Donnerstag, 21. März 2013
Kalt-warm für Österreichs Bauern
Der Vertrag von Lissabon stärkte das Europaparlament und brachte in der EU neue Spielregeln. Bei der Agrarreform bekommt die Landwirtschaft zu spüren, dass die Dinge nun anders laufen als gewohnt.
HANS GMEINER Salzburg (SN). Kalt-Warm gibt es für die österreichische Landwirtschaft in der Schlussphase der Verhandlungen zur EU-Agrarreform. Freute man sich zu Jahresbeginn, weil sich der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments auf Positionen einigte, die weitestgehend den österreichischen Vorstellungen entsprachen, so schienen in der Vorwoche mit einem Mal die Felle davonzuschwimmen. Das Plenum des EU-Parlaments hielt sich nämlich entgegen allen Erwartungen nicht an die im Ausschuss von allen Fraktionen gemeinsam beschlossenen Positionen. Im Verein mit den Grünen scherten die Sozialdemokraten aus und lehnten ab, Biolandwirtschaft und andere Umweltprogramme automatisch für das sogenannte Greening anzuerkennen, das eine Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft bringen soll. Zudem hielt man, auch das entgegen den Ausschussbeschlüssen, an der von Kommissar Ciolos vorgeschlagenen Nutzung von sieben Prozent der Agrarflächen als Ökoflächen fest.
Die Empörung bei den heimischen Agrariern war groß. Eine Woche später spürt man nun wieder Oberluft. Man freut sich darüber, dass in der Nacht auf Mittwoch die EU-Landwirtschaftsminister zu einer Linie fanden, die den österreichischen Vorstellungen entspricht. Die gemeinsame Position der Minister sieht vor, Biolandwirtschaft und Umweltprogramme sehr wohl für das Greening anzuerkennen. Die Ökoflächen sollen auf fünf Prozent beschränkt werden und für den Anbau eiweißhaltiger Pflanzen wie Soja genutzt werden dürfen. Gefallen findet auch, dass für die Angleichung der Hektarprämien sechs Jahre Zeit ist und dass das Quotensystem bei Zucker zumindest bis 2017 verlängert werden soll. Keine Kürzungen wollen die Minister auch bei den Förderungen für Bergbauern. Bis 2019 gesichert sind auch die Extragelder für die Bauern in Übergangsgebieten, den sogenannten benachteiligten Gebieten.
„Das ist ein wichtiger Etappensieg“, sagen die Agrarpolitiker von Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich abwärts. Aus den Erfahrungen der vergangenen Wochen gewitzt, sind die Töne diesmal leiser. Man hat erkannt, dass die Dinge nicht mehr so laufen wie gewohnt. Das EU-Parlament, das heuer erstmals bei der Gestaltung der Agrarreform mit am Tisch sitzt, erweist sich als harter Brocken. Was dort die Agrarspezialisten aller Parteien beschließen, gilt im Plenum dann später offensichtlich wenig.
Damit ist klar, dass die Agrarreform noch lang nicht gegessen ist. Was in der Nacht auf Mittwoch beschlossen wurde, ist nichts anderes als die gemeinsame Position der EU-Agrarminister. Und die sind nicht mehr als eine von drei Parteien, die sich nun – als aktuelles Ziel wird Juni genannt – im sogenannten Trilog mit Parlament und Kommission auf eine Reform einigen müssen. Dass das noch spannend werden könnte, zeigen Reaktionen von Nicht-Agrariern im Parlament. Die geißeln die mögliche Anrechnung von Umweltprogrammen im Greening als „Doppelförderung“ und zeigen sich über die Reduzierung der Ökoflächen verärgert. Beide Themen werden wohl zu den Knackpunkten in den Verhandlungen.
Salzburger Nachrichten - 21. März 2013
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