Dienstag, 14. Juli 2015

Biobauern suchen neue Linie



Gerti Grabmann ist neue Chefin bei Bio Austria. Sie muss wieder Ruhe in den größten heimischen Biobauernverband bringen.

HANS GMEINER
Die Konsumenten kaufen immer mehr Bio, die Zahl der Biobauern aber stagniert. In Tirol und Vorarlberg gab es sogar starke Rückgänge. Steckt der Biolandbau in Österreich in einer Krise?

Grabmann: Nein, das glaube ich nicht. Aber wir sind ganz sicher gefordert, mehr Bauern zu Bio zu bringen. Ich möchte einen breiten gesellschaftlichen Zukunftsdialog führen, an dem sowohl Bauern als auch Konsumenten und alle, die mit Bio zu tun haben, teilnehmen. Ziel ist es, konkrete Schritte zur Stärkung der biologischen Landwirtschaft zu entwickeln.

Wie genau wollen Sie den Bauern Gusto auf Bio machen?

Ich will zeigen, was biologische Bewirtschaftung ist, was sie kann und welche Möglichkeiten sie bietet. Es gibt immer mehr, die umsteigen wollen, weil sie genug haben vom Zwang, immer größer werden und immer mehr leisten zu müssen für immer weniger Ertrag. Aber es hängt stark von den Rahmenbedingungen ab, ob diese Bauern den Schritt in die Biolandwirtschaft dann auch wirklich machen. Wir müssen alles an Unterstützung geben, wenn es um Ratschläge geht.

Sind Biobauern die besseren Bauern?

Wir sind nicht die besseren Bauern. Ich unterscheide nicht zwischen gut und schlecht. Mir ist dieses Denken fremd. Es muss für den Einzelnen passen. Ich bin auch nicht als Biobäuerin auf die Welt gekommen, sondern meine Lebenseinstellung hat mich zu Bio gebracht.

Milch, Gemüse, Brot, Eier und Obst sind Renner im Verkauf. Bei Fleisch geht nichts weiter. Warum ist das so?

Das wissen wir selbst auch nicht recht. Aber die wenigen offiziellen Zahlen täuschen, weil darin die Direktvermarktung von Fleisch und die Gastronomie nicht enthalten sind. Da gibt es jedenfalls einen deutlichen Trend, der in den Statistiken kaum Niederschlag findet. Vor allem auf dem Land fährt man immer öfter lieber direkt zum Bauern als in den Supermarkt.

Bei Milch gab es Kritik an heimischen Molkereien, weil die Preise für Biomilch an jene für konventionelle Milch gekoppelt waren.

Die Koppelung gibt es nach wie vor. Aber wir sehen seit einiger Zeit eine positive Entwicklung beim Biozuschlag. Wir wollen aber eine Preisfindung, die der Nachfrage auf dem Biomarkt entspricht, also eine vollständige Entkoppelung des Biomilcherzeugerpreises vom Preis der konventionell erzeugten Milch. Biomilch ist sehr gefragt. In den kommenden Monaten wollen wir unser Wiesenmilch-Projekt, das in Kärnten sehr gut angelaufen ist, ausbauen. Wo und mit welchen Molkereien, das muss sich erst herausstellen.

Was wünschen Sie sich von der heimischen Agrarpolitik?

Verständnis, Wohlwollen und Wertschätzung für die Biobauern. Wir wollen Perspektiven. Ich finde, es sollte über eine Neubewertung der Leistungen der Biobauern für Gesellschaft, Klima und Umwelt geredet werden. Der Aufwand für solche indirekten Leistungen soll so abgedeckt werden, dass es für die Bauern auch passt. Bei der EU-Bioverordnung sind noch manche Dinge nachzuschärfen. Dazu gehört die jährliche Kontrolle der Biobauern, die die Verordnung aufweichen will.

Wie sehen Sie das Verhältnis zum Lebensmittelhandel?

