Samstag, 14. August 2010

Der Handel füllt das agrarpolitische Vakuum





Die Landwirtschaft reibt sich seit Jahren mit Inbrunst so hilf- wie erfolglos am heimischen Handel. Konkurrenzkampf auf dem Rücken und vor allem auf Kosten der Bauern wird Spar, Billa, Hofer und Co vorgeworfen, Preisdrückerei und vieles andere mehr, was schlagzeilenträchtig daherkommt, Aktivität signalisiert und manchen Bauernvertreter als Robin Hood erscheinen lässt.

Da ist fraglos was dran, aber über das Thema, um das es hinter all dem Gerangel und all den Scharmützeln gehen müsste, redet man, so scheint es, lieber nicht - der Handel ist dabei, sich die Agrarpolitik und Landwirtschaft selbst zu machen. Die Handelskonzerne sind es heute, die in vielen Bereichen der Landwirtschaft den Takt vorgeben. Von ihnen kommen die Ideen für Produkte und Märkte und sie verschaffen den Bauern neue Produktionsmöglichkeiten und Einkommen.

Die Agrarpolitik selbst, zu deren ureigensten Aufgaben das eigentlich zählt, hat da wenig zu bieten. Verfangen ist man in der Verwaltung und Verteidigung von in der Vergangenheit für die Bauern gesicherten Ansprüchen und Geldmitteln und oft beschäftigt mit sich selbst. In die Zukunft schaut man allenfalls mit Sorge, als Chance mag man sie selten begreifen. Dabei hat man in vielen Bereichen, so wirken jedenfalls die Dinge zuweilen, die Überfuhr verpasst. Es fehlt an Ideen, der Kontakt zu Markt und Konsumenten ist oftmals verloren gegangen.

Die Handelskonzerne füllten dieses Vakuum. Das meiste, was in der Landwirtschaft neu ist, kommt heute von dort. Vom Handel geht die Initiative für neue Rezepturen, für neue Produkte und für die Entwicklung neuer Marktchancen aus. Dass viele heimische Verarbeiter auch nicht zu denen zählen, die sich über die Entwicklung neuer Produkte definieren, spielt da dem Handel nur in die Hände. Die Landwirtschaft ist da aus dem Spiel geraten und scheint kaum mehr Karten im Talon zu haben. Die Macht liegt längst beim Handel. Und der ist dabei, sich die Landwirtschaft herzurichten, wie er sie will.

Beispiele dafür gibt es genug. Das beginnt bei den Eigenmarken und geht hin bis zu den Vertragsproduktionen der großen Handelskonzerne. Billa öffnete mit "Ja! Natürlich" den Markt für Bioprodukte, Hofer sorgte dafür, dass die Steigerung der Bioproduktion wenigstens bei Milch und anderen Produkten nicht in einem solchen Desaster wie bei Biogetreide endete - schließlich wurde da wie dort fernab des Marktes einfach drauflos produziert. In mancher Vorstandsetage wird sogar darüber nachgedacht, da und dort selbst in die Produktion einzusteigen, wenn die Bauern nicht das Gewünschte liefern.

Gemeinsam ist allen, dass sie sich ihre Regeln abseits des Verwaltungs- und Kontrollsystems selber machen und so ihre eigene Welt mit ihren eigenen Spielregeln gestalten.

Freilich: Die Bauern fahren nicht schlecht damit. Praktisch alle Handelsketten bekennen sich zu österreichischen Produkten und machen damit Markt für Österreichs Bauern. Und angesichts des Erfolges schaut die Agrarpolitik mit ihren Forderungen und Anwürfen meistens ziemlich alt aus.

Gesund ist diese Entwicklung indes dennoch nicht. In Handelskonzernen haben die Bauern nichts mitzureden. Schnell können sie dabei vom Marktteilnehmer zu bloßen Lieferanten werden. Um in der Produktionskette nicht wirklich endgültig ein unbedeutendes Glied zu werden, muss die Landwirtschaft ihr Verhältnis zum Handel möglichst schnell neu definieren. Auch wenn das nicht einfach sein dürfte - die Möglichkeiten sind groß. Und sie müssen genutzt werden.

Blick ins Land - 13. August 2010

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1