Mittwoch, 18. Juni 2014
Unternehmer als Bürokraten
Die Wirtschaft schimpft gerne über die Bürokratie und die Verwaltung. Über die vielen Vorschriften und Kontrollen, über Umstandsmeiereien, über Bevormundung und über die unnötigen Kosten, die dadurch entstehen. Man gibt sich gehemmt und gefesselt. Und gerne auch verbittert.
Der Beobachter versteht den Unmut. Man kennt die Sorgen schließlich. Aus eigenem Erleben. Mit der Verwaltung. Aber auch mit den Unternehmen. Denn woran man sich an Politik und Verwaltung so gerne reibt, ist auch in den Unternehmen nicht fremd. Auch dort verstehen sich viele auf Bürokratie in all ihren Ausprägungen und Verästelungen, die nicht nur eigenes Zeit und eigenes Geld frisst, sondern auch das, aber davon mag man gar nicht reden, der Kunden und Geschäftspartner. Hausgemacht und zuweilen mit hohem Potenzial, sich damit selbst ökonomisch zu strangulieren.
Ganz so eben, wie man es sonst der Verwaltung vorwirft.
Papierkram über Papierkram. Unterschriften über Unterschriften. Stempeln da und Stempeln dort. Und überall Laufzettel, Durchschläge und Kopien. Der bürokratische Wahnsinn reicht von der Gestaltung interner Abläufen bis zur Ausgestaltung von Produkten und den Verkehr mit den Kunden.
Dabei muss es noch gar nicht um den Abschluss einer Krankenversicherungs-Polizze gehen, mit seitenweisem Kleingedruckten, Hin- und Querverweisen, Spezialbegriffen und geheim daherkommenden Kürzeln, die für Leistungen stehen, die sich der p.t. Kunde mühsam zusammensuchen muss, für die Atteste beizubringen sind und allerhand andere Papiere. Da steht man oft schon reichlich betropitzt da, wenn man nur ein simples Ersatzteil für einen Computer, eine Landmaschine oder ein Einrichtungsstück will und staunt, wie umständlich und kompliziert man auch in Unternehmen arbeitet, die sich in Hochglanz-Prospekten so toll darstellen.
Mit welcher Wonne und Verachtung werden oft Käufer mit Reklamationen im Kreis geschickt, wie lange lässt man Kunden warten, die ein Entgegenkommen wollen. Geblockt von Sekretärinnen, abschätzig behandelt von Service -Mitarbeitern und von missmutigen Beratern oder versenkt in so genannten Service-Hotlines. Ganz so, wie man es von den Tinten-Hochburgen kennt, über die man sonst so gerne lästert.
Und erstaunlich ist es, wie sehr insbesondere Freiberufler ihre Kundschaft quälen können, zumal dann, wenn die kaum Möglichkeiten haben ihnen auszuweichen. Ärzte sind ein besonders ärgerliches Beispiel dafür. Da ist es in manchen Ordinationen immer noch üblich, dass sich Patienten im wahrsten Sinn des Wortes vor verschlossene Türen anstellen müssen, um, einer nach dem anderen, überhaupt einen Platz im Wartezimmer zu bekommen. Termine sind oft ohnehin nichts anderes als Schätzwerte und dem E-Mail-Verkehr verweigert man sich auch noch vielerorts sehr gerne. Da ist man allemal lieber das, was man sonst so gerne kritisiert -Amt. Und zwar oft von der allerübelsten Sorte.
In der Unternehmerschaft und bei den Freiberuflern ist man aber oft nicht nur auf diesem Auge blind. Auch wenn es um die Liberalisierung im eigene Umfeld geht, können jene, die sonst so gerne das Wort von der freien Unternehmerschaft im Mund führen, sehr schnell sehr kratzig werden. In diesen Monaten wehren sich gerade die Rauchfangkehrer und Apotheken gegen die Aufhebung des Gebietsschutzes. Die Trafikanten erfreuen sich eines ebensolchen, die Bestatter und einige andere Branchen. Wie auch die Notare. Geschützt, abgesteckt, sicher. Da kann man es sich, wie Notare, leisten, in oberen Stockwerken von Gebäuden ohne Lift und zuweilen auch in dunklen Gängen zu logieren. Der Kundschaft, und sei sie noch so betagt, bleibt nichts anderes übrig, als dorthin zu kommen. Und sei die Mühsal noch so groß. Sie muss.
Sie alle sind gut vertreten. Von Kammern. Von der Wirtschaftkammer, der Apothekerkammer, der Notariatskammer und all den anderen Kammern, die so gerne das Wort von der Freiheit im Mund führen, sich über die staatliche Bürokratie beklagen und der Entfesselung das Wort reden. Bei den anderen freilich. Nie bei sich selbst. Dabei sind sie oft nichts anderes als genau jene Tintenburgen und Bürokratiemonster, die zu beseitigen sie fordern. Damit beißt sich die Katze in den Schwanz. Und weil die Katzen das zeit ihrer Geschichte tun, ist wohl die Hoffnung gering, dass das mit der Bürokratie anders wird. Zumal dann, wenn es sich um österreichische Katzen handelt.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Juni 2014
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