Donnerstag, 21. Februar 2019

Im Strudel gefangen



Am Donnerstag dieser Woche beginnt im Vatikan das vom Papst einberufene Spitzentreffen zu Missbrauch und Kinderschutz in der katholischen Kirche. In Österreich bestimmen seit Wochen Interviews mit Ordensschwestern und Geschichten aus der Diözese Gurk-Klagenfurt die Schlagzeilen.

Die katholische Kirche scheint keinen Boden unter den Füßen finden zu können. Die Probleme reißen nicht ab. Wenn man etwas bewältigt und überwunden zu haben glaubt, kommt etwas Neues aufs Tapet. Seit nunmehr fast dreißig Jahren, seit der Affäre Groer Mitte der neunziger Jahre, ist man in einem Strudel gefangen, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. Man diskutiert dies, man diskutiert das, zum Kern aber kommt man nie, schon gar nicht zu einem Wendepunkt.

Da ein Schuldeinbekenntnis und dort schöne Worte. Zu mehr reicht es meist nicht. Man habe an die Missbrauchsopfer schon mehr als 27 Millionen Euro an Entschädigung gezahlt, heischt man um Gnade und Verzeihung. Das und vieles andere, was man vorbringt und tut, mag ja schön und gut sein. Bei Licht betrachtet ist es aber vor allem wohl nur eines -viel zu spät und wohl auch immer noch viel zu wenig von Offenheit, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit getragen.

Nicht ohne Grund hat sich wohl Kardinal Schönborn in den vergangenen Tagen vor dem Anti-Missbrauchsgipfel in Rom in Interviews bemüßigt gefühlt, extra zu betonen, dass Missbrauchsopfer in der Kirche allzu oft die Erfahrung gemacht hätten, dass sie zur Seite geschoben würden. "Die entscheidende Frage ist, ob wir ihnen glauben", betont der Kardinal. Nach mehr als 20 Jahren der Diskussion über dieses und ähnliche Themen ist das durchaus bemerkenswert zu nennen. Und wohl auch als bezeichnend für versteinerte Haltungen in der katholischen Kirche und für die mangelnde Bereitschaft, sich wirklich zu ändern.

Immer noch scheint es am Mut zu fehlen, sich den entscheidenden Fragen und allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, in aller Ernsthaftigkeit zu stellen. Auch der Vorwurf, dass man zwar die Klasnic-Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen eingerichtet und an Opfer auch Entschädigungen gezahlt, aber dass man die Täter "nicht einmal mit Glacèhandschuhen" angefasst habe, wie das ein Kommentator formuliert, bestätigt das.

Nicht nur bei der Opferkommission hat man in den vergangenen Jahren immer wieder selbst den Bonus verspielt, mit dem man glaubte, sich aus der Krise befreien zu können. Die Hilflosigkeit ist zuweilen in der Tat oft wirklich so "erschreckend", wie sie von Beobachtern immer wieder kritisiert wird. Man wagt es nicht wirklich durchzugreifen, man getraut sich nicht klar genug Stellung zu beziehen, man hofft stattdessen sehr viel öfter billig davonzukommen und mit einfachen Lösungen. Man verschanzt sich immer noch zu oft hinter dicken Mauern -und auch, wenn es um Dinge des täglichen Lebens und nicht des Glaubens geht, hinter Ansichten, mit denen heute kaum jemand mehr etwas anfangen kann und auch nicht will.

Nicht zuletzt deshalb auch findet man den Kontakt zu den Menschen nicht mehr. Hilflos muss man seit Jahren zuschauen, wie jährlich 50.000 Menschen und mehr die Kirche allein in Österreich verlassen. Jedes Jahr ist das die Bevölkerung einer Stadt wie etwa Wels, die in Österreich zu den größeren zählt. Und das geht nun schon seit Jahren so. Allein, dass man sich den Aufwand antut, aus der Kirche auszutreten - nach wie vor ist dafür meist eine persönliche Abmeldung bei der Bezirkshauptmannschaft erforderlich -ist Zeichen dafür, wie stark entfremdet sich die Menschen fühlen und wie weit es fehlt.

Und das tut es. Gottesdienste werden kaum mehr besucht, bei Priestern fehlt es seit Jahren an Nachwuchs, Pfarren müssen zusammengelegt werden, Themen der Kirche, die die Menschen berühren könnten, sind nicht zu erkennen und Antworten auf brennende Fragen der Zeit auch nicht. Nicht einmal diskutiert wird mehr darüber. Schon gar nicht in der breiten Öffentlichkeit und oft auch intern kaum mehr. Dass es in der katholischen Kirche und schon gar im Klerus an charismatischen Figuren fehlt, die diesen gordisch anmutenden Knoten durchschlagen könnten, macht die Sache nicht einfacher.

Es scheint, als habe man sich gefügt. Die Neigung, sich selbst genug zu sein, scheint allemal stärker als das Bedürfnis, auf die Menschen zuzugehen - ohne Vorbehalte, ohne Vorurteile und ohne sie gleich mit missionarischem Eifer zu erdrücken.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Februar 2019

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