Donnerstag, 8. August 2013
Die neue Obrigkeit
Das Ross ist hoch, auf dem der heimische Lebensmittelhandel sitzt. "Die Preise werden nur dann erhöht, wenn die Hersteller nachweisen können, dass dies aufgrund erhöhter Kosten notwendig ist“, ließ man wissen, als jüngst die Bauern mehr Geld für ihre Produkte einforderten.
Mehr als zwanzig Jahre nach Ende der amtlichen Preisfestsetzungen für Lebensmittel scheint in Österreich alles wieder beim Alten zu ein. Mit einem gravierenden Unterschied freilich. Mussten seinerzeit die Bauern Gewerkschaftsboss Anton Benya und Wirtschaftskammer-Chef Rudolf Sallinger und die Ihren davon überzeugen, dass sie wegen einer Dürre höhere Preise für ihr Getreide brauchten oder wegen der erhöhten Futterkosten mehr Geld für die Milch, so sind es heute die Herren der Handelsketten, die das von ihnen verlangen.
Dabei glaubte man dieses System der Bittstellerei und obrigkeitlichen Preisfestsetzungen längst im Orkus der Geschichte verschwunden. In Österreich aber ist es längst durch die Hintertür wieder zurückgekehrt. Die neue Obrigkeit sind die drei, vier großen Handelskonzerne, die sich fast 90 Prozent des heimischen Marktes aufteilen. Sie sagen, was geht und was nicht geht. Oft starr, streng, unerbittlich und für viele Branchen übermächtig.
Früher bestimmten Benya und Sallinger darüber, wieviel Geld etwa die Bauern bekamen und was sie tun und nicht tun durften, jetzt ist es der Lebensmittelhandel. Wer da nicht spurt, hat es schwer in diesem Land. Alternativen gibt es kaum.
Die Handelskonzerne haben es sich fein eingerichtet in Österreich. Längst ist das Land zwischen Bodensee und Neusiedler See in ihrem Spinnennetz gefangen. Mit ihren Geschäftskonzepten haben sie ganze Branchen gekapert. Die Landwirtschaft gehört dazu, die Bäckereien, das Fleischgeschäft und viele andere auch. Mit ihren Marktkonzepten haben sie unter dem Denkmantel der Kundenfreundlichkeit und vorgeblichen Partnerschaften mit allem und jedem die Topographie Österreichs und das Lebensumfeld vor allem auf dem Land nachhaltig verändert. Mit den Märkten lockte man die Kundschaft aus den Dörfern hinaus an die Ortseinfahrten und an die Ränder der Städte und zerstörte mit Lockangeboten und Aktionen in vielen Regionen Nahversorgungsstrukturen in einem Ausmaß, dass das vielerorts längst ein politisches Problem von großem Ausmaß ist.
Die Macht, die sie dabei angehäuft haben, ist in Österreich wegen der hohen Marktkonzentration kaum mehr zu kontrollieren. Die heimische Wettbewerbsbehörde, die das seit geraumer Zeit versucht, scheint auf verlorenem Posten zu stehen. Millionenstrafen werden mit einem Achselzucken hingenommen. Ruhig bleiben und keine Reaktionen zeigen, scheint die oberste Devise zu sein - und weitermachen wie bisher.
Den Handelskonzernen ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, in Österreich eine Machtposition aufzubauen, die ihresgleichen sucht. Man ist nachgerade unantastbar geworden. Jenen, die wie die heimischen Erzeuger und Verarbeiter von Lebensmitteln auf sie angewiesen sind, bleibt nichts anders als zu schweigen. Alles andere würde schnell zu einem wirtschaftlichen Selbstmordkommando.
Denn um sie ist nicht herumzukommen. Sie reißen immer mehr an sich und verstehen es blendend, immer und auf allen Ebenen als die dazustehen, die nichts als das Wohl der Kundinnen respektive der Kunden fest im Auge haben. Sie haben keine Scheu, sich als beinharte Diskonter mit Billigstprodukten darzustellen, wenn es darum geht, als Kämpfer für niedrige Lebensunterhaltskosten Image zu machen. Sie loben Qualität aus Österreich aus, wenn es sich ihrer Ansicht nach schickt, und lassen sich dafür feiern, heimische Produkte zu forcieren. Und sie kommen als die Umweltschützer und Schirmherren der Biolandwirtschaft daher, die genau wissen, was die Bauern zu tun hätten. Und das alles innerhalb einer Postwurf-Aussendung in eines Regal-Meters.
Wie das alles unter einen Hut geht, wenn man im Diskont dafür sorgt, dass der Preisdruck hoch ist und industriellen Produktionsformen Vorschub leistet, während man im Bio-Segment ebendiese als Fehlentwicklung geißelt? "Kinder sind auch unterschiedlich“, heißt dann die nonchalante Erklärung dafür, auf allen Ebenen abzukassieren. Das passt zur Feststellung, dass die Preise nur dann erhöht werden, wenn die Hersteller nachweisen können, dass die aufgrund erhöhter Kosten notwendig ist. Beim Taschengeld für Kinder ist das ja auch nicht anders.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. August 2013
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