt dazu, dass Standard &Poors wegen der hohen Verschuldung und mangelnder Reformen in den nächsten Jahren für ausgeschlossen hält, dass es für Österreich bald wieder das Triple A geben könnte. Das übrigens wackelt mittlerweile auch bei der einzigen Agentur, Moody's, die unser Land noch in der höchsten Bonitätsstufe hat.

In diese Meldungslage fügt sich auch, dass alle Prognosen erwarten, dass die Arbeitslosenquote in Österreich deutlich stärker ansteigt als im EU-Schnitt. Oder die Meldung, dass Arbeitskräfte in Österreich für die Arbeitgeber um zehn Prozent teurer sind als in Deutschland und ihnen trotzdem weniger in der Brieftasche bleibt.

Österreich hat in den vergangenen Jahren viel von seinem einst passablen Ruf verspielt. Überall wird nun sichtbar, wie sehr es an Führung fehlt, an Entscheidungsfreudigkeit, an Mut zu Neuem und an Konzepten. Das Land bräuchte einen Ruck, aber stattdessen wird der Zustand, der das Land zusehendes lähmt, nur moderiert. Die Diskussion um die Steuerreform ist ein nachgerade archetypisches Beispiel dafür. Sie ist bestimmt von Rücksichtnahmen auf Wählerguppen, auf Wahltermine und auf Politiker-Befindlichkeiten. Ganz abgesehen davon, dass von Einsparungen auf der Ausgabenseite, von den längst überfälligen Strukturreformen gar, keine Rede ist.

Der Politik und den Interessenvertretern in diesem Land fehlt der Zug durchzugreifen. Man weiß sich freilich, und das ist wohl die Krux, eins mit der Bevölkerung. Dort neigt man, wie jüngst Umfragen belegten, viel eher dazu, von der guten alten Zeit zu schwärmen, als sich ins Zeug zu legen und für das eigene Fortkommen und das der Gesellschaft insgesamt etwas auf sich zu nehmen. "Leistung ist nicht mehr sexy", fassten die Meinungsforscher zusammen.

Damit bleibt es wohl beim "Durchwurschtln", wie Wirtschaftskammerpräsident Leitl das erst jüngst wieder nannte - jener Grundhaltung, die seit geraumer Zeit dabei ist, Österreich zu einer Skurrilität Europas zu machen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. März 2015
 
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