Donnerstag, 21. März 2013
Europas Fall
Der neue Papst kommt aus Südamerika. Erstmals. Und viele sagen Gott sei Dank. Dort lebt die katholische Kirche, dort ist sie stark verankert, dort will man längst gehört und beachtet werden. Für die Weltkirche ist das, so hoffen viele, ein Quantensprung.
Damit wird nun auch im kirchlichen Kosmos nachvollzogen, was sich in der säkularen Welt längst vollzieht. Der alte Kontinent verliert rasant an Gewicht, an Bedeutung und an Einfluss. Die Welt wendet sich von Europa ab. Die Zentren der politischen und der wirtschaftlichen Macht verschieben sich. Einstige Dritte-Welt-Staaten wuchsen in den vergangenen Jahrzehnten zu innovativen Industriestaaten heran. Brasilien gehört zu den großen Wirtschaftmächten. Wie längst auch Indien und China, in denen fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt. Südostasien beliefert die Welt mit Autos, Computern und Handys. Der arabische Raum ist abseits der Krisenregionen eine wichtige Drehscheibe geworden. Und Afrika auch. Auf dem internationalen Parkett in Politik und Wirtschaft treten Länder und Regionen wie diese mit einem völlig neuen Selbstbewusstsein auf.
In Europa aber ist man in und mit sich selbst gefangen, paralysiert regelrecht. Ohne Energie, ohne gemeinsame politische Führung ist man nahezu ausschließlich mit eigenen Problemen beschäftigt, die jede Kraft nehmen, auf die weltweiten großen Veränderungen zu reagieren. Der Euro, die Arbeitslosigkeit, die hohen Kosten, die viele Bürokratie, die vielen Auflagen und Einschränkungen - Europa stranguliert sich selbst, während die Welt voller Aufgaben und Herausforderungen ist, die Chancen über Chancen bietet.
Europa aber, bis über die Ohren mit sich selbst beschäftigt, ist unfähig diese zu erkennen und - das vor allem - zu nutzen. Würde es das, hätte es viel weniger Probleme. Stattdessen steckt man alle Energie darein, das in der Vergangenheit Angehäufte zu retten und zu verteidigen.
Europas Unvermögen mit den internationalen neuen Strömungen zurechtzukommen kulminiert in der Ausformung der Europäischen Union. Statt alles daran zu setzen, ihr eine durchgängige und leistungsstarke Struktur zu verpassen, tun die Staaten alles, um genau das zu verhindern. Wohl mit dem Hintergedanken, die eigenen Interessen nicht einschränken zu lassen, oder aus dem schlichten Misstrauen denen gegenüber, die eigentlich Partner sein sollten.
Großbritannien macht es vor und viele andere machen es nach. Der ungarische Ministerpräsident Orbán und seine jüngsten Aktionen sind ein Beispiel dafür. Seine Kollegen in Rumänien auch und auch die in Bulgarien. Politik, wie sie dort betrieben wird, nimmt den Menschen und den Unternehmen jedes Vertrauen und jeden Schwung.
Die EU und ihre Führung aber ist zu schwach das zu ändern. Ganz im Gegenteil. Solche Methoden scheinen als Vorbild für Rettungspakete Gefallen zu finden, wie sie dieser Tage für Zypern geschnürt wurden. Was in Ungarn die Rückforderung der Grundstücke, ist dort der Zugriff auf die Sparkonten. Beides ist unerhört und treibt die EU nur in eine noch größere Vertrauenskrise.
Europa ist dabei sich zu demontieren. Man ist satt, unwillig und egoistisch. Verwöhnt über Jahrzehnte hat man den Blick für die Zusammenhänge und das Verständnis fürs Notwendige verloren. In den Führungsetagen der Politik genauso, wie an den Fließbändern in der Fabrik, auf den Äckern, in den Schulen, schier überall. Man will nur hören, was man hören will, man glaubt auf das einen Anspruch zu haben, was man hat und man ist bereit, denen zu folgen, die einem nach dem Mund reden.
In Europa ist niemand hungrig danach Neues zu schaffen und Chancen zu nützen. Hier werden keine Wege frei gemacht, damit etwas erreicht werden kann. Hier legt man viel lieber allen Steine in die Wege, die etwas erreichen wollen, baut lieber bürokratische Labyrinthe auf, als dass man jemanden unterstützt in seinen Bemühungen. In den Staaten und Weltregionen, die dabei sind, das Heft an sich zu ziehen, ist das anders. Dort wollen die Menschen etwas vom Leben. Dort sind sie auch bereit, viel auf sich zu nehmen. Dort zieht man an einem Strang, dort gibt es große Ideen, die Orientierung geben.
Das alles ist in Europa verloren gegangen. Hier nörgelt man, hier bremst man, hier klammert man. Hier steckt man den Kopf in den Sand. Viele Menschen in Griechenland, in Spanien, in Italien oder neudrings in Zypern müssen gerade schmerzhaft am eigenen Leib erfahren, dass das nicht die Strategie ist, mit der Europa Zukunft hat.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. März 2013
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