Ohne Handel wäre die Entwicklung bei Bio nicht so gut gelaufen in Österreich. Der Handel ist aber immer wieder eine Herausforderung für uns Biobauern. Die Mechanismen orientieren sich an den Bedürfnissen des Handels und der Konsumenten, aber nicht immer an jenen der Bauern. Es ist geplant, in nächster Zeit Gespräche mit den Verantwortlichen zu führen.

Rewe bietet demnächst Produkte des deutschen Biobranchenriesen Alnatura an. Beobachter sprechen von einem Anschlag auf die heimische Biolandwirtschaft. Was sagen Sie dazu?

Dazu möchte ich jetzt noch nichts Konkretes sagen. Da will ich die Gespräche mit Rewe abwarten. Fakt ist: Rewe ist seit 25 Jahren Partner der Biolandwirtschaft in Österreich. Ich gehe davon aus, dass auch in Zukunft dieser Verantwortung entsprechend gehandelt wird.

Ihre Bestellung als Obfrau von Bio Austria kam für viele eher überraschend. Man war unzufrieden mit der Organisation. Man kämpft mit Mitgliederschwund und finanziellen Schwierigkeiten. Wie sehen Sie die Situation?

Es gibt jetzt einen anderen Stil in der Zusammenarbeit. Die Kommunikation ist direkt, der Informationsfluss schneller und offen. Ein Teil der Landesobleute hat entschieden, einen neuen Weg zu gehen und selbst in den Bundesvorstand einzuziehen. Ich habe zu dieser Funktion Ja gesagt, weil ich Kommunikation für wichtig halte. Man muss die Möglichkeit haben, sich mit Dingen auseinandersetzen zu können.

Bleibt in der Organisation kein Stein auf dem anderen?

So wird es nicht sein. Man muss nicht ein ganzes Haus abreißen, um bestimmte Bereiche zu ändern. Langsam und stetig zum Ziel zu kommen ist auch nicht verkehrt. Wir sind jetzt in der Aufarbeitungsphase. Im Herbst fangen wir mit der Diskussion der inhaltlichen Themen an. Es wird auch eine neue Geschäftsführung geben.

Bio Austria werden finanzielle Probleme nachgesagt . . .

Wir sind gerade dabei, das zu lösen. Es gibt ein Minus in der Bilanz. Wir finanzieren uns überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und Förderungen. Das Landwirtschaftsministerium wird demnächst über Mittel entscheiden. Für uns ist das essenziell. Davon wird abhängen, ob wir unsere Leistungen für die Biolandwirtschaft, aber auch für die Gesellschaft auch noch in Zukunft erbringen können.

Woran soll man nach vier Jahren Ihre Handschrift erkennen?

Dass wir in Österreich mehr Biobetriebe insgesamt und mehr Betriebe in der Bio Austria haben und dass die sich gut aufgehoben fühlen. Man soll merken, dass sich die Biolandwirtschaft weiterentwickelt hat. Und ich möchte die Marke Bio Austria im Bewusstsein der Konsumenten verankern.

Wie geht es Ihnen mit dem Bild der Biobauern, das in der Werbung gezeichnet wird. Etwa mit dem sprechenden Ja!natürlich-Schweinderl?

Eigentlich gut. Ich halte selbst auch Freilandschweine. Aber die sprechen nicht mit mir, sondern ich spreche mit ihnen.

Gerti Grabmann bewirtschaftet in Münzkirchen (OÖ) einen Biobetrieb mit Mutterkuhhaltung, Freilandschweinen, Dinkel und Kartoffelanbau. Viele Jahre war sie Bezirksbäuerin in Schärding und Funktionärin bei Bio Austria auf Landesebene. Nach wie vor ist sie Stellvertreterin des Obmanns der Bezirksbauernkammer Schärding. Bio Austria ist mit rund 12.500 Mitgliedern (von rund 21.000 Biobauern in Österreich) der größte Verband der Biobauern. In Linz und Wien beschäftigt man in zwei Zentralstellen 36 Mitarbeiter.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. Juli 2015

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