Donnerstag, 7. November 2013
Sauwald ist überall
In den Gemeinden im oberösterreichischen Sauwald ist dem Vernehmen nach die Aufregung eine große. "Weil die Auflagen der Behörden nerven: Sauwald sagt Faschingsumzug ab", schreibt die regionale Tageszeitung. Mit der Einführung des neuen Veranstaltungsgesetzes 2011 seien für Faschingsumzüge die Bezirkshauptmannschaften zuständig und nicht mehr die jeweiligen Gemeinden, schreibt die Zeitung. "Seither macht eine Fülle von Auflagen das Organisieren von Faschingszügen beinahe unmöglich".
Statt einer einfachen Meldung brauche es nun Lokalaugenscheine, zu denen mitunter auch Beamte der Landesregierung aus dem fernen Linz anreisen, die Bezirkshauptmannschaft verfasse eigens Verordnungen zur Durchführung des Faschingszuges mit dutzenden Punkten, in denen die Auflagen detailliert aufgezählt sind und für all das würden auch noch Verwaltungskosten in der Höhe von fast 500 Euro fällig gestellt.
Der Sauwald ist überall im Land. Und es sind nicht nur die Bezirkshauptmannschaften, sondern auch oft die Gemeinden selbst, die nach allen Regeln der Verwaltungs-und Beamtenkunst gesellschaftlichen Initiativen und traditionsreichen Veranstaltungen das Leben mit ihren Vorschriften voller "Hinsichtl" und "Rücksichtl" das Leben schwer machen.
Da kommt es etwa vor, dass der alteingesessene Ball einer Landjugend-Gruppe, der sich über Jahrzehnte weit über die örtlichen Grenzen hinaus etablierte, vom kleinen Gründungsort in die Nachbargemeinde ausweichen muss. "Aber die Auflagen, die uns dort gemacht werden und was uns alles verrechnet wird, geht auf keine Kuhhaut", jammern die jungen Veranstalter nun. Dabei hatten sie eigentlich nicht anders im Sinn, als Schwung ins dörfliche Leben zu bringen, "wo doch eh alle jammern, dass nichts los ist". Wie es aussieht, werden sie wieder übersiedeln und wohl fürderhin in der nächstgelegenen Stadt ihr dörfliches Leben leben müssen.
Die Bürokratie und unbeugsame Bürokraten wollen es so. Dass Landflucht, das Aushungern der ländlichen Räume, das mangelnde gesellschaftliche Angebot und die schale Attraktivität vieler Regionen längst eines der brennendsten Problem des Landes sind, scheint sie nicht anzufechten. Sie nicht und auch die Politik nicht, die wortreich wie hilflos zuschaut, wie viele Vereine und Initiativen mit immer mehr Bürokratie abgewürgt werden.
Mit großer Lust an Paragrafen, Vorschriften und Auflagen scheint sich ein ganzes Land selbst zu strangulieren und das, was vom Landleben noch geblieben ist, ruinieren zu wollen. Vorschrift ist Vorschrift. Mit an Entmündigung grenzender Penetranz und Perfektion geht man dabei mitunter ans Werk, wenn es gilt, Vorschriften durchzusetzen. Ohne viel Augenmaß und Großzügigkeit. Und oft ohne viel Verständnis für die Sache.
Diese Regulierungswut ist ein Phänomen, das sich die Gesellschaft freilich zu einem guten Teil selbst zuzuschreiben hat, in der Rücksichtslosigkeit immer öfter zur Regel wird und in der man sich nach Möglichkeit um Verantwortung drückt. Es ist Teil des gutbürgerlichen Selbstbewusstseins, ohne Scham und Rücksicht, mit den richtigen juristischen Spitzfindigkeiten Unliebiges abzudrehen und alles und jedes an Möglichkeiten, das sich ergibt, auszureizen, wenn es darum geht, nur irgendeinen in Aussicht stehenden Erfolg einzuheimsen.
Genährt wird die Regulierungssucht freilich auch vom immer lauer werden gesellschaftlichen Zusammenhalt, respektive dem, was davon verblieben ist. Das Verständnis füreinander hat sich auch auf dem Land nicht nur zwischen Vereinen und Gruppen, sondern auch zwischen Menschen in den vergangenen Jahren stark verdünnt. Da will man sich viel eher nichts gefallen lassen, als dass man Dinge wie Lärm, parkende Autos oder Ähnliches auch nur für eine Nacht oder ein Wochenende in Kauf nimmt.
Und genährt wird das Phänomen mitunter freilich auch von den Veranstaltern und Vereinen selbst, die zuweilen die Grenzen nicht mehr zu erkennen vermögen, und aus einfachen Wiesenfesten ohne Rücksicht auf die Umgebung mehrtägige Events mit allem Trara machen.
Vieles was ist, muss nicht sein. Auf allen Seiten. Darum sollte man herunter vom Gas. Auch auf allen Seiten. Sonst zerstört man das Landleben und die Gemeinschaft, auf die man gerade in den ländlichen Gemeinden angewiesen ist, vollends. Und das will wohl auch niemand.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. November 2013
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