Donnerstag, 9. September 2010
Von der Feldarbeit zur Kopfarbeit
Festschrift 60 Jahre Saatbau Linz
„Nicht die stärksten Arten werden überleben, auch nicht die intelligentesten, sondern diejenigen, die am besten auf Veränderungen reagieren“.
Charles Darwin
Zahllos sind die Zukunfts-Einschätzungen, die den Bauern seit Jahren aufgetischt werden. Hell und optimistisch getüncht die einen, pessimistisch und schwarz die anderen. Die Zuversichtlichen zimmern sich daraus ihre Träume, die Ängstlichen ihre Untergangsszenarien. Doch Aufgeregtheit ist fehl am Platz. Gefragt sind Köpfchen, Offenheit - und ein endgültiges Adieu an die Vergangenheit.
Die Landwirtschaft ist längst auf dem Weg in die Zukunft. Die großen Weichen sind gestellt. Die Herausforderung für einen Bauern ist, damit zurecht zu kommen. Dabei geht es, allen persönlichen Befindlichkeiten zum Trotz, darum, die Chancen zu finden und die Gefahren zu erkennen. Aufmerksamkeit.
Denn, was kommt, muss keineswegs nur von Nachteil für die Landwirtschaft sein, sondern kann durchaus auch Chancen bieten.
• Der Trend zu einer Liberalisierung der Märkte, einst als Dolchstoß für die Landwirtschaft gefürchtet, zeigt nach und nach auch positive Seiten. Österreichs Landwirtschaft exportiert soviel wie nie zuvor. Dass sich die Ausfuhren vervielfachten, gehört zu den Erfolgsstories der heimischen Wirtschaft und eröffnete große Absatzmöglichkeiten.
• Klar ist auch, dass für die Landwirtschaft in Zukunft weniger Geld zur Verfügung stehen wird. Die öffentlichen Kassen sind spätestens mit der aktuellen Finanzkrise auf lange Zeit hinaus leer. Da sollten sich die Bauern keinen Illusionen hingeben.
Das freilich ist schon ziemlich alles, was klar ist. Bei den Produktionsauflagen, die so gefürchtet sind, ist wohl zu differenzieren. Schon jetzt bekommen die Bauern (was gerne übersehen wird) Geld für die Erfüllung von Auflagen – „Ausgleichszahlungen“ eben. Das wird im Zusammenhang mit Umweltprogrammen auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Vor allem aber werden die Auflagen im Zusammenhang mit Sonderprogrammen etwa des Handels von größerer Bedeutung werden – ebenfalls gegen Geld natürlich. Dem freilich – den Auflagen und dem Geld - kann man sich entziehen, indem man da nicht mitmacht.
Vieles unabwägbar ist auch bei Energie aus Biomasse, Verzicht auf Gentechnik oder Regionalität und manchem anderen, das gerne als taugliche Strategie für die Zukunft verkauft wird. In Wirklichkeit sind sie zumeist allesamt doch nicht mehr als ein Beitrag, das derzeitige Preisniveau abzusichern.
Dass das von den meisten Bauern als zu niedrig empfunden wird, mag verständlich sein, daran wird sich aber wohl in absehbarer Zeit nichts Grundlegendes ändern. Und das erzeugt Handlungsbedarf.
Es gibt kein Patentrezept
Die Landwirte müssen sich und ihren Betrieb in die Lage versetzen, damit zurecht zu kommen. Da führt kein Weg herum.
Entscheidend dabei wird sein, wie sie das Thema anpacken. Was will man? Was kann man? Was ist man bereit zu geben? Dabei wird man sich, auch wenn das sehr schmerzhaft sein kann, von lieb gewordenen Traditionen und Einschätzungen verabschieden müssen. Offenheit für Entwicklungen und Trends und Ehrlichkeit zu sich selbst sind gefordert.
Landwirtschaft wird in einem noch viel größerem Ausmaß als bisher Kopfarbeit. Wer in der Landwirtschaft bleiben will, muss ständig mitdenken, die Nase im Wind haben, flexibel sein und bereit neue Wege zu gehen. Die Welt darf nicht an der Landesgrenze und schon gar nicht an der Dorfgrenze enden.
