Donnerstag, 28. Februar 2019

Mit "Kopf im Sand" auf verlorenem Posten



Für die Bauern scheint es wieder dick zu kommen. Wann immer etwas in der Umwelt und Natur nicht so ist, wie es sein sollte, werden zuallererst sie als die Schuldigen genannt. Eine UNO-Studie warnt vor dramatischen Folgen des Artensterbens. Eine australische Studie hat errechnet, dass es in hundert Jahren keine Insekten mehr geben könnte. In Bayern unterschrieben mehr als 1,7 Millionen Menschen das Volksbegehren „Rettet die Bienen – für mehr Artenschutz“. Und auch in Österreich werden von Zeitungen und Politikern schon Kampagnen gestartet. Die Devise hat man schon - „Seit es den Traktor gibt, geht’s bergab“.

Zuweilen könnte man meinen, da sind Dämme am Brechen. 

Die Landwirtschaft weiß damit nicht umzugehen. Die Verteidigung ist, so sie denn überhaupt zu erkennen ist, schwach. Man zieht Studien und Untersuchungen in Zweifel und versucht Lichtsmog, Versiegelung der Böden, akkurat gemähte Rasenflächen und die Mode, Hausgärten mit Steinen zu gestalten, für den Arten- und Insektenschwund verantwortlich zu machen. Ansonsten fühlt sich wie man sich, wie man sich in solchen Situationen immer fühlt – unverstanden und verfolgt. 

Man mag ja mit vielem Recht haben, was man zur Verteidigung vorbringt. Aber hieb- und stichfeste Fakten und Daten, mit denen man all den Vorwürfen entgegentreten oder sie zumindest relativieren könnte, hat man kaum. Da gibt es bis auf ein Bienenmonitoring der Ages nichts. Keine Studien, keine Analysen, keine Untersuchungen und schon gar keine Strategie, mit diesem Thema umzugehen – es sei denn man hält für eine solche, den Kopf in den Sand zu stecken. Bezeichnend ist wohl auch, dass sich auf den Homepages des Landwirtschaftsministeriums und der Landwirtschaftskammer Österreich zum Thema Artensterben gerade einmal ein Handvoll Einträge und zum Thema Insektensterben gar nur ein einziger findet.

Faktum ist, dass es weit und breit praktisch keine Untersuchungen aus der Landwirtschaft selbst gibt, die Zahlen und Daten zum Insekten- und Artensterben bieten und man es so anderen überlässt, die Diskussion zu bestimmen. Allenfalls beklagt man das allerorten ausbleibende Niederwild, Probleme mit Krähen und Raubwild, das man nicht bejagen darf, und verweist darauf, dass es Probleme mit dem Artensterben auch in Bioregionen und abseits der landwirtschaftlichen Intensivgebiete gibt. Aber sonst? Nichts. Schon gar nichts zu Insekten und Vögeln, das aufklärend sein könnte, oder zu den Themen wie Steingärten, Lichtsmog und ähnlichem, die man in die Diskussion einbringen will, um aus dem Schussfeld zu kommen. Nirgendwo irgendetwas, woran man eine Argumentation festmachen könnte. 

Mit Verlaub – das ist noch sehr viel weniger, als all die vorweisen können, die man in der öffentlichen Diskussion als Gegner sieht. Ein Gesprächspartner auf Augenhöhe, der ernstgenommen werden muss, ist man damit jedenfalls nicht. 

Da ergeht man sich allemal lieber in Selbstmitleid, klopft sich selbst auf die Schultern dafür, dass man Brachen anlegt, Pflanzenschutz und Düngung beschränkt. So hofft man Verständnis für die Sorgen der Bauern zu erreichen. 

Wenn das nicht rasch anders wird, wird es wohl beim Hoffen bleiben.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 28. 2. 2019 

Vollkasko gegen Fahrlässigkeit



Die Aufregung in der heimischen Bauernschaft, zumal in jener, die ihr Vieh die Sommer über auf Almen auftreibt, ist seit Tagen enorm. Zu einer Zahlung von insgesamt 490.000 Euro wurde ein Bauer im Stubaital verurteilt, weil er nach Meinung des Gerichts durch eine entsprechende Abzäunung verhindern hätte können, dass eine Urlauberin nach einer Kuhattacke zu Tode kam. Die Reaktionen sind wütend und bitter. "Unter diesen Verhältnissen können die Bauern die Hoftore für immer zusperren", hieß es "Weidehaltung, wie wir sie in Österreich kennen und schätzen, wird es nie wieder geben" und "Wenn dieses Urteil in den Instanzen halten sollte, hätte es dramatische Folgen".

