Die ersten Plakate hängen. Der alte weißhaarige Herr machte
den Anfang. "Aufrichtig" zu sein stellt er denen in Aussicht, die ihm
ihre Stimme geben, "Frank" eben. "Weniger belämmert als die
anderen zu sein", versprechen die Grünen, "Genug gezahlt"
befindet das BZÖ und "Liebe deinen nächsten", empfiehlt die FPÖ doppelzüngig.
"Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz" verspricht die SPÖ. Und die ÖVP
meint, dass Österreich den Entdeckern gehöre.
Ja eh. Aber wen wählen? Ein großer Teil der
Österreicherinnen und Österreicher weiß es noch nicht. Noch immer nicht. Ihre
Unsicherheit ist nachzuvollziehen. Insbesondere, was jene betrifft, die damit
hadern, der SPÖ oder der ÖVP ihre Stimme zu geben. Denn während die
Oppositionsparteien mit dem Bonus der Unschuld antreten, weil sie in keiner
politischen Verantwortung stehen, ergo auch nichts falsch gemacht haben können,
sind die Wahlprogramme der beiden Regierungsparteien, wenn man sie denn ernst
nimmt, bei Licht betrachtet nichts anderes als Kataloge ihres Scheiterns.
Wenn die ÖVP zum x-ten Mal ein Familienprogramm propagiert,
zeigt das nichts anderes, als dass sich die in den vergangenen Jahrzehnten
vorgeschlagenen Maßnahmen als untauglich erwiesen und immer noch hoher
Handlungsbedarf besteht. Nicht anders verhält es sich, wenn die
Sozialdemokraten mehr Gerechtigkeit einmahnen und "Arbeit und gerechte
Löhne für alle" fordern und ihre Vorfeldorganisation, die Arbeiterkammer,
feststellt, wie ungleich die Vermögen in Österreich verteilt sind.
So gesehen ist die Liste des Versagens lang. Angesichts der
Ernsthaftigkeit mit der vom p.t. Wahlpublikum eingefordert wird, die
Wahlversprechen für bare Münze zu nehmen entbehrt sie nicht eines gewissen
Amusements, soferne man nicht der Verärgerung respektive Verwunderung über
soviel Chuzpe anheim fällt.
"Mehr
Leistung und ein übersichtlicheres System", fordert etwa die ÖVP in der
Familienförderung, "Ein Pensionsrecht für alle", den Ausbau der
Berufsorientierung in den Schulen und die Schaffung von Einstiegshilfen in das
Arbeitsleben. Man verspricht eine Mittelstandsfinanzierung durch
Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft zu erleichtern und zu forcieren, über die
Private direkt an der Entwicklung von KMU teilhaben können, und stellt in
Aussicht im Rahmen eines "Programms zur Entfesselung der Wirtschaft"
den Abbau bürokratischer Hürden und eine Jungunternehmeroffensive umzusetzen.
Ganz so, als ob man nichts mit dieser Thematik zu tun gehabt hätte und nicht
seit Jahr und Tag das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium dazu in
schwarzen Händen sind. In die gleiche Kategorie fällt das Versprechen
Unternehmensgründungen durch den Abbau von Bürokratie zu erleichtern. Gar nicht
zu reden von des ÖVP-Obmannes vollmundigen Versprechen 420.000 neue
Arbeitsplätze bis 2018 zu schaffen.
Um keinen Deut vertrauensbildender nimmt sich aus, wenn sich
die SPÖ trotz Jahrzehnten an der Macht immer noch genötigt sieht, die Forderung
nach "Arbeit und gerechte Löhne für alle" einmahnen zu müssen. Nicht
anders verhält es sich mit dem Ruf nach gleichen Lohn für gleiche Arbeit und
einem gemeinsamen Arbeitsrecht für alle. Wenn man das bisher nicht geschafft
hat, sollte man eigentlich in sich gehen und sich ein bisserl schämen, zumal
dann ,wenn man gerne großspurig und besserwisserisch auftritt. "Heizung
für all leistbar machen" fällt genauso in diese Kategorie wie das
Projekt 73 in den Bundeskanzlers Katalog für Österreich. "Aktiv in die Arbeit der Vereinten Nationen einbringen"
nimmt man sich dort vor. Was hat man denn bisher getan, muss man sich da wohl
fragen.
Und das nicht nur, wenn es um das Engagement bei den
Vereinten Nationen geht. Angesichts vieler Wahlversprechen fragt man sich: Was
haben SPÖ und ÖVP in den vergangenen Jahren gemacht? Wozu war die große
Koalition gut, die immer mit der ihr angeblich innewohnenden Entscheidungskraft
begründet wurde?
Wenn sie wirklich so wenig zusammengebracht haben, wie sich
das als Umkehrschluss aus den Wahlforderungen der beiden Regierungsparteien ergibt,
dann ist niemandem von denen, die derzeit zaudern und zögern, zu verübeln, dass
sie mit dem Gedanken spielen, es einmal mit anderen zu versuchen. Vielleicht
mit denen, die "weniger belämmert" sind, die versprechen
"aufrichtig" zu sein oder gar mit denen, die das Wort Nächstenliebe
im Mund führen.
Ob sie damit besser fahren, als mit Schwarz oder Rot steht
freilich auf einem anderen Blatt.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. August 2013
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