Donnerstag, 16. September 2010

Kein Überleben aus eigener Kraft




Für die Bauern steht in diesen Wochen viel auf dem Spiel. Aber der Streit um die Förderungen geht an den wirklichen Herausforderungen vorbei.

Hans Gmeiner Salzburg (SN). Im Streit um die Agrarförderungen und deren Verteilung sind die eigentlichen Probleme der heimischen Landwirtschaft ins Hintertreffen geraten. Dabei sind die groß wie nie. Die Bauern leiden vor allem unter ihrer fehlenden Wettbewerbskraft. Zudem stehen massive Budgetkürzungen ins Haus, und die EU plant eine Agrarreform, die weitere Einschnitte und Mittelumschichtungen befürchten lässt. Das stellt nicht nur die Bauern selbst, sondern auch die Strukturen im Hintergrund (Kammern, Verbände und Verwaltung) vor enorme Herausforderungen.
In Sachen Effizienz zählen die heimischen Bauern im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern. Sie produzieren für die Erlöse, die auf den Märkten zu erzielen sind, zu teuer. Vor allem die Struktur der heimischem Landwirtschaft und die Produktionsbedingungen, unter denen viele Bauern arbeiten müssen, erweisen sich als große Last.

Mehr als 50 Prozent der Betriebe haben weniger als zehn Hektar, die durchschnittliche Betriebsgröße erreicht kaum 20 Hektar, mehr als die Hälfte der Betriebe liegt im Berggebiet, zwei Drittel werden im Nebenerwerb bewirtschaftet. Nach internationalen Maßstäben, wo in Hunderten Hektar und Tausenden Stück Vieh gerechnet wird, nimmt sich das mickrig aus.

Mit reichlich Fördergeldern, ausgeklügelten Programmen, Qualität und Schläue ist es in der Vergangenheit gelungen, sich gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu behaupten. Darum will man von dieser Politik auch nicht abrücken. Argumente dafür lieferte Mittwoch das Wirtschaftsforschungsinstitut. Demnach würde ein Wegfall der 1,1 Mrd. Euro für die Ländliche Entwicklung (Umwelt-, Bio- und Bergbauernprogramm, Investförderung) 23.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern und Abnehmern und bis zu 80.000 auf den Höfen kosten. Die Wertschöpfung der Landwirtschaft würde um 13 Prozent und der Umsatz um 15 Prozent verringert. Überdurchschnittlich stark betroffen wären vor allem Salzburgs Bauern. Im Flach- und Tennengau drohen Einbußen von bis zu 25 Prozent, in den Gebirgs gauen sogar von bis zu 30 Prozent.

Der Preis für die Förderungen, um die die Bauern kämpfen, ist freilich hoch. Ein ganzer Wirtschaftszweig hängt in einem extrem hohen Maß von Geldern und damit auch vom guten Willen der öffentlich Hand ab. Die Erlöse, die ein durchschnittlicher Hof rein für Getreide, Fleisch oder Milch erzielen kann, übertreffen die Produktionskosten kaum. Bei kleineren Bauern in geringerem Maß, bei größeren in einem etwas höheren. Bei den meisten ist es aber jedenfalls zu wenig, um aus eigener Kraft wirtschaftlich zu überleben. Das aber ist in der Diskussion kein Thema.

Zum Leben bleibt zumeist nicht viel mehr als das, was die öffentliche Hand an Ausgleichszahlungen und Förderungen gibt. In den 19.000 Euro, die einem Bauern jährlich im Durchschnitt bleiben, stecken 18.000 Euro an öffentlichen Geldern.

Das stellt auch die geforderte verstärkte Umverteilung der Mittel zu Kleinstbetrieben in ein besonders Licht. Zum einen würde dadurch die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit tenden ziell einzementiert, zum anderen aber vor allem deren Abhängigkeit von öffentlichen Geldern weiter vergrößert.

Dabei sollte der umgekehrte Weg das Ziel sein – und zwar für die gesamte Landwirtschaft. Aber dafür ist in der Debatte kein Platz.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft 16. September 2010

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