Das Urteil in diesem fraglos tragischen Fall - für das es, das sei angemerkt, in juristischen Kreisen durchaus Verständnis gibt -ist nicht das erste, das drastisch vor Augen führt, wohin unsere Gesellschaft steuert. Eine Gesellschaft, in der Eigenverantwortung und Hausverstand immer weniger zählen, in der es dafür aber immer moderner wird, juristische Möglichkeiten bis auf den allerletzten Beistrich auszunutzen, gleichsam als Vollkasko-Schutz gegen Fahrlässigkeit und sehr oft auch Dummheit.

Die Sorgen, die die Bauern formulieren, kennen auch die Veranstalter von Festen, selbst wenn sie nur der Finanzierung von Freiwilligenarbeit dienen, aber auch Berufsgruppen wie Lehrer, für die es heute alles andere als ein Kinderspiel ist, Verantwortung etwa bei Ausflügen für die Schüler zu tragen und viele andere auch, die sich über ein Mindestmaß hinaus engagieren. Und der Geist, der da so große Sorgen macht, ist der Nämliche wie der, der Bergretter und andere Gruppen, die auslöffeln müssen, wenn sich die Leute nichts denken und jede Vorsicht und Umsicht fahren lassen, so oft verzweifeln lässt.

Zu leicht und zu schnell kann überall dabei etwas schief gehen, zu leicht und zu schnell können sie in die Verantwortung gezogen werden, aus der ihnen dann oft niemand heraushilft. Nicht zu Unrecht fürchtet man auch bei uns amerikanische Verhältnisse, wo Schadenersatzprozesse, bei denen es um Millionenbeträge geht, gefürchtete Tradition geworden sind.

Diese Entwicklung ist aber nicht nur für Betroffene eine Belastung. Sie wird es zunehmend für die gesamte Gesellschaft. Rund um das Almen-Urteil nahmen in der öffentlichen Diskussion bereits die Folgen nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den Tourismus breiten Raum ein. Man kann die Diskussion ruhig auf die gesamte Wirtschaft ausweiten und die Gesellschaft dazu, die an den Folgen zu tragen haben könnten.

Der volkswirtschaftliche Schaden, der aus Entscheidungen entsteht, die von diesem Denken und Verhalten getragen sind, könnte enorme Ausmaße erreichen, wenn es nicht gelingt, zum rechten Maß zu finden. Jede Initiative wird gehemmt, und jede Großzügigkeit, werden doch just jene gestraft, die über das Notwendige hinaus Engagement und Initiative zeigen.

Es sind ja nicht nur die Almen, die für Urlauber gesperrt werden könnten. Der Bogen reicht bis hin zu immer rigideren und kostspieligeren Auflagen und Vorschriften mit all ihren Folgen, mit denen sich Unternehmen und andere Einrichtungen absichern müssen. Und sie reichen natürlich bis hin zu jeder Art von freiwilligem Engagement, das sich angesichts des Risikos möglicherweise bald niemand mehr antun will.

Diese Entwicklung ist so gesehen nichts als Gift für Wirtschaft und Gesellschaft. Statt Fortschritt und Weiterentwicklung drohen Stillstand, Zögerlichkeit und Blockade. Solche Urteile, wie das in Tirol, drohen jede Offenheit abzuwürgen, jedes Engagement und auch jede Bereitschaft, etwas für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen und sie lassen um die gesellschaftliche Solidarität und den Zusammenhalt fürchten. Zu Ende gedacht, rüttelt so ein Urteil an den gesellschaftlichen Grundfesten, weil es jeden Akteur nolens volens mit einem Fuß immer ins Kriminal stellt.

