Der norwegische Skiheld Aksel Lund Svindal nahm sich gleich gar kein Blatt vor den Mund. "Das ist so blöd, dass man das nicht kommentieren muss." Die meisten anderen schwiegen betreten zu dem, was Gianfranco Kasper, der Präsident des Welt-Skiverbandes FIS, im Vorfeld der Ski-WM in Aare in einem Zeitungsinterview sagte. "Ich will nur noch in Diktaturen gehen, ich will mich nicht mit Umweltschützern herumstreiten", hieß es da. Denn dann könne man "solche Veranstaltungen mit links durchführen" und müsse "nicht das Volk befragen". Es gehe schließlich nur um den Sport. "Wo er stattfindet, ist in gewisser Weise sekundär."
Immer wieder und gerade zu Großveranstaltungen wie Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen zeigt sich die Sportwelt als Refugium längst überholter Einstellungen, die in der Politik und auch im gesellschaftlichen Leben längst keinen Platz mehr haben und als vorgestrig gelten. So, als wäre man nicht von dieser Welt.
Autokraten alten Zuschnitts haben die Welt der Höchstleistungen, der Hundertstelsekunden und der Schlagerspiele, die Millionen begeistern, immer noch fest im Griff. Und natürlich auch das Geld, das dort verteilt wird. Sie halten die Zügel fest in der Hand, Widerspruch dulden sie selten, mit Kritik können sie meist nicht umgehen -vor allem, weil sie sie ohnehin für anmaßend halten. Sie leben und herrschen in eigenen Welten. Nicht nur Gianfranco Kasper ist einer davon. Auch Österreichs Peter Schröcksnadel gehört zu diesen Zampanos alter Schule, denen Zeitströmungen nicht anzukönnen scheinen. Im Fußball sind es Typen wie Uli Hoeneß, nach einem Gefängnis-Aufenthalt Wieder-Präsident von Bayern München, und in der Formel 1 war es lange Bernie Ecclestone.
Sport bewegt sich nicht zuletzt wegen Funktionärstypen dieses Zuschnitts immer noch außerhalb von Raum und Zeit. Dabei gilt, was dort zählt, im gesellschaftlichen Leben außerhalb der Stadien und Sportarenen und abseits der Ski-und Rennpisten nicht ohne Grund längst oft als verpönt. Im Sport aber ist es immer noch statthaft. Mehr noch -es wird als integraler Bestandteil dieses eigentümlichen Kosmos gesehen, der sich außerhalb aller gängigen Kategorien hält und in dem noch erlaubt und angesehen ist, was es sonst nirgendwo mehr ist.
Und das sind nicht nur die Rituale der Fans, die sich im normalen Leben als nichts denn lächerlich ausnehmen würden -all die Bekleidungsvarianten, die Schals, die Kappen, die Hüte und die Transparente und die Gesichtsbemalungen. Da ist auch viel dabei, das ganz andere Dimensionen hat. Da werden Härte und Erbarmungslosigkeit hoch gehalten. Da wird immer noch viel zu oft Trainer-Despoten gehuldigt und der Nationalismus und der Chauvinismus schier ungebremst gelebt. Da wird mit nationalen Gefühlen gespielt, meist ziemlich ungefiltert und ohne viel Zwischentöne. Und man mag gar nicht erst das Frauenbild, das dort oft immer noch gepflegt wird, ins Spiel bringen.
Viel zu oft scheint alles ausgehebelt. Nicht nur in den großen Stadien, sondern selbst auf den kleinen Fußballplätzen. Und nicht nur, wenn es um Erwachsene geht. Im vergangenen Herbst sorgten in Oberösterreich Mütter, die untereinander handgreiflich wurden, und Eltern, die bei Kinderspielen aufs Spielfeld stürmten, für Aufsehen. Der Ton könnte schon dort nicht rauer sein -"Schau, wie deppert dein Bub rennt!"
Da fügt es sich auch, dass in dieser Welt außerhalb der Welt oft nachgerade lächerliche Regularien gelten, die wenig mit den wirklichen Herausforderungen zu tun haben, denen man gegenübersteht. Oft erinnern sie eher an die Welt der Kindergärten, denn an das Millionengeschäft, zu dem der Sport heute geworden ist. Oder wie ist anders zu nennen, wenn ein Weltmeister wie Hannes Reichelt in der Startliste zurückgereiht wird, nur weil er nicht zur Startnummernvergabe erschienen ist? Oder wenn die rasenden Millionäre aus der Formel 1 Geldstrafen zahlen müssen, wenn sie nicht so spuren, wie es die Herren Chefs wollen?
Aber die Welt des Sports scheint allen zum Trotz unanfechtbar. Immer noch und weiterhin. Fairness? War das etwas? Vieles muss wohl so sein, wie es ist. Aber das heißt nicht, dass die Gesellschaft weiterhin die Augen so fest zudrücken soll, wie sie es seit jeher tut.
Und vielleicht sollten aber auch Leute wie Aksel Lund Svindal doch öfter kommentieren, was sie für blöd halten.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Februar 2019
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