Donnerstag, 7. Mai 2015

Wertschätzung unter Druck



In wirtschaftliberalen Kreisen hat man nach der Steuerreform und dem Ruf der Reichensteuer genug und wagt sich immer öfter aus der Defensive. Und das durchaus mit Emotion. Dann klagt man gerne über die vielen Leute, die angeblich nur der Öffentlichkeit auf der Tasche liegen, ereifert sich über die vielen, die sich ihrem Eindruck zufolge nichts als zurücklehnen und nur das Allernötigste tun. Und über die vielen, die allenfalls bereit seien im Straßenverkehr Risiko zu nehmen, die sich aber sonst dem Vollkaskoleben, das der österreichische Sozialstaat ermöglicht, hingäben.

An diesen zuweilen bitteren Klagen, die vorwiegend von Unternehmern, Geschäftsführern und Leuten, die sich als Leistungsträger fühlen, geführt werden, ist nichts Grundsätzliches auszusetzen. Und verständlich sind sie auch. Österreich, und wie Politik hier ausgelegt wird und das gesellschaftliche Klima, das gepflegt wird, legen die Verärgerung durchaus nahe und machen verständlich, wenn immer mehr der Kragen platzt. Leistung zählt hier nicht mehr. Erst jüngst ergab eine Imas-Umfrage, dass knapp die Hälfte der Österreicher bezweifeln, dass Leistung etwas bringt in diesem Land.

Lustig ist es ja nicht, unter Generalverdacht gestellt zu werden, sich gutes Gehalt und Vermögen ergaunert oder zumindest nicht mit ganz legalen Mitteln erwirtschaftet zu haben, wie das immer wieder in politischen Debatten durchklingt. Und es ist nicht lustig, wenn auf die hohen Steuern noch eine Extra-Solidar-Abgabe gepappt wird. Noch dazu eine Solidar-Abgabe zugunsten einer Gesellschaft ,die einen überwiegend als Feindbild sieht.

Der Ärger ist verständlich und nachvollziehbar. Es sollte aber, wie alles, Maß und Ziel haben. Denn die, die bei der Reichensteuer geschröpft werden, sind nicht die einzigen, die in Österreich zu den Draufzahlern zählen. Und sie sind nicht die einzigen, die in diesem Land etwas leisten und Risiko nehmen.

Einem Gutteil der Österreicher geht es so wie ihnen. Sie werden bestraft, wenn sie mehr leisten wollen. Lohnerhöhungen werden von der kalten Progression geschluckt, Steuerentlastungen sind in der Brieftasche kaum spürbar. Verbesserungen auf der einen Seite werden durch Verschlechterungen auf der anderen aufgehoben.

Aber nicht nur, dass die Sache mit dem Geld nicht stimmt. Immer öfter ist es auch die gesellschaftliche Stimmung in diesem Land, die es nicht lustig macht, nach mehr zu streben und nach Verbesserung. Da ist die Neidgenossenschaft schnell mit ätzenden Worten zu Stelle. Wer zuviel Ehrgeiz zeigt, wird scheel angeschaut. Wer nicht am Mittwoch vom Wochenende und den Plänen, die man da hat, redet, gilt als Streber.

Dabei leisten viele sehr viel in diesem Land. Sie bekommen aber oft nur sehr wenig dafür. Das beginnt bei den Jobs in Pflegeberufen und in den Spitälern, das gilt auch für die Lehrer und in zahllosen anderen Berufsfeldern. Es gibt Berufe, in denen gut zu verdienen ist, es gibt viele, in denen das nicht der Fall ist. Und es gibt viele, wo Bezahlung weder auf der einen noch auf der anderen Seite zur Leistung passt. Oft stimmen die Gewichtungen längst nicht mehr. Viel zu viele haben es sich gerichtet, viele aber zahlen drauf.

Klassenkämpferische Töne, wie sie die Sozialdemokraten im Zuge der Steuerreform anstimmten und wie sie nun von der anderen Seite immer öfter zurückkommen, sind der Sache wenig dienlich. Sie bringen eine Verschärfung des Klimas, machen die Gräben nur tiefer. In diesem Umfeld ist die gesellschaftliche Solidarität längst unter schweren Druck gekommen. Das gegenseitige Verständnis zwischen den gesellschaftlichen Gruppen schwindet. Und auch die gegenseitige Wertschätzung.

Österreich schadet das längst. Unablässig dreht sich die Schraube nach unten. Mittlerweile so schnell, dass es für viele der besten Kräfte längst nicht mehr interessant ist hier zu arbeiten. Sie suchen Jobs im Ausland und lassen Österreich zurück. Von der Kultur des Jammerns und des alles blockierenden Neides haben sie die Nase voll. Und davon, dass der respektive die als besonders geschickt gilt, der mit möglichst wenig Engagement durch den Berufsalltag kommt.

Das sollte ein Alarmzeichen sein. Vor allem, weil anderswo ein anderes Klima herrscht. Nicht zuletzt deshalb überholen in internationalen Rankings Länder aus Amerika oder Asien immer öfter die saturierten europäischen Staaten. Und auch Österreich.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Mai 2015

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