Darum gilt es wohl auch, so wie es Gesetze und Vorschriften gibt, die Anwender, Betroffene und Konsumenten schützen, auch die andere Seite zu schützen vor der Willkür des Rechts und vor Auslegungen, die es alleine auf Spitzfindigkeiten anlegen, die nicht nachvollziehbar sind und die darin oft nichts denn eine Geldquelle sehen. Sie darf nicht zum Freiwild von dehnbaren Vorschriften und von spitzfindigen Anwälten werden.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Februar 2019

Donnerstag, 21. Februar 2019

Im Strudel gefangen



Am Donnerstag dieser Woche beginnt im Vatikan das vom Papst einberufene Spitzentreffen zu Missbrauch und Kinderschutz in der katholischen Kirche. In Österreich bestimmen seit Wochen Interviews mit Ordensschwestern und Geschichten aus der Diözese Gurk-Klagenfurt die Schlagzeilen.

Die katholische Kirche scheint keinen Boden unter den Füßen finden zu können. Die Probleme reißen nicht ab. Wenn man etwas bewältigt und überwunden zu haben glaubt, kommt etwas Neues aufs Tapet. Seit nunmehr fast dreißig Jahren, seit der Affäre Groer Mitte der neunziger Jahre, ist man in einem Strudel gefangen, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. Man diskutiert dies, man diskutiert das, zum Kern aber kommt man nie, schon gar nicht zu einem Wendepunkt.

Da ein Schuldeinbekenntnis und dort schöne Worte. Zu mehr reicht es meist nicht. Man habe an die Missbrauchsopfer schon mehr als 27 Millionen Euro an Entschädigung gezahlt, heischt man um Gnade und Verzeihung. Das und vieles andere, was man vorbringt und tut, mag ja schön und gut sein. Bei Licht betrachtet ist es aber vor allem wohl nur eines -viel zu spät und wohl auch immer noch viel zu wenig von Offenheit, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit getragen.

Nicht ohne Grund hat sich wohl Kardinal Schönborn in den vergangenen Tagen vor dem Anti-Missbrauchsgipfel in Rom in Interviews bemüßigt gefühlt, extra zu betonen, dass Missbrauchsopfer in der Kirche allzu oft die Erfahrung gemacht hätten, dass sie zur Seite geschoben würden. "Die entscheidende Frage ist, ob wir ihnen glauben", betont der Kardinal. Nach mehr als 20 Jahren der Diskussion über dieses und ähnliche Themen ist das durchaus bemerkenswert zu nennen. Und wohl auch als bezeichnend für versteinerte Haltungen in der katholischen Kirche und für die mangelnde Bereitschaft, sich wirklich zu ändern.

Immer noch scheint es am Mut zu fehlen, sich den entscheidenden Fragen und allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, in aller Ernsthaftigkeit zu stellen. Auch der Vorwurf, dass man zwar die Klasnic-Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen eingerichtet und an Opfer auch Entschädigungen gezahlt, aber dass man die Täter "nicht einmal mit Glacèhandschuhen" angefasst habe, wie das ein Kommentator formuliert, bestätigt das.

Nicht nur bei der Opferkommission hat man in den vergangenen Jahren immer wieder selbst den Bonus verspielt, mit dem man glaubte, sich aus der Krise befreien zu können. Die Hilflosigkeit ist zuweilen in der Tat oft wirklich so "erschreckend", wie sie von Beobachtern immer wieder kritisiert wird. Man wagt es nicht wirklich durchzugreifen, man getraut sich nicht klar genug Stellung zu beziehen, man hofft stattdessen sehr viel öfter billig davonzukommen und mit einfachen Lösungen. Man verschanzt sich immer noch zu oft hinter dicken Mauern -und auch, wenn es um Dinge des täglichen Lebens und nicht des Glaubens geht, hinter Ansichten, mit denen heute kaum jemand mehr etwas anfangen kann und auch nicht will.

Nicht zuletzt deshalb auch findet man den Kontakt zu den Menschen nicht mehr. Hilflos muss man seit Jahren zuschauen, wie jährlich 50.000 Menschen und mehr die Kirche allein in Österreich verlassen. Jedes Jahr ist das die Bevölkerung einer Stadt wie etwa Wels, die in Österreich zu den größeren zählt. Und das geht nun schon seit Jahren so. Allein, dass man sich den Aufwand antut, aus der Kirche auszutreten - nach wie vor ist dafür meist eine persönliche Abmeldung bei der Bezirkshauptmannschaft erforderlich -ist Zeichen dafür, wie stark entfremdet sich die Menschen fühlen und wie weit es fehlt.

