Mittwoch, 6. Februar 2019

Bio muss nicht klein sein



In manchen Regionen sind Biobetriebe inzwischen größer als konventionelle Agrarbetriebe. Das ist auch ein Grund dafür, dass sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft eingebremst hat.

Hans Gmeiner  

Salzburg. Der kleine Biobauer mit ein paar Hektar Land und wenigen Tieren – das war gestern. Inzwischen steht die Biolandwirtschaft, vor allem was die Ackerfläche und auch die Zahl der Kühe in ihren Ställen betrifft, der konventionellen Landwirtschaft kaum mehr nach. In vielen Regionen haben sie diese sogar bereits überholt.

Am deutlichsten zu sehen ist das in den Ackerbaugebieten im Osten Österreichs. Dort fand in den vergangenen Jahren auch der stärkste Strukturwandel statt. Im Burgenland etwa bewirtschaftet ein durchschnittlicher Bioackerbaubetrieb inzwischen mit gut 53 Hektar deutlich mehr als ein konventioneller Ackerbauer, der gerade einmal 36 Hektar unter dem Pflug hat. In der Kategorie über 20 Hektar ist der Abstand noch deutlich größer. Aber auch in Niederösterreich sind im Bioackerbau, wie im gesamtösterreichischen Schnitt, die Betriebe inzwischen so groß wie die konventionellen. Ackerbaubetriebe mit mehreren Hundert Hektar sind auch in Österreichs Biolandwirtschaft keine Seltenheit mehr.

Auch in der Milchproduktion haben sich in den vergangenen Jahren die Größen der Biobetriebe an die der konventionellen Betriebe angeglichen. Die Biomilchproduktion erhöhte sich seit 2015 wegen der guten Marktchancen um ein Drittel auf mehr als 600.000 Tonnen im Jahr. Mit jährlich durchschnittlich knapp 100.000 Kilo Milch, die ein durchschnittlicher Biomilchbauer mittlerweile an die Molkerei liefert, liegt man nicht mehr weit hinter konventionell produzierenden Kollegen, die es auf 120.000 Kilo im Jahresdurchschnitt bringen.

Für Leopold Kirner, Experte für Unternehmensführung an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien, ist das keine Überraschung. „Es war schon immer so, dass die Biobetriebe meist größer waren, weil es in diesem Segment an all den kleinen Betrieben fehlt, die nebenbei bewirtschaftet werden. Wer ,bio‘ macht, will davon leben, entscheidet sich bewusst für diesen Weg und ist daher von vornherein größer“, erklärt Kirner.

Der Umstieg in die Biolandwirtschaft ist für viele Bauern noch immer eine der Strategien, sich für die Zukunft zu wappnen. 800 Bauern sind es alleine heuer wieder, die zu Bio wechseln, die Bio-Ackerfläche wuchs um weitere zehn Prozent. Dabei macht der Bio-Boom zunehmend Sorgen. Bei Getreide und Milch wächst das Angebot längst schneller als die Nachfrage. Die Preise geraten zunehmend unter Druck. 

Wer dieser Entwicklung nicht traut, setzt meist auf Spezialisierung in der Tierhaltung, auf neue Betriebszweige oder auf das Pachten. Inzwischen wird bereits rund ein Drittel der Flächen als Pachtland genutzt. Bauern, die ihre Betriebe – warum auch immer – aufgegeben haben, ermöglichen so anderen Landwirten, sich für die Zukunft besser aufzustellen.

Anpassungen wie diese zeigen, dass sich die Bauern trotz aller Widrigkeiten nicht so schnell unterkriegen lassen wollen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verlangsamt. „Zum großen Bruch, von dem viele schon lange reden, kam es bisher nicht“, sagt Kirner. Die Zahlen scheinen das zu bestätigen. Gaben zwischen 2005 und 2015 jährlich rund 3200 Landwirte auf, so waren es seither nur mehr rund 750 pro Jahr, die Hof und Stalltür für immer zusperrten. Weil es seit 2015 keine Reform der Agrarpolitik mehr gab, sollte man diese Zahlen nicht überbewerten. Ob dieser Trend anhält, wird sich erst mit der nächsten Reform zeigen, die 2021 ansteht.

Denn in manchen Betriebszweigen und Regionen hält der Wandel unvermindert an. Am stärksten ist er nicht in den Bergen, sondern in den Ackerbaugebieten in Ostösterreich, in der Milchwirtschaft und der Schweineproduktion. Dort heißt es: entweder spezialisieren oder aussteigen.

„Viele suchen sich auch einen neuen Betriebszweig“, sagt Agrarwirtschaftswissenschafter Kirner. Experten wie er machen einen Wandel auf den Höfen aus. „Vor allem bei den Jungen zeigt sich oft, dass die Bindungen doch sehr stark sind“, sagt er. Man sei durchaus bereit, etwas auf sich zu nehmen, viele schätzten auch die zusätzliche Einkommensmöglichkeit in der Landwirtschaft oder verdienten sich im touristischen Bereich etwas dazu.

In der Landwirtschaft wünscht man sich jedenfalls, dass es tatsächlich so ist. Der Aderlass in den vergangenen Jahrzehnten war enorm. Seit Österreichs EU-Beitritt im Jahr 1995 hat sich die Zahl der Landwirte fast halbiert. Waren es damals noch 195.000 Bauern, die Ausgleichszahlungen von EU, Bund und Ländern bezogen, sind es derzeit nur mehr 111.000.


Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 6. Februar 2019

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