Donnerstag, 10. November 2016

Der Unterschied



Es ist nicht wirklich das, was Vertrauen erweckt in diesen Tagen. Weder die Wahlen in den Vereinigten Staaten noch die Entwicklung, die die Europäische Union nimmt. Da wie dort sind die Dinge in den vergangenen Monaten eskaliert. In Worten. Aber auch in Handlungen. Da wie dort macht sich Unsicherheit breit und wächst die Sorge. Da wie dort ist wenig Gutes zu erwarten. Und kaum etwas, was Vertrauen und Sicherheit geben könnte.

Die US-Amerikaner haben ihren Trump und ihre Clinton, die das Land tief spalten. Wir in Europa haben die Europäische Union und einen grassierenden Rechtspopulismus in den Mitgliedstaaten, der dabei ist, die europäische Idee zu zertrümmern.

Die Grundstimmung unterscheidet sich dennoch wesentlich. Während die Amerikaner an ihr Land glauben und nicht an seiner Bedeutung und schon gar nicht an seinem Gewicht in der Welt zweifeln, hadert man in Europa mit der Europäischen Union. Allerorten wachsen Skepsis und Ablehnung, immer größer werden die Zweifel an der Zukunft dieser Union, die gegründet wurde, um Europa zu vereinen und stark in der Welt der Wirtschaft und der Politik zu machen. Immer weniger glauben an das vereinte Europa. Statt dessen blüht allerorten der Nationalismus. Selbst die führenden Vertreter der Union scheinen inzwischen von Zweifeln befallen und nicht mehr weiterzuwissen. Sogar EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker redet, wie erst kürzlich in Wien, von einer notwendigen Neugründung der Union, und Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, plädiert dafür, die Union tiefgreifendend zu reformieren.

"Der kleinste gemeinsame Nenner wird stündlich kleiner", hieß es dieser Tage in einem Zeitungskommentar. Dem ist wohl zuzustimmen. Der Brexit, der Umgang mit den Migrantenströmen aus dem Nahen Osten und aus Nordafrika und das Gezerre rund um Ceta zeigten das wie selten zuvor. Die Handlungsfähigkeit der Union tendiert gegen null. Und die gemeinsame Politik auch. Das heimische Modell hat sich durchgesetzt. Entscheidungen, denen man in Brüssel zustimmte, werden inzwischen nicht mehr nur in Österreich für null und nichtig erklärt.

Längst haben rechtspopulistische Politiker Brüssel im Schwitzkasten und die EU hat keinen Handlungsspielraum mehr. Sie haben den Europapolitikern mit ihrem Nationalismus, der sich weder um die EU und ihre Idee kümmert und denen der Missbrauch von Demokratie oft zum Mittel geworden ist, die Schneid abgekauft. Die Politiker in der EU sind freilich nicht aus der Verantwortung zu entlassen, haben sie doch allzu lange, zu oft und oft auch allzu forsch an Ideen festgehalten, die in den Mitgliedstaaten und vor allem bei der Bevölkerung auf breite Ablehnung stießen. Fingerspitzengefühl schien dabei nie eine Rolle zu spielen.

Inzwischen macht die Europäische Union mitunter den Eindruck, sturmreif geschossen zu sein. Wirtschaftlich ist man angeschlagen und politisch hat man auf der internationalen Bühne kaum mehr Gewicht. Abgesehen von Angela Merkel gibt es niemand mehr, der von den großen Blöcken als Gesprächspartner akzeptiert wird. Und auch die deutsche Bundeskanzlerin hatte schon deutlich stärkere Zeiten und sehr viel mehr Rückhalt.

Außerhalb Europas hat man wohl keine Probleme mit dieser Europäischen Union, wie sie sich heute präsentiert. Viele werden das sogar begrüßen. Für Europa selbst hingegen kann das fatal werden. Schon jetzt kann man erkennen, wohin dieser Verlust von Einfluss führen kann. Im Syrienkonflikt hat man überhaupt nichts mitzureden. Obwohl das Flüchtlingsthema längst Thema Nummer eins in Europa und zum Sprengsatz für die Union geworden ist, muss man abwarten, ob die USA und Putin doch noch irgendwie zusammenfinden. In der Türkei schert sich Ministerpräsident Erdogan einen Teufel um das, was die EU sagt, und in Moskau ist es nicht anders. Europa hat nicht die Kraft dagegenzuhalten. Und das auch, weil der Glauben an Europa verloren gegangen ist -der Glauben der Menschen, die hier leben, und auch vieler Politiker, die sie vertreten. Auf Europa ist niemand stolz, aber dafür wieder umso mehr auf die einzelnen Staaten. Dort gibt man sich, angefacht von populistischen Parteien und groß gemacht auch von Regierungsparteien, die um ihr Überleben kämpfen, einem neuen Nationalismus hin und zerstört damit das, was den Kontinent auf der internationalen politischen Bühne stark und selbstbewusst machen könnte -undenkbar in Russland und undenkbar in den USA.

Aber Realität in Europa. Eine die fürchten machen kann.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. November 2016

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