Samstag, 2. März 2013
Handel beginnt umzudenken
Preisschlachten drücken auf die Qualität, Molkereien bangen um den Rohstoff
HANS GMEINER Salzburg (SN). Angesichts der immer neuen Lebensmittelskandale macht sich auch im heimischen Lebensmittelhandel ein neues Denken breit. Bei einer Tagung des Fachmagazins „Regal“ ließ Erich Schönleitner, Geschäftsführer der Pfeiffer-Gruppe, nach der Zielpunkt-Übernahme, die Nummer vier im Lebensmittelhandel, aufhorchen. „Wir verkaufen alle Molkereiprodukte unter ihrem Wert“, scheute er keine offenen Worte. Angesichts der ständigen Preisschlachten forderte er seine Kollegen von der Konkurrenz auf, bei allen Lebensmitteln dem Wert und der Wertschöpfung bei der Gestaltung der Preise größeres Augenmerk zu schenken. „Solange die Preise niedriger sind als die Wertschöpfung, dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Qualität nicht passt“, sagte er. „Irgendwo muss das Defizit ja ausgeglichen werden.“ Sein Schluss daraus: „Wenn wir alle oberhalb der Wertgrenze arbeiten, gibt es all die Diskussionen wie jetzt ums Pferdefleisch, um die Eier und um die Etikettierung nicht.“
Schönleitner betonte: „Jeder braucht Ertrag und jeder hat Kosten. Das sollte man untereinander kommunizieren.“ Dagegen stünden aber „viele populistische Rechtsströmungen“. Aus seiner Sicht ist das Kartellrecht überzogen. „Wo ist die Anti-Dumping-Seite?“, fragte der Linzer Handelsmanager. „Wenn das austariert wäre, würde die Wertschöpfungskette eine bessere sein.“
Auch Alfred Propst von Rewe übte Selbstkritik. „Wir tun so, als ob wir österreichische Produkte nur deshalb verkaufen würden, um der österreichischen Landwirtschaft und den Molkereien zu helfen“, sagte er. „Das stimmt ja alles gar nicht, die Konsumenten wollen das.“
Spar-Chef Gerhard Drexel hält am Bild vom der Landwirtschaft wohlgesinnten Handel fest. „Wir könnten vieles aus dem Ausland viel billiger beziehen“, sagte er. „Wir sind da, um die heimische Landwirtschaft zu forcieren, die Bauern und die Molkereibetriebe.“ Er verstehe das Verhandeln mit den Molkereien – bei dem Spar besonders gefürchtet ist – als „Pingpongspielen“.
In diesem Spiel sehen sich Molkereien und Bauern derzeit freilich im Hintertreffen und fordern eindringlich Verständnis für ihre Situation. „Wenn wir den Rohstoff verlieren, ist es um die Regionalität und die beliebte heimische Qualität bald geschehen“, sagte Alpenmilch-Salzburg-Chef Christian Leeb. Weil in Deutschland mehr gezahlt wird, sehen sich die Molkereien erstmals seit Jahren mit dem Thema Abwanderung der Lieferanten konfrontiert. Die Liefergemeinschaft Alpenland aus dem Innviertel akquiriert kräftig für deutsche Molkereien und will in den nächsten Monaten das Liefervolumen von 70 Millionen Kilogramm auf mehr als 100 Millionen Kilogramm erhöhen.
Salzburger Nachrichten Wirtschaft, 1. März 2013
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