Donnerstag, 26. Juni 2014

Der Bauernhof wird zum Pflegeplatz



Therapie, Pflege, Pädagogik und soziale Dienste in Verbindung mit Natur und Tieren liegen im Trend. Die Bauern setzen alles daran, ihn zu nutzen.

Hans Gmeiner Salzburg. „Ja zum Mitanand“ heißt das Projekt, für das in Vorarlberg derzeit Bauern gesucht werden, die auf ihren Höfen Menschen mit Beeinträchtigungen beherbergen oder für sie sogar betreutes Wohnen anbieten wollen. Unterstützt wird das durch Caritas und Lebenshilfe. Diese neue Möglichkeit der Einkommensgestaltung könne sich auszahlen, wirbt die regionale Landwirtschaftkammer in ihrer Zeitung. „Da sieht man, wie Green Care funktioniert und Landwirtschaft und der Sozialbereich zusammenwachsen können“, freut sich Nicole Prop von der Landwirtschaftskammer. Bauernhöfe und ihr Umfeld sollen unter dem Titel Green Care verstärkt auch als Platz für soziale Angebote wie Seniorenwohnungen, für Tier- und Heilpädagogik und soziale Arbeit genutzt werden. Seit drei Jahren treibt Prop für die Landwirtschaftskammern das Projekt voran, das zum Ziel hat, die Land- und Forstwirtschaft, den Sozialbereich, aber auch pädagogische Angebote zu verknüpfen und so neue Einkommensmöglichkeiten für die Bauern zu schaffen.

Schon jetzt gibt es in ganz Österreich eine Reihe von Projekten, die zeigen, dass Green Care kein Luftschloss ist. Auf dem Adelwöhrerhof am Triebener Tauern in der Steiermark etwa werden Behinderte betreut. In Oberösterreich gibt es den Franzlhof, auf dem ein Bauernhof-Kindergarten eingerichtet wurde. In Wien bieten Höfe tiergestützte Therapie und Pädagogik an und in der Stadt Salzburg gibt es den „Stadtstall“. Dort können Kinder und Jugendliche die Landwirtschaft kennenlernen und sich mit der Natur und ihren Produkten auseinandersetzen. Schon bald sollen Aus- und Weiterbildungsangebote dazukommen. Das Interesse in der Landwirtschaft ist groß.

Für die Bauern soll Green Care, ähnlich wie Urlaub am Bauernhof, zu einer Einkommensalternative werden. „Wir haben bereits mehr als 400 ernsthafte Anfragen von bäuerlichen Betrieben, die sich für Green Care als neuen Betriebszweig interessieren“, sagt Prop, „das zeigt, dass das Ding abhebt.“

An 30 Projekten wird bereits ganz konkret gerechnet und konzipiert. Übereilen will man dabei nichts. „Wir wollen gemeinsam mit den Bauern und den interessierten Organisationen Projekte entwickeln, die Hand und Fuß haben“, erklärt Prop. „Wir möchten auf keinen Fall in irgendeinen undurchsichtigen Graubereich geraten, sondern streben eine professionelle Umsetzung der Pläne an.“

Schritt für Schritt wurden in den vergangenen zwei Jahren seit der offiziellen Präsentation Strukturen für eine solide künftige Entwicklung geschaffen. In allen Bundesländern gibt es in den Landwirtschaftskammern inzwischen spezielle Green-Care-Berater. Klarheit geschaffen wurde in steuer-, sozial- und gewerberechtlichen Fragen ebenso wie in Sachen Haftpflicht und Gebäude- und Grundstückswidmung. In der Arge Green Care Österreich sind inzwischen auch alle interessierten Einrichtungen von der Arbeiterkammer Wien über die Behindertenanwaltschaft bis zur Landwirtschaftskammer Österreich in das Projekt eingebunden.

Auch in der Ausbildung ist man dabei, maßgeschneiderte Strukturen aufzubauen. An der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien wird seit dem Vorjahr ein eigener Masterlehrgang Green Care angeboten, an der FH Campus Wien gibt es Lehrveranstaltungen. Ausgebaut werden soll auch das Kurs- und Informationsangebot der Landwirtschaftskammern. Und an der Fachschule Gaming in Niederösterreich wird die neue Landwirtschaftssparte ab Herbst zu einem eigenen Schwerpunkt gemacht.

Rückenwind gibt es auch von politischer Seite. Für Green Care ist in der EU-Agrarreform im Rahmen der Ländlichen Entwicklung die Bereitstellung von Geldern vorgesehen. „Wie viel das wirklich sein wird, ist derzeit noch offen“, sagt Prop. Allein, dass es Mittel geben soll, hält sie für einen wichtigen Fortschritt. Als nächsten Schritt strebt Prop eine eigene Zertifizierung für Green Care an. „Wo Green Care drauf steht, muss Green Care mit all seinen Grundsätzen drinnen sein“, sagt sie, „wir wollen keine Trittbrettfahrer.“

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 26. Juni 2014

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