Dienstag, 27. August 2013

Kataloge des Versagens


 
Die ersten Plakate hängen. Der alte weißhaarige Herr machte den Anfang. "Aufrichtig" zu sein stellt er denen in Aussicht, die ihm ihre Stimme geben, "Frank" eben. "Weniger belämmert als die anderen zu sein", versprechen die Grünen, "Genug gezahlt" befindet das BZÖ und "Liebe deinen nächsten", empfiehlt die FPÖ doppelzüngig. "Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz" verspricht die SPÖ. Und die ÖVP meint, dass Österreich den Entdeckern gehöre.

Ja eh. Aber wen wählen?  Ein großer Teil der Österreicherinnen und Österreicher weiß es noch nicht. Noch immer nicht. Ihre Unsicherheit ist nachzuvollziehen. Insbesondere, was jene betrifft, die damit hadern, der SPÖ oder der ÖVP ihre Stimme zu geben. Denn während die Oppositionsparteien mit dem Bonus der Unschuld antreten, weil sie in keiner politischen Verantwortung stehen, ergo auch nichts falsch gemacht haben können, sind die Wahlprogramme der beiden Regierungsparteien, wenn man sie denn ernst nimmt, bei Licht betrachtet nichts anderes als Kataloge ihres Scheiterns.

Wenn die ÖVP zum x-ten Mal ein Familienprogramm propagiert, zeigt das nichts anderes, als dass sich die in den vergangenen Jahrzehnten vorgeschlagenen Maßnahmen als untauglich erwiesen und immer noch hoher Handlungsbedarf besteht. Nicht anders verhält es sich, wenn die Sozialdemokraten mehr Gerechtigkeit einmahnen und "Arbeit und gerechte Löhne für alle" fordern und ihre Vorfeldorganisation, die Arbeiterkammer, feststellt, wie ungleich die Vermögen in Österreich verteilt sind.

So gesehen ist die Liste des Versagens lang. Angesichts der Ernsthaftigkeit mit der vom p.t. Wahlpublikum eingefordert wird, die Wahlversprechen für bare Münze zu nehmen entbehrt sie nicht eines gewissen Amusements, soferne man nicht der Verärgerung respektive Verwunderung über soviel Chuzpe anheim fällt.

"Mehr Leistung und ein übersichtlicheres System", fordert etwa die ÖVP in der Familienförderung, "Ein Pensionsrecht für alle", den Ausbau der Berufsorientierung in den Schulen und die Schaffung von Einstiegshilfen in das Arbeitsleben. Man verspricht eine Mittelstandsfinanzierung durch Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft zu erleichtern und zu forcieren, über die Private direkt an der Entwicklung von KMU teilhaben können, und stellt in Aussicht im Rahmen eines "Programms zur Entfesselung der Wirtschaft" den Abbau bürokratischer Hürden und eine Jungunternehmeroffensive umzusetzen. Ganz so, als ob man nichts mit dieser Thematik zu tun gehabt hätte und nicht seit Jahr und Tag das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium dazu in schwarzen Händen sind. In die gleiche Kategorie fällt das Versprechen Unternehmensgründungen durch den Abbau von Bürokratie zu erleichtern. Gar nicht zu reden von des ÖVP-Obmannes vollmundigen Versprechen 420.000 neue Arbeitsplätze bis 2018 zu schaffen.

Um keinen Deut vertrauensbildender nimmt sich aus, wenn sich die SPÖ trotz Jahrzehnten an der Macht immer noch genötigt sieht, die Forderung nach "Arbeit und gerechte Löhne für alle" einmahnen zu müssen. Nicht anders verhält es sich mit dem Ruf nach gleichen Lohn für gleiche Arbeit und einem gemeinsamen Arbeitsrecht für alle. Wenn man das bisher nicht geschafft hat, sollte man eigentlich in sich gehen und sich ein bisserl schämen, zumal dann ,wenn man gerne großspurig und besserwisserisch auftritt. "Heizung für all leistbar machen" fällt genauso in diese Kategorie wie das Projekt  73 in den Bundeskanzlers Katalog für Österreich. "Aktiv in die Arbeit der Vereinten Nationen einbringen" nimmt man sich dort vor. Was hat man denn bisher getan, muss man sich da wohl fragen.

Und das nicht nur, wenn es um das Engagement bei den Vereinten Nationen geht. Angesichts vieler Wahlversprechen fragt man sich: Was haben SPÖ und ÖVP in den vergangenen Jahren gemacht? Wozu war die große Koalition gut, die immer mit der ihr angeblich innewohnenden Entscheidungskraft begründet wurde?

Wenn sie wirklich so wenig zusammengebracht haben, wie sich das als Umkehrschluss aus den Wahlforderungen der beiden Regierungsparteien ergibt, dann ist niemandem von denen, die derzeit zaudern und zögern, zu verübeln, dass sie mit dem Gedanken spielen, es einmal mit anderen zu versuchen. Vielleicht mit denen, die "weniger belämmert" sind, die versprechen "aufrichtig" zu sein oder gar mit denen, die das Wort Nächstenliebe im Mund führen. 

Ob sie damit besser fahren, als mit Schwarz oder Rot steht freilich auf einem anderen Blatt.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. August 2013

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