Und das tut es. Gottesdienste werden kaum mehr besucht, bei Priestern fehlt es seit Jahren an Nachwuchs, Pfarren müssen zusammengelegt werden, Themen der Kirche, die die Menschen berühren könnten, sind nicht zu erkennen und Antworten auf brennende Fragen der Zeit auch nicht. Nicht einmal diskutiert wird mehr darüber. Schon gar nicht in der breiten Öffentlichkeit und oft auch intern kaum mehr. Dass es in der katholischen Kirche und schon gar im Klerus an charismatischen Figuren fehlt, die diesen gordisch anmutenden Knoten durchschlagen könnten, macht die Sache nicht einfacher.

Es scheint, als habe man sich gefügt. Die Neigung, sich selbst genug zu sein, scheint allemal stärker als das Bedürfnis, auf die Menschen zuzugehen - ohne Vorbehalte, ohne Vorurteile und ohne sie gleich mit missionarischem Eifer zu erdrücken.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Februar 2019

Donnerstag, 14. Februar 2019

Nicht von dieser Welt



Der norwegische Skiheld Aksel Lund Svindal nahm sich gleich gar kein Blatt vor den Mund. "Das ist so blöd, dass man das nicht kommentieren muss." Die meisten anderen schwiegen betreten zu dem, was Gianfranco Kasper, der Präsident des Welt-Skiverbandes FIS, im Vorfeld der Ski-WM in Aare in einem Zeitungsinterview sagte. "Ich will nur noch in Diktaturen gehen, ich will mich nicht mit Umweltschützern herumstreiten", hieß es da. Denn dann könne man "solche Veranstaltungen mit links durchführen" und müsse "nicht das Volk befragen". Es gehe schließlich nur um den Sport. "Wo er stattfindet, ist in gewisser Weise sekundär."

Immer wieder und gerade zu Großveranstaltungen wie Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen zeigt sich die Sportwelt als Refugium längst überholter Einstellungen, die in der Politik und auch im gesellschaftlichen Leben längst keinen Platz mehr haben und als vorgestrig gelten. So, als wäre man nicht von dieser Welt.

Autokraten alten Zuschnitts haben die Welt der Höchstleistungen, der Hundertstelsekunden und der Schlagerspiele, die Millionen begeistern, immer noch fest im Griff. Und natürlich auch das Geld, das dort verteilt wird. Sie halten die Zügel fest in der Hand, Widerspruch dulden sie selten, mit Kritik können sie meist nicht umgehen -vor allem, weil sie sie ohnehin für anmaßend halten. Sie leben und herrschen in eigenen Welten. Nicht nur Gianfranco Kasper ist einer davon. Auch Österreichs Peter Schröcksnadel gehört zu diesen Zampanos alter Schule, denen Zeitströmungen nicht anzukönnen scheinen. Im Fußball sind es Typen wie Uli Hoeneß, nach einem Gefängnis-Aufenthalt Wieder-Präsident von Bayern München, und in der Formel 1 war es lange Bernie Ecclestone.

Sport bewegt sich nicht zuletzt wegen Funktionärstypen dieses Zuschnitts immer noch außerhalb von Raum und Zeit. Dabei gilt, was dort zählt, im gesellschaftlichen Leben außerhalb der Stadien und Sportarenen und abseits der Ski-und Rennpisten nicht ohne Grund längst oft als verpönt. Im Sport aber ist es immer noch statthaft. Mehr noch -es wird als integraler Bestandteil dieses eigentümlichen Kosmos gesehen, der sich außerhalb aller gängigen Kategorien hält und in dem noch erlaubt und angesehen ist, was es sonst nirgendwo mehr ist.

Und das sind nicht nur die Rituale der Fans, die sich im normalen Leben als nichts denn lächerlich ausnehmen würden -all die Bekleidungsvarianten, die Schals, die Kappen, die Hüte und die Transparente und die Gesichtsbemalungen. Da ist auch viel dabei, das ganz andere Dimensionen hat. Da werden Härte und Erbarmungslosigkeit hoch gehalten. Da wird immer noch viel zu oft Trainer-Despoten gehuldigt und der Nationalismus und der Chauvinismus schier ungebremst gelebt. Da wird mit nationalen Gefühlen gespielt, meist ziemlich ungefiltert und ohne viel Zwischentöne. Und man mag gar nicht erst das Frauenbild, das dort oft immer noch gepflegt wird, ins Spiel bringen.

