Donnerstag, 2. Oktober 2014

Warum nur gemach?



Der Kanzler im sportlich-farbigen Hemd, sein Vize ohne Krawatte und der Finanzminister in einer legeren Freizeitjacke. Freude und Frohsinn allerorten. Man zeigte sich erleichtert, dass sich die Regierungsmitglieder bei ihrer Klausur Ende vergangener Woche nicht stritten. Geradezu erregt rapportierte man, dass sie auch abseits der Sitzungen ungeachtet der Parteizugehörigkeit zusammensaßen und miteinander redeten.

Das reicht in Österreich offenbar schon, um für gute Politik gehalten zu werden, einer Politik, der man vertrauen kann. Das zumindest legen die Reaktionen auf diese Veranstaltung am Fuße des Dachsteins nahe. Sie fielen durchwegs positiv aus. Kritische Stimmen waren praktisch nicht zu hören. Keine Aufreger, keine Aufregung.

Dass der Hut brennt, scheint allen einerlei. Dass die Konjunktur-Prognosen im Wochenrhythmus zurückgenommen werden, dass die Arbeitslosenzahlen zu explodieren drohen und auch dass ein paar hundert Kilometer von Österreichs Ostgrenze die politische Lage einem Pulverfass gleicht und die österreichische Wirtschaft bedroht ist. Es rührt die Innenpolitik nicht an. Nicht die in der Regierung und nicht die rundherum.

Eile, rasches Handeln gar, das die vielen Brandherde eigentlich nahelegen, hält man offenbar für nicht notwendig. Bis zum Frühjahr will man sich auf eine Steuerreform einigen, frühestens 2016 soll sie wirksam werden. Kein Wort davon, dass angesichts der konjunkturellen Entwicklung dringend politisches Handeln angesagt wäre. Keine Ideen, die diskutiert werden, was man gegen die wachsende Arbeitslosigkeit tun könnte. Ja nicht einmal die Forderung nach solchen Maßnahmen.

Über das Ringen um die Sicherung der aus der Steuerreform winkenden Gelder für die eigenen Wählerschichten hat man offenbar den Blick auf die Realität und die eigentlich gebotene Dringlichkeit zu handeln verloren. Wann, wenn nicht in einer Situation wie jetzt, ist politisches Handeln gefragt? Wann, wenn nicht jetzt, sind Ideen und Konzepte und eine möglichst rasche Umsetzung einzufordern? Nichts davon steht in Diskussion. Als einziges wirtschaftlich relevantes Ergebnis kann die Regierungsklausur auf nichts anderes, als auf eine ins Auge gefasste Neuordnung der ÖIAG verweisen.

Das ist nicht viel. Aber es ist nachvollziehbar. Für aktive Politik hat man ohnehin kein Geld. Der Spielraum dafür ist längst verspielt. Selbst der Gewerkschaftschef erkennt inzwischen, dass es schwierig ist Impulse zu setzen, "wenn der finanzielle Spielraum nicht da ist".

Längst herrscht das Diktat der leeren Kassen, herbeigeführt und selbst verursacht von einer zuweilen maßlosen Klientelpolitik, beständig verschärft von einer wuchernden Verwaltung und Bürokratie und verfestigt bis zur Erstarrung von Parteien und Interessenvertretungen.

Geld fehlt nicht nur für eine aktive Wirtschaftspolitik. Auch in vielen anderen Bereichen fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Und da muss man nicht gleich das herabgewirtschaftete und kaputtgesparte Bundesheer nennen. Das Gleiche gilt auch für die Bildung, für den Sozialbereich und für die Sicherheit. Überall nichts als Stillstand.

Längst hat die Politik aufgegeben sich als gestaltende Kraft zu verstehen. Bewahrung des Bestehenden und Verwaltung der Probleme scheinen die vordersten Ziel zu sein. Das ist, so glaubt man, allemal zielführender, wenn es um Wählerstimmen geht. Dass das freilich immer öfter und immer deutlicher zum Schaden des Landes ist, spielt da keine Rolle.

Schlimmer noch ist, dass über das fehlende Geld längst vielfach auch der Wille zu Veränderungen verloren gegangen ist. Etwa gegen das wirtschaftsfeindliche Klima anzugehen, das von so vielen Gruppierungen mit Wonne gepflegt wird und das längst nicht nur die Warnrufe der Industriekapitäne immer lauter werden lässt.

Darum nimmt es nicht wunder, dass das Land dabei ist, Passagier der politischen Entwicklungen zu werden, weil es wegen der Versäumnisse der vergangenen Jahre fast jede Gestaltungskraft verloren hat.

Die Steuerreform, die man nun ins Auge fasst, wird wohl zu nicht mehr taugen als zu einer Behübschung dieser Situation. Und genau die ist offensichtlich von allen Beteiligten erwünscht, stehen doch im kommenden Jahr wichtige Wahlgänge in den Bundesländern auf dem Terminkalender. Es steht zu fürchten, dass es für die Regierungsparteien reicht, dort wieder erfolgreich zu sein. Aber es steht auch zu fürchten, dass Österreich damit wieder nur ein Stück weiter ins Schlamassel rutscht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Oktober 2014

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