Donnerstag, 12. Mai 2016
War da jemand?
Bundeskanzler Faymann ist zurückgetreten. Doch. Und spät. Und unerwartet auch, nach all den Jahren, in denen man ihn als Teflon-Kanzler kennengelernt hat, an dem alles abperlt. Jede Kritik, jede Wahlniederlage. Faymann ist weg, so wie er da war. Ohne Spuren zu hinterlassen. Und auch ohne eine Lücke zu hinterlassen.
Gewonnen ist mit dem Rücktritt nichts. Nicht für das Land, das mit wenigen Unterbrechungen seit Jahren an schwachen Führungspersönlichkeiten und einem alles blockierenden politischen Kleinkrieg leidet. Und schon gar nicht für die SPÖ, die in ihrer Talfahrt zu bremsen von einem Mann vom Zuschnitt Faymanns ohnehin nie zu erwarten war.
Der Rücktritt des Bundeskanzlers am vergangenen Montag ist kein Befreiungsschlag, schon gar nicht jener, den das Land bräuchte. Denn nach Faymann folgt wohl ein anderer "Faymann", und soll er Kern heißen, oder Zeiler, oder sonstwie. Das sind, ohne ihnen nahetreten zu wollen, nicht die Leute, die die Ideen leben, für die sie stehen sollen. Und es sind auch nicht die, die dieses Defizit mit ihrem Charisma ersetzen und damit etwas bewegen können. Zumal in einer sozialdemokratischen Partei.
Ganz abgesehen davon: Auch für den oder die Neue bleibt Österreich Österreich. Und damit muss man erst einmal zurechtkommen. Da muss man erst einmal etwas ändern und etwas durchsetzen. Denn es ist bei Gott nicht der Kanzler alleine, der bestimmt, es ist ein ganzes Geflecht, das die Politik in diesem Land beherrscht und in dem unzählige mehr oder weniger Wichtige und Mächtige das spielen, von dem die Menschen so genug haben. Ihr Vertrauen gewinnen die Regierungsparteien nicht so schnell zurück. Jedenfalls nicht, indem man einen Kopf austauscht. Man kennt das. Von der SPÖ auch, vor allem aber von der ÖVP. All die Wechsel an der Spitze brachten nicht die gewünschte Wende.
Warum soll das nach Faymanns Rücktritt anders sein? In der SPÖ zieht in diesen Tagen der alte Häupl die Fäden, wie in der ÖVP der alte Pröll. Die SPÖ ist abgewirtschaftet, organisatorisch und personell. Die Strukturen, einst Stolz und Stärke der selbstbewussten "Roten" der siebziger, achtziger und neunziger Jahre, sind, wenn überhaupt noch vorhanden, zerschlissen. Man kann nichts mehr bewegen. "Die SPÖ ist eine verfallende Volkspartei, die sich zu lange in großen Koalitionen verschlissen und dabei ihre Orientierung verloren hat", schreibt das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Neue Leute, zumal Leute von außen, und heißen sie Kern oder Zeiler, deren Manager-Qualitäten unstreitig sein mögen, tun sich in einem solchen Umfeld schwer. Wie oft ist bei solchen Konstellationen aus dem Beifall zum Antritt im Handumdrehen eine bittere Enttäuschung geworden.
Was für die SPÖ gilt, gilt freilich auch für die Regierungsarbeit. Auch dort ist, außer allenfalls einem Strohfeuer zu Beginn, wohl wenig durch den Austausch des Kanzlers zu erwarten. Schon jetzt ist abzusehen, dass auch der oder die Neue sich bald in den Mühen der Ebene gefangen wiederfinden wird. Zumal in der derzeitigen Konstellation.
Aktuell ist die SPÖ in den Schlagzeilen. Es ist wohl nur Zufall, dass es nicht die ÖVP ist. Denn auch für die Schwarzen gilt im Großen und Ganzen und in unterschiedlichen Tönungen, was über die Roten gesagt wird. Und sie sind gut beraten, sich nicht in Häme zu ergehen.
So sehr man sich wünscht, dass dem Land der absehbare Rechtsruck erspart bleibt, es bleibt wohl nichts denn ein Wunsch. Die beiden großen Parteien haben nicht mehr die Kraft zu reagieren und auch wohl auch nicht mehr die Kraft sich zu erneuern. Ganz sicher nicht in dem Tempo und mit dem Druck, in dem das jetzt nötig wäre.
Die Dinge sind ihnen aus den Händen geglitten. Man hat die Ziele aus den Augen verloren und die Perspektiven. Man hat die Menschen verloren und ihre Anerkennung und Wertschätzung. Die Themen werden von woanders vorgegeben, man hechelt nur mehr hinterher. Ohne Herz ohne Seele und oft auch ohne die Zeichen der Zeit verstanden zu haben.
Manche in den Parteien, in dieser und in jener, haben das erkannt. Viele aber immer noch nicht. Sie halten lieber am Vergangenen fest. An den Erfolgen von seinerzeit, am Stil von seinerzeit und an den Themen von seinerzeit. An dem, was sie für Macht halten.
Weil sie das immer noch tun und niemanden aufkommen lassen, der das nicht will, ist es einerlei, ob einer wie Faymann zurücktritt. Oder einer wie Mitterlehner.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Mai 2016
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