In den Brieftaschen der Bauern
wirken sich Preissenkungen heftig aus, in jenen der Konsumenten oft
gar nicht.
Die Unterschriften unter den neuen Milchlieferverträgen mit den Molkereien waren noch nicht trocken, da senkten einige große österreichische Milchverarbeiter mit Beginn des neuen Milchwirtschaftsjahres am 1. April die Preise um ein bis zwei Cent je Kilogramm auf knapp unter 40 Cent. „Saisonbedingt“, lautete die Begründung. Wenn es frisches Futter gibt, geben die Kühe mehr Milch. Zudem erhöhten viele Bauern wegen der guten Preise in den vergangenen Monaten die Milchproduktion. Beides drückt die Preise. Die Konsumenten spüren davon freilich nichts. „Milch ist ohnehin sehr günstig“, heißt es bei den Molkereien, deren Ertragslage angespannt ist und die jeden Cent brauchen. „Unsere Molkerei-Abgabepreise sanken in den vergangenen Jahren, während der Verbraucherpreisindex anstieg.“ Viele Produkte seien sogar billiger als vor 20 Jahren.
Für die Bauern hingegen hat es auch diese relativ geringe Preissenkung in sich. Denn in ihren Brieftaschen wirkt sie sich recht heftig aus. „Bei einem durchschnittlichen Milch-Spezialbetrieb mit 17 Kühen machen die jüngsten Preissenkungen mancher Molkereien ein Einkommensminus von rund neun Prozent aus“, sagt Branchenexperte Leopold Kirner von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik. „Das ist prozentuell mehr als doppelt so viel, wie die Senkung der Erzeugermilchpreise ausmachte, und zeigt, dass die Produktpreise trotz der Ausgleichszahlungen und Förderungen für die bäuerlichen Einkommen von enormer Bedeutung sind.“ Der Wissenschafter ist überzeugt davon, dass die Preise noch wichtiger werden.
Während die öffentlichen Gelder in der Höhe von rund 18.000 Euro beim Durchschnittsmilchbauern unverändert bleiben, bleiben nach der jüngsten Preissenkung direkt aus der Milchproduktion statt rund 8000 nur mehr 5700 Euro. „Unterm Strich wird damit aus der Senkung des Erzeugermilchpreises um drei, vier Prozent für die Bauern ein doppelt so hoher Einkommensrückgang“, rechnet Kirner vor. „Es sei denn, auch das Futter wird um den gleichen Prozentsatz billiger, was freilich nie gleichzeitig der Fall ist.“
In anderen Produktionszweigen läuft es nach dem gleichen Muster. Praktisch überall schlagen sich Preissenkungen in überproportionalen Einkommensverlusten nieder. Das macht verständlich, warum die Bauern trotz der Ausgleichszahlungen und Förderungen bei den Verarbeitern und beim Lebensmittelhandel auf gute Preise pochen.
Dennoch relativiert Kirner. Der Preis sei nur ein Faktor von vielen. „Einen großen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg etwa bei Milchbauern haben auch die Produktionstechnik, die Grundfutterqualität und die Abschreibungen“, sagt er. Günstiges Bauen, billige Technik und hohes Maß an Eigenleistung zeigen sich laut Kirner als die wichtigsten Erfolgsfaktoren in der Milchwirtschaft. „Der Unterschied macht oft Welten aus.“ Betriebsauswertungen ergaben, dass unter vergleichbaren Bedingungen den gut wirtschaftenden Milcherzeugern doppelt so viel bleibt wie ihren Kollegen.
Die anstehende Liberalisierung des europäischen Milchmarktes wird jedenfalls eine Riesenherausforderung. „Denn im internationalen Vergleich haben unsere Milcherzeuger eine sehr geringe Arbeitsproduktivität“, sagt Kirner.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 26. April 2014
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