Donnerstag, 5. Juni 2014

Nicht schon wieder



Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind geschlagen. Und es ist, als wäre der Stöpsel weg, der den Druck mühsam, aber doch einigermaßen unter Kontrolle gehalten hat. Jetzt geht es wieder rund in der heimischen Politik. Dabei ist es gerade einmal ein halbes Jahr her, dass die beiden Koalitionspartner das Regierungsabkommen, das eigentlich als Fahr-respektive Arbeitsplan für die kommenden fünf Jahre gedacht war, unterschrieben haben. Und schon ist es, als hätte es nie eine Einigung auf die Fortführung der Koalition und eine gemeinsame Politik gegeben.

Die Hackeln fliegen wieder tief. Seitenhiebe, Pöbeleien, Untergriffe und Hacheleien sind wieder Teil des Alltags-Politgeschäftes. Worauf man sich in den Regierungsverhandlungen geeinigt hat, ist, als wäre es vergessen und spielt keinerlei Rolle bei dem, was nun gefordert wird. Steuerreform und Vermögensbesteuerung sorgen für heftigste Turbulenzen. Ganz so, als ob nie etwas gewesen wäre. Das schlechte Wahlergebnis der SPÖ bei den Europawahlen und die anstehende Wien-Wahl lassen grüßen.

Vor diesem Hintergrund gerät alles zu Makulatur, was man ausgemacht hat. Zu Schnee und Schmäh von gestern. Da hat man nirgendwo mehr Scheu, den Gegner anzupatzen und untergriffig und mitunter weit entfernt von der Realität seinen Vorteil zu suchen. Statt zu arbeiten, respektive das Regierungsprogramm abzuarbeiten, fährt man wieder im Wahlkampfmodus. Mit einem Mal steht sogar ein Platzen der Koalition in Rede.

Da wie dort rumort es gewaltig. Bundeskanzler Faymann fehlt die Autorität, um in der von seinen Parteifreunden immer druckvoller geführten Diskussion um Reform des Steuersystems und Besteuerung von Vermögen die Oberhand respektive das Gesicht zu bewahren. Und Michael Spindelegger erlebt man kaum anders.

Das Bild, das die heimische Innenpolitik bietet, ist wieder so erbärmlich und abstoßend wie eh und je. All die, die nach den Nationalratswahlen im vergangenen Herbst auf eine Einkehr der Vernunft hofften, wurden aufs gröbste getäuscht und enttäuscht. Und das ist, das zeigt das Hauen und Stechen um EVP-Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker, kein österreichisches Phänomen. Überall stellt sich die Politik in ein denkbar schlechtes Licht - ohne Rücksicht darauf, was man mit diesem Verhalten schon längst angerichtet hat.

Warum das so ist, ist nicht zu beantworten. Es kümmert sich auch niemand ernsthaft darum. Man wirft diese Frage zwar gerne auf, ohne sich freilich gründlich mit ihr auseinander zu setzen. Stattdessen geht sie schnell den Weg aller Polit-Themen. Sie sorgt ein paar Tage lang für Schlagzeilen und verschwindet dann ungelöst im Orkus der öffentlichen Diskussion. Zahllos wie folgenlos sind die Erklärungen dafür, dass sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden. Und zahllos und folgenlos sind die Bemühungen das zu ändern.

Dabei stellt man mit diesem Verhalten nichts anders als die eigene Legitimation in Frage. Wer sich mit Wahlbeteiligungen rund um die fünfzig Prozent und noch weniger abfindet, gibt den Schnellen und den Lauten und denen mit viel Geld den Weg frei, ihre Vorstellungen und Pläne durchzusetzen. Fernab von demokratischen Strukturen, zumeist das Wohl und die wirtschaftlichen und politischen Interessen einiger weniger im Auge, ganz selten aber das Wohl der Gesellschaft insgesamt.

Und dabei geht es nicht allein um die Gefahr einer politischen Radikalisierung. Schon jetzt ist immer häufiger zu erleben, wie demokratische Strukturen umgangen werden, wenn es darum geht, missliebige Personen zu vertreiben, wirtschaftliche Interessen durchzusetzen und Gesetze auszuhebeln.

Facebook, Twitter und Co eröffnen völlig neue Möglichkeiten, auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen. Binnen Minuten sind Haltungen zu so genannten "Shitstorms" geformt, gegen die sich niemand helfen kann. Online werden im Nu zigtausende Unterschriften für Petitionen aufgestellt. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Und der Druck, der aufgebaut wird, kaum beherrschbar. Zumal dann, wenn er von auflagengierigen und unverantwortlichen Medien für den eigenen Vorteil genutzt wird.

Auch wenn das gerne zu dem, was die Leute wirklich wollen, erklärt wird - genau damit hat es nichts zu tun. Damit haben schon andere Schindluder getrieben. Und die könnten Wiedergänger haben.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Juni 2014

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