Viel zu oft scheint alles ausgehebelt. Nicht nur in den großen Stadien, sondern selbst auf den kleinen Fußballplätzen. Und nicht nur, wenn es um Erwachsene geht. Im vergangenen Herbst sorgten in Oberösterreich Mütter, die untereinander handgreiflich wurden, und Eltern, die bei Kinderspielen aufs Spielfeld stürmten, für Aufsehen. Der Ton könnte schon dort nicht rauer sein -"Schau, wie deppert dein Bub rennt!"

Da fügt es sich auch, dass in dieser Welt außerhalb der Welt oft nachgerade lächerliche Regularien gelten, die wenig mit den wirklichen Herausforderungen zu tun haben, denen man gegenübersteht. Oft erinnern sie eher an die Welt der Kindergärten, denn an das Millionengeschäft, zu dem der Sport heute geworden ist. Oder wie ist anders zu nennen, wenn ein Weltmeister wie Hannes Reichelt in der Startliste zurückgereiht wird, nur weil er nicht zur Startnummernvergabe erschienen ist? Oder wenn die rasenden Millionäre aus der Formel 1 Geldstrafen zahlen müssen, wenn sie nicht so spuren, wie es die Herren Chefs wollen?

Aber die Welt des Sports scheint allen zum Trotz unanfechtbar. Immer noch und weiterhin. Fairness? War das etwas? Vieles muss wohl so sein, wie es ist. Aber das heißt nicht, dass die Gesellschaft weiterhin die Augen so fest zudrücken soll, wie sie es seit jeher tut.

Und vielleicht sollten aber auch Leute wie Aksel Lund Svindal doch öfter kommentieren, was sie für blöd halten.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Februar 2019

Donnerstag, 7. Februar 2019

Das Notwendige und sein Wert



Vor dem Linzer Landhaus demonstrierten in der vergangenen Woche Gewerkschafter, Betriebsräte und Spitalsbeschäftigte und verlangten bei den Gehaltsverhandlungen "nicht billig abgespeist" zu werden. In dieser Woche steht die nächste Lohn-Runde bei den Sozialberufen an. Streiks sind möglich. Damit rücken Berufszweige in den Mittelpunkt, um die sonst nicht viel geredet wird, die einfach da sind und -das vor allem -von denen man voraussetzt, dass sie klaglos funktionieren. Man verlässt sich drauf, dass in der Kranken- und Altenpflege und in der Betreuung von beeinträchtigten Menschen gemacht wird, was erwartet wird. Körperhygiene, Hautpflege auch, Medikamente verabreichen, Verbände wechseln, begleiten, versorgen, unterhalten. Solche Dinge und noch viele andere auch. Dinge, die viele selten selbst machen wollen, die man gerne delegiert, auf die man meist nicht näher hinschauen mag und die man gerne verdrängt.

Man macht es sich dabei oft nichts denn einfach. Und man schiebt beiseite, dass es meist alles andere als ein Honiglecken ist, in einem Sozialberuf zu arbeiten. Genauso wie man beiseite schiebt, was dort geleistet wird, dass die Arbeitsbelastung groß ist und vor allem auch die Verantwortung und dass der Beruf oft nicht nur körperlich, sondern auch emotional sehr

belastend ist und anspruchsvoll. Und gar nicht denkt man meist dran, dass dort die Bezahlung selten gut ist, dass man mit zu wenig Geld zu kämpfen hat und mit Nachwuchssorgen. Gedankenlos verlässt man sich meist drauf, dass alles funktioniert, wenn man Hilfe braucht. Die Anerkennung und Wertschätzung durch die Bevölkerung und auch der Respekt sind dennoch sehr überschaubar. Da nimmt nicht wunder, dass so ein Beruf als nicht sonderlich attraktiv gilt. Dabei ist in kaum einer Branche der Bedarf größer. Allein im Pflegebereich, so die einhellige Einschätzung, wächst die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten dreißig Jahren von derzeit rund 450.000 auf mindestens 750.000 Menschen.