Ein Patenrezept gibt es nicht. Perfektion in der agrarischen Produktion alleine wird, auch wenn sie das letzte Kilogramm herausholt, jedenfalls zu wenig sein. Der Umgang mit den zahllosen Informationsangeboten, Kenntnis von Märkten und dem Funktionieren der Instrumentarien werden sehr rasch viel wichtiger als sie noch heute sind. Selbst die Kenntnis von zumindest einer Fremdsprache ist für den Bauern der Zukunft unabdingbar – allein schon um sich international informieren zu können.
Genauso wichtig ist die sparsame Produktion, die zwar längst ein Thema, oft aber nicht Realität ist. Betriebskooperationen, effektiver Maschineneinsatz und ein hohes Maß an Kostenbewusstsein können auch neue Möglichkeiten bieten, um mit dem, was derzeit unbezwingbar erscheint, zurecht zu kommen.
Zukunft gehört dem „Patchwork-Bauern“
Das Gesamteinkommen wird sich in Zukunft bei den meisten Betrieben noch viel mehr als bisher aus verschiedenen Einkommen zusammensetzen – aus der Landwirtschaft, aus dem Nebenerwerb, aus Vermietung. Der Kreativität des künftigen „Patchwork-Bauern“ sind keine Grenzen gesetzt. Die Herausforderung ist, den Betrieb in diesem Umfeld so zu organisieren, dass die Arbeit in Landwirtschaft bewältigbar ist und trotzdem etwas zum Gesamteinkommen beiträgt.
Darauf zu hoffen, dass die Landwirtschaft alles, was sich Bauern vom Leben wünschen, alleine trägt, ist wohl der falsche Weg. Die Illusionen mancher, die sich für große Bauern halten, sind nicht angebracht. Um von der Erzeugung von so simplen Produkten wie Getreide, Mais oder auch Zuckerrüben leben zu können, sind sie zu klein. Ob mit 50, mit 100 und mit 300 Hektar ist einerlei. Das kann man in aller Welt.
Sie sind daher gut beraten, jene vielen „kleinen Bauern“ zum Vorbild zu nehmen, die in der Vergangenheit mit ihren Ideen und ihrer Bereitschaft zu Veränderungen bewiesen haben, dass Größe kein Kriterium für Erfolg ist.
Gerade Getreidebauern sind da gefordert. Sie vergessen gerne, dass es in der Geschichte nur ganze zehn Jahre wirklich möglich war, auch unter österreichischen Verhältnissen von Weizen, Gerste und Mais alleine passabel leben zu können. Das war in den 1950er und 1960er Jahren. Vorher trugen Kühe und Schweine das nötige zum Einkommen bei, nachher brauchte es oft einen Nebenjob oder ein anderes Zusatzeinkommen.
Schade, denken sich immer noch die meisten. Aber schlecht ist daran nur, dass viele ihre Befindlichkeit immer noch an diesen paar Jahren zu Mitte des vorigen Jahrhunderts orientieren.
Leere Kilometer. Diese Zeit wird nicht wieder kommen.
Der Rückzug des einen ist die Chance des anderen
So schlecht, wie manche meinen, wird die Zukunft aber auch nicht.
Die Veränderung wird kontinuierlich sein. Das Tempo wird vielleicht höher als in den vergangenen 20 Jahren, weil der Generationswechsel in der Landwirtschaft eine andere Qualität bekommt. Dass die Höfe einfach weitergeführt werden, wird nicht mehr ganz so selbstverständlich sein. Die nächste Generation wird genauer abwägen – nicht nur wegen der Lage der Landwirtschaft, sondern auch, weil die Nachfolger meist einen anderen Beruf erlernt haben und oft kaum mehr die Zeit finden sich um Feld und Stall zu kümmern.
Diese Entwicklung, und das sollte man nicht vergessen, hat auch eine andere Seite: Sie bietet vielen Bauern als Pächter, Partner, Käufer oder Investor die Chancen, die sie brauchen.
Die Landwirtschaft muss sich ihrer Kraft bewusst werden. Die Bauern haben Grund und Boden und oft große Häuser - Kapital, aus dem man, bei allen Ungewissheiten und Unabwägbarkeiten in den traditionellen Produktionssparten, etwas machen kann.
Andere beneiden die Bauern darum.
Das sollte man nicht vergessen. Schließlich sehen sich ja viele gerne als Unternehmer.
Genau die sind in den nächsten 20 Jahren gefragt.
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