Donnerstag, 26. Juni 2014

Drinnen und draußen



Österreichs Paradewissenschafter, der Genetiker Josef Penninger, wurde heuer mit dem Wittgensteinpreis ausgezeichnet, dem höchsten Wissenschaftspreis Österreichs, dotiert mit 1,5 Millionen Euro. Die müssen in die Forschung fließen, nach freier Wahl des Ausgezeichneten. Dazu gab es für acht Nachwuchsforscher Start-Preise, die mit jeweils bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert sind.

Da staunt man ob der Summen, und man freut sich. Österreichs Wissenschaftsförderung hat auch etwas Herzeigbares. Hochqualifizierte Wissenschafter und Preise mit einer Dotierung, für die man sich international nicht zu verstecken braucht.  Die breite Öffentlichkeit hört selten davon. Wunder nimmt das nicht. Wissenschaft, hat in Österreich längst nicht mehr jene Stellung die sie noch Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts gehabt hat, als die Welt noch nach Wien schaute, um Neues und Bahnbrechendes zu erfahren.

Davon ist kaum mehr etwas übrig. Im breiten Publikum hat die Wissenschaft keinen hohen Stellenwert mehr, schon gar keinen herausragenden. Und schon gar, wenn es dabei auch noch um Grundlagenforschung geht. Man kann wenig mit dem anfangen, was die Forscher an den Universtäten, in ihren Instituten oder in den Unternehmen tun. Es wird als entrückt und weltfremd empfunden, als teuer und verbohrt zuweilen. Herr und Frau Österreicher fragen das schnell "Brauchma dös?"

Längst hat diese Haltung in der Politik ihren Niederschlag gefunden. Wissenschaft und die Grundlagen dafür, die Bildung, werden ausgedünnt und in politischen Grabenkämpfen zerrieben. Die Zahlen, die die Industriellenvereinigung zusammentrug, sprechen für sich. Und sie sind alarmierend. Anstatt sich dem Ziel, die Forschungsquote von drei Prozent des BIP im Rahmen des EU-Strategieprozesses Europa 2020 , dem man sich verschrieben hat, anzunäheren, entfernt man sich davon. "Seit dieser Zielsetzung hat Österreich zunehmend an Forschungsdynamik verloren und ist im europäischen Vergleich immer weiter zurückgefallen", lautet das vernichtende Urteil der Industrie.

Dabei gäbe es durchaus lobenswerte Ansätze. In Bereichen wie Technik, Physik oder in den Lebens- und Umweltwissenschaften wird international geachtete Spitzenforschung betrieben. An den Unis hat sich das Niveau der Grundlagenforschung stark erhöht. Wissenschafter kommen gerne nach Österreich um hier zu arbeiten. Die Lebensqualität ist verlockend, die Bedingungen passen in manchen Segmenten durchaus.

Freilich ist das viel zu selten der Fall. Die Bedingungen, unter denen hierzulande wissenschaftlich gearbeitet wird, sind nicht selten nur erbärmlich  zu nennen. Es fehlt an der nötigen Ausstattung, am Geld und am nötigen Umfeld. Denn dort hat viel zu oft, wie in so vielen Bereichen in Österreich, die Politik die Hand im Spiel. Und es fehlt natürlich auch an einem entsprechenden leistungsfördernden und beflügelnden Klima in Österreich, wo der Durchschnitt und die Ruhe das Maß aller Dinge sind.

Die reine Wissenschaft, man weiß es, hat da einen schweren Stand. Das freilich auch, weil dem hiesigen wissenschaftlichen Personal bis hinauf zur Professorenschaft nicht viel von dem eigen ist, was man Kampfgeist und Drang zur Selbstständigkeit nennt. Man versteckt sich allemal lieber im Elfenbeinturm, um das Leben unter seinesgleichen zu verbringen, als sich mit der Realität draußen und den dortigen Verhältnissen auseinander zu setzen. Viel zu selten geht man in die Öffentlichkeit, um mitzureden und Inputs zu geben. Das erspart man sich gerne. Aus Bequemlichkeit oder aus Angst vor Repressionen.

Dabei schreien viele Themen und Probleme regelrecht nach wissenschaftlicher Begleitung. Doch die gibt es nur selten. Schon gar die unabhängige Begleitung, lassen sich doch viele, die in der Wissenschaft arbeiten, aus welchen Gründen immer, zu schnell und zu gerne vor Karren von poltischen Parteien, von Unternehmungen, von NGO oder von anderen Einrichtungen spannen.

Es ist daher ein verstärktes öffentliches und unabhängiges Engagement einzufordern. Die ein, zwei Verfassungsrechtler, ein, zwei Politikwissenschafter, oder die ein, zwei Volkswirtschaftler, die immer und überall zu sehen, zu hören und zu lesen sind, sind zu wenig. Und auch ein Josef Penninger oder ein Anton Zeilinger.

Das ist schade. Und das ist auch in gewissem Maß unverantwortlich. Die Umstände dürfen angesichts der Verantwortung keine Ausrede sein, nichts zu sagen und keine Stellung zu beziehen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. Juni 2014

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