Freilich kann man als Getöse rund um die beginnenden Arbeiterkammerwahlen abtun, was man in diesen Tagen hört und liest von den Sozialberufen. Man sollte dabei vielleicht aber zurückhaltend sein. Denn es ist schon zu fragen, warum in unserer Gesellschaft oft just, was am dringendsten gebraucht wird, nur wenig Wert und Ansehen hat. Der Pflegebereich ist ja durchaus nicht der einzige, wo es sich die Gesellschaft leicht macht. Der Bogen spannt sich von der Erziehung und Bildung bis hin zum Thema der Entlohnung von Frauenarbeit, die immer noch oft hinter der von Männern herhinkt. Beim Umweltschutz ist es nicht anders und beim Essen, dem viel zu selten der entsprechende Wert zugemessen wird, auch.

Freilich kostete all das, das haben alle diese Bereiche gemein, mehr Geld, würde man es verbessern. Will man aber wirklich etwas erreichen an Verbesserungen, wird man sich wohl dennoch verabschieden müssen davon, auch in Zukunft so billig davonzukommen. Es braucht dann wohl mehr als Kosmetik. Es braucht mehr an Geld, aber auch mehr an Herz dahinter und mehr an Ideen.

Nicht zu übersehen freilich ist, dass nicht nur letztere sehr überschaubar sind, sondern oft auch der Wille, wirklich etwas zu tun. Zudem legt man dabei oft -man mag es nicht anders nennen -durchaus auch ein hohes Maß an Tollpatschigkeit und gar Bösartigkeit an den Tag. Dazu zählt etwa, dass just den zahllosen Pflegerinnen aus der Slowakei, aus Ungarn und aus anderen Ländern, ohne die vor allem die Altenpflege in Österreich schon jetzt nicht zu bewältigen wäre, die Arbeit mit Kürzungen der Kindergelder vergällt wird.

Es wirkt zuweilen, als wolle man nicht erkennen, dass man dabei ist, den Ast, auf dem man sitzt, abzusägen. Hauptsache, man hat seinen politischen Sturschädel durchgesetzt.

Diese Muster gibt es in Österreich freilich immer öfter. Ganz exemplarisch etwa ist das auch beim Umgang mit asylsuchenden Geflüchteten, die als Lehrlinge oder kompetente und wertvolle Mitarbeiter einen Platz bei uns gefunden haben. Obwohl die Klagen über offene Arbeitsstellen und fehlende Lehrlinge immer lauter geworden sind, gefällt man sich trotz heftigster Proteste weiter in einer sturen Abschiebepraxis.

In vielen anderen Bereichen ist das nicht anders. Man streicht, man kürzt, man verbietet. Und wundert sich dann, dass etwas nicht funktioniert, dass man etwas nicht mehr hat oder nicht mehr schafft -ohne darüber lange nachzudenken.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Februar 2019

Mittwoch, 6. Februar 2019

Bio muss nicht klein sein



In manchen Regionen sind Biobetriebe inzwischen größer als konventionelle Agrarbetriebe. Das ist auch ein Grund dafür, dass sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft eingebremst hat.

Hans Gmeiner  

Salzburg. Der kleine Biobauer mit ein paar Hektar Land und wenigen Tieren – das war gestern. Inzwischen steht die Biolandwirtschaft, vor allem was die Ackerfläche und auch die Zahl der Kühe in ihren Ställen betrifft, der konventionellen Landwirtschaft kaum mehr nach. In vielen Regionen haben sie diese sogar bereits überholt.

Am deutlichsten zu sehen ist das in den Ackerbaugebieten im Osten Österreichs. Dort fand in den vergangenen Jahren auch der stärkste Strukturwandel statt. Im Burgenland etwa bewirtschaftet ein durchschnittlicher Bioackerbaubetrieb inzwischen mit gut 53 Hektar deutlich mehr als ein konventioneller Ackerbauer, der gerade einmal 36 Hektar unter dem Pflug hat. In der Kategorie über 20 Hektar ist der Abstand noch deutlich größer. Aber auch in Niederösterreich sind im Bioackerbau, wie im gesamtösterreichischen Schnitt, die Betriebe inzwischen so groß wie die konventionellen. Ackerbaubetriebe mit mehreren Hundert Hektar sind auch in Österreichs Biolandwirtschaft keine Seltenheit mehr.

