Donnerstag, 14. November 2013
Taub, blind - und selig
Von einem neuen Stil redete man, von einem Neustart und davon, dass alles anders werde. Wenige Wochen nach der Wahl und noch lange vor der Bildung der neuen Regierung häufen sich aber indes die Unappetitlichkeiten in einem bisher noch selten da gewesenen Ausmaß. Schlechter ist etwas, was als Neustart ausgerufen wurde, wohl niemals gelaufen.
Übertraf man sich vor wenigen Monaten noch mit Versprechungen, machte dem Wahlvolk mit einer möglichen Steuerreform die Münder wässrig und türmte Ankündigungen auf, die alles zusammen mehr als 20 Milliarden Euro kosten würde, so starrt nun seit Tagen das ganze Land in ein Budgetloch bisher ungekannten Ausmaßes. Ist es 20 Milliarden, 30 Milliarden oder gar 40 Milliarden Euro groß? Warum wird das erst jetzt ruchbar? Warum gab es den Kassasturz nicht schon vor den Wahlen? Warum liegt man so weit daneben? Und wie kommen wir erst zu Konzepten, um diese Misere in den Griff zu bekommen?
Oder ist alles nur taktische Panikmache?
Niemand weiß es. Und niemand schämt sich dafür. Die verantwortlichen Politiker tun überrascht. Wie sehr sie sich, ihre Fähigkeiten und ihre Profession damit bloß stellen, scheint sie nicht groß zu kümmern. Und schon gar nicht, dass der Kassasturz, von dem man redet, nach Jahren des gemeinsamen Regierens eigentlich nichts als peinlich und die Manifestation des Schlendrians in der österreichischen Politik ist. Man taktiert, kalmiert und trickst wie gehabt.
Dem Volk bleibt nichts anderes als ihnen zornbebend zuzuschauen, muss es doch fürchten, für die Blauäugigkeit und Kaltschnäuzigkeit jener, denen sich noch vor wenigen Wochen ihre Stimmen gaben, auf Jahre und Jahrzehnte hinaus büßen zu müssen - "bestochen und belogen", wie das die nicht minder angesäuerten Innenpolitik-Kommentatoren nennen.
Neuer Stil? Von wegen! Das vom Himmel gefallene Budgetloch, ohnehin keine Petitesse, ist ja nicht das einzige, mit dem sich die heimische Politik wieder selbst vorführt, alle Versprechungen zur Makulatur macht und ihre Glaubwürdigkeit, die zu verbessern sie noch vor kurzem so wortreich gelobte, noch tiefer in den Graben fährt.
Scheibchenweise kommen in diesen Wochen die Ungeheuerlichkeiten und Unglaublichkeiten daher. Da ist die Analyse, dass sich der bisherige Weg, die Penisonsproblematik in den Griff zu bekommen, als einigermaßen untauglich erweist, was für das Land zu einer milliardenschweren Belastung über Jahrzehnte wird. Da verheddert sich der neue Salzburger SPÖ-Obmann mit seiner Forderung nach einem Ausgleich der finanziellen Verluste, die ihm das Ausscheiden aus dem Regierungsamt bescherte, dann verlangte Josef Cap nämliches um seinen Wechsel von der Spitze des SP-Klubs in die Akademie seiner Partei abzufedern. 14.000 Euro seien gerechtfertigt, der neue Job sei ja durchaus mit Arbeit verbunden. So reden Leute, die längst abgehoben sind und die jeden Bezug zur Wirklichkeit draußen verloren habe. So etwas ist vor dem Hintergrund der Sozialdemokratischen Partei Österreichs und ihrer Ziele und aktuellen politischen Forderungen so unfassbar wie unentschuldbar.
Dazu passt, dass in diesen Tagen ruchbar wurde, dass manche Nationalbank-Pensionisten mit einer monatlichen Pension von mehr als 30.000 Euro spazieren gehen, freilich wohl nicht um die Tauberln im Beserlpark zu füttern.
Neuer Stil? Von wegen! Österreich wie es leibt und lebt möchte man sagen. So wie's immer war. Und, siehe oben, ganz offensichtlich keine Hoffnung, dass es bald anders wird.
Das Land hält sich immer noch für eine Insel der Seligen. Die Politiker tun es, und seine Bewohner auch. Just in diesen Wochen, als die Ungeheuerlichkeiten scheibchenweise in die Schlagzeilen kamen, vermeldete die OECD "Trotz Krise sind die Österreicher zufriedener". In Österreich habe der Anteil jener, die zufrieden mit ihrem Leben sind, zwischen 2007 und 2012 von 66 auf 75 Prozent zugenommen. Und nicht nur das. Mit der Regierung zeigten sich zu Beginn dieser Periode nur 26 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher zufrieden, am Ende, 2012, waren es 32 Prozent.
Wenn das so ist, hat man Budgetloch, Cap, die Nationalbank-Pensionisten und all die anderen Gräuel ganz offenbar verdient, und Österreich ist wirklich eine Insel der Seligen. Die freilich sind wohl nicht weniger taub und blind für die Wirklichkeit, als jene, von denen sie sich regieren lassen.
Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 14. November 2013
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