Donnerstag, 21. Mai 2015

Über Wählers Leid



Es schalmeit allerorten. In zwei Bundesländern, in der Steiermark und im Burgenland, strebt der Wahlkampf seinem Höhepunkt entgegen. In Wien und in Oberösterreich läuft die Aufwärmrunde für die Herbstwahlen an. Da wird allerorten Süßholz geraspelt, auf dass die Wähler das Kreuzerl bei der richtigen Partei und den richtigen Kandidaten machen. Da wird etwa von einer Landeshauptmannpartei "Zusammenarbeiten statt Haxelbeißen" versprochen, dort will ein präsumtiver Bürgermeisterkandidat "das Dorf gemeinsam noch besser machen" und es werden alle aufgerufen anzupacken "für unser Dorf!". Mit Rufzeichen versteht sich.

So weit so gewohnt und gewöhnlich. Politiker-Sprech in Stadt, Land und Gemeinde. Damit kann man leben, das kennt man. Das lässt einem die Möglichkeit, Grenzen zu ziehen und selbst zu entscheiden, wie man mit wahlkampftrunkenen Politikerinnen und Politikern umgeht. Halbwegs zumindest. Man kann die Papiere, die sie ins Haus schicken ungesehen in der Tonne entsorgen. Man kann auf der Straße auf die andere Seite wechseln, wenn sie sich einen in den Weg stellen wollen. Man kann um Info-Stände einen Bogen machen. Und man kann Veranstaltungen meiden.

Man kann aber auch alles lesen, man kann zu den Ständen hingehen und auch zu den Veranstaltungen. Und man muss die Straßenseite nicht wechseln. Man hat die Wahl. Das zumindest.

Aber manchem ist das nicht genug. "Ich werde bis zur Wahl jeden Haushalt persönlich besuchen", wird auch immer wieder da und dort als größte Bemühung ums Bürgerwohl angekündigt. Das freilich hat eine andere Qualität. Denn bei Hausbesuchen gibt's kein Entrinnen, ist es einem nicht zu dumm sich hinter dem Vorhang zu verstecken und alle Lichter abzudrehen, um Nicht-Anwesenheit zu zeigen. Wenn man ehrlich ist und nicht als Misanthrop gelten will, hat man keine Alternative. Nicht einmal die, an der Tür höflich zu sagen, Danke für die Nachfrage, aber man habe kein Interesse. Denn schon damit setzt man sich jedenfalls der Gefahr aus, als unhöflich zu gelten. Ganz abgesehen davon, dass so ein Verhalten bereits als politisches Statement ausgelegt werden könnte.

Hausbesuche mögen ja durchaus gut und ehrlich gemeint sein, dass man dabei aber Grenzen überschreitet, erkennt man nur selten. Schon gar nicht, dass sie als Anmaßung empfunden werden können.

Aber das ist nicht neu für die Politik. Sie glaubt ohnehin, sich überall hineindrängen zu müssen. Da ist nur folgerichtig, sich auch in das letzte Rückzugsgebiet der Leute, in deren Wohnung, zu drängen. Dort sitzt man dann am Tisch, wie man im Schülerkonzert in der ersten Reihe sitzt, wie man sich bei jeder Kreisverkehrs-Eröffnung aufs Bild für die Zeitung drängt, wie man bei jedem Spatenstich dabei steht und wie man sich bei vielen anderen Veranstaltungen, die nicht im entferntesten etwas mit Politik zu tun haben, den Hintern wund sitzt, um hinterher das übergroße Arbeitspensum zu beklagen.

Das gefällt zwar manchen Menschen, aber viele Menschen haben nicht zuletzt wegen dieser Omnipräsenz längst Probleme mit der Politik und ihren Vertretern. Man hat die Nase voll davon, dass sich überall alles und jedes nach Politikern richtet, dass sie sich überall in den Vordergrund stellen, dass nichts in der Zeitung vorkommt, ohne dass nicht auch gleich das entsprechende Politikerbild dabei ist. Und erst recht nicht in den lokalen Fernsehprogrammen. Politiker da, Politiker dort, Politiker überall.

Es wäre freilich ungerecht, die Schuld dafür alleine den Politikerinnen und Politikern in die Schuhe zu schieben. Mindestens genauso groß ist die Verantwortung, die das Wahlvolk selbst dafür zu übernehmen hat. Denn ebenso, wie der eine Teil die Omnipräsenz beklagt, fühlt sich der andere Teil gleich zu wenig geschätzt und zeigt Verärgerung, wenn einmal ein Politiker einmal wo nicht erscheint.

Und so ist dafür gesorgt, dass der Wahlkampf für alle stark ist. Für die Wahlkämpfer und für die Wähler. Jeder muss viel aushalten. Die einen die körperlichen und zeitlichen Belastungen der unzähligen Veranstaltungen. Die anderen die Omnipräsenz in Form von Flugzetteln, Infoständen, Plakaten, Veranstaltungen und Medienauftritten. Und in Form von Hausbesuchen.

Dabei will man als einfacher Staatsbürger doch nichts anderes, als dass mit Hirn und Hausverstand Politik fürs Dorf und fürs Land gemacht wird. Aber, man weiß - davon ist man mitunter Lichtjahre entfernt. Und das selbst trotz Hausbesuchen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Mai 2015

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