Auch in der Milchproduktion haben sich in den vergangenen Jahren die Größen der Biobetriebe an die der konventionellen Betriebe angeglichen. Die Biomilchproduktion erhöhte sich seit 2015 wegen der guten Marktchancen um ein Drittel auf mehr als 600.000 Tonnen im Jahr. Mit jährlich durchschnittlich knapp 100.000 Kilo Milch, die ein durchschnittlicher Biomilchbauer mittlerweile an die Molkerei liefert, liegt man nicht mehr weit hinter konventionell produzierenden Kollegen, die es auf 120.000 Kilo im Jahresdurchschnitt bringen.

Für Leopold Kirner, Experte für Unternehmensführung an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien, ist das keine Überraschung. „Es war schon immer so, dass die Biobetriebe meist größer waren, weil es in diesem Segment an all den kleinen Betrieben fehlt, die nebenbei bewirtschaftet werden. Wer ,bio‘ macht, will davon leben, entscheidet sich bewusst für diesen Weg und ist daher von vornherein größer“, erklärt Kirner.

Der Umstieg in die Biolandwirtschaft ist für viele Bauern noch immer eine der Strategien, sich für die Zukunft zu wappnen. 800 Bauern sind es alleine heuer wieder, die zu Bio wechseln, die Bio-Ackerfläche wuchs um weitere zehn Prozent. Dabei macht der Bio-Boom zunehmend Sorgen. Bei Getreide und Milch wächst das Angebot längst schneller als die Nachfrage. Die Preise geraten zunehmend unter Druck. 

Wer dieser Entwicklung nicht traut, setzt meist auf Spezialisierung in der Tierhaltung, auf neue Betriebszweige oder auf das Pachten. Inzwischen wird bereits rund ein Drittel der Flächen als Pachtland genutzt. Bauern, die ihre Betriebe – warum auch immer – aufgegeben haben, ermöglichen so anderen Landwirten, sich für die Zukunft besser aufzustellen.

Anpassungen wie diese zeigen, dass sich die Bauern trotz aller Widrigkeiten nicht so schnell unterkriegen lassen wollen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verlangsamt. „Zum großen Bruch, von dem viele schon lange reden, kam es bisher nicht“, sagt Kirner. Die Zahlen scheinen das zu bestätigen. Gaben zwischen 2005 und 2015 jährlich rund 3200 Landwirte auf, so waren es seither nur mehr rund 750 pro Jahr, die Hof und Stalltür für immer zusperrten. Weil es seit 2015 keine Reform der Agrarpolitik mehr gab, sollte man diese Zahlen nicht überbewerten. Ob dieser Trend anhält, wird sich erst mit der nächsten Reform zeigen, die 2021 ansteht.

Denn in manchen Betriebszweigen und Regionen hält der Wandel unvermindert an. Am stärksten ist er nicht in den Bergen, sondern in den Ackerbaugebieten in Ostösterreich, in der Milchwirtschaft und der Schweineproduktion. Dort heißt es: entweder spezialisieren oder aussteigen.

„Viele suchen sich auch einen neuen Betriebszweig“, sagt Agrarwirtschaftswissenschafter Kirner. Experten wie er machen einen Wandel auf den Höfen aus. „Vor allem bei den Jungen zeigt sich oft, dass die Bindungen doch sehr stark sind“, sagt er. Man sei durchaus bereit, etwas auf sich zu nehmen, viele schätzten auch die zusätzliche Einkommensmöglichkeit in der Landwirtschaft oder verdienten sich im touristischen Bereich etwas dazu.

In der Landwirtschaft wünscht man sich jedenfalls, dass es tatsächlich so ist. Der Aderlass in den vergangenen Jahrzehnten war enorm. Seit Österreichs EU-Beitritt im Jahr 1995 hat sich die Zahl der Landwirte fast halbiert. Waren es damals noch 195.000 Bauern, die Ausgleichszahlungen von EU, Bund und Ländern bezogen, sind es derzeit nur mehr 111.000.


Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 6. Februar 2019
 
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