Donnerstag, 1. Juni 2017

Durchgedrehtes Wahlkampfklima



Dass die Welt der heimischen Politiker ganz schön verquer sein kann, ist bekannt. Man ist an vieles gewöhnt. An schräge Aussagen, die einen nur staunen lassen. An Versprechen, die einen den Kopf schütteln lassen. Und an Vorschläge, die zwar eine Absicht, aber sonst auch schon gar nichts erkennen lassen. Am wenigsten Sinn.

In Vorwahlzeiten, wie wir sie derzeit durchmachen, kulminieren diese Absonderlichkeiten und Abstrusitäten, die tief in die Politikerseelen und in den heimischen Politikbetrieb blicken lassen. Oft braucht es dazu freilich nicht einmal das durchgedrehte Treibhausklima eines Wahlkampfes. Da reicht schon, wenn einer meint, einen kleinen Zwischenspurt im Wettlauf um die Wählergunst einlegen und sich dem Publikum anbiedern zu müssen, bloß, weil die Gelegenheit günstig erscheint. Der Geschäftsführer der SPÖ etwa meinte eine solche gekommen, als vor wenigen Wochen eine Diskussion über den Karfreitag als gesetzlicher Feiertag für alle aufflammte. "Die Österreicher sind ein fleißiges Volk", ließ er, ganz in der Gönnerlaune eines Politikers, verlauten, dem Verantwortung ein Fremdwort zu sein scheint. Sie hätten sich daher den Karfreitag als zusätzlichen Feiertag "verdient". Einfach so. Dabei ließe sich vortrefflich darüber streiten, ob denn wirklich alle Österreicher so fleißig sind und erst recht darüber, ob nicht vielmehr noch viel mehr Fleiß nötig wäre, auf dass das Land wieder auf Kurs und nach vorne kommt. Aber keine Rede davon in der Kategorie Politiker, die Politik weniger als Gestalten, sondern vielmehr als Verteilen und Zuteilen versteht, am besten von dem, das einem nicht gehört und das man nicht zu verantworten hat.

Denken wie dieses ist alt und wirkt wie aus der Zeit gefallen. So wie das Denken jenes sozialdemokratischen Wiener Bezirkspolitikers, der meinte via anzüglicher Bemerkungen zur frisch gekürten VP-Generalsekretärin Punkte machen zu können. Überliefert ist von dem Mann sonst nichts, schon gar nicht eine politische Leistung. Man wundert sich, was solche Menschen -und die gibt es, um nicht gar erst den Rechthabern recht zu geben, nicht nur in den Reihen der Wiener Sozialdemokraten -antreibt und man fragt sich, wie sie in politische Positionen kommen konnten.

Das freilich könnte man sich zuweilen auch bei Politikern ein paar Etagen darüber fragen. In Nebensätzen, mitunter gedankenlos hingesagt, entlarven sie sich und ihr Denken, dem sie verhaftet sind, ganz ohne Not und zumeist ganz zufällig. Dem Kanzleramtsminister passierte das, als es rund um das Ende der Koalition für die SPÖ um nichts anders ging, als die Verantwortung der Volkspartei zuzuschieben. "Wenn die ÖVP ihre Verantwortung nicht übernimmt, wird sich die Politik ins Parlament verlagern", entfuhr es ihm in der Hitze der Diskussion, was ihm in der Folge hämische Kommentare einbrachte. Nicht zu Unrecht. "Das war als Drohung gemeint", hieß es in einem Zeitungskommentar auf darauffolgenden Tag samt der süffisanten Anmerkung: "Dass Gesetze von den Volksvertretern gemacht werden, sollte eigentlich der Normalzustand sein - und kein Krisenzeichen." In der heimischen Politwelt, in der Politik vorzugsweise immer noch in Hinterzimmern ausgemacht wird und das Parlament viel zu oft nur mehr als Abstimmungsmaschinerie gesehen wird, nimmt das freilich nicht wunder.

Und wunder nimmt vor diesem Hintergrund, der nur an wenigen kleinen Beispielen skizziert sei, nicht, dass man sich um das, was da in den nächsten vier Monaten auf uns zukommt, und vor allem um das, was noch beschlossen wird, durchaus Sorgen machen muss. Mit rationalen Vorgängen und Entscheidungen wird das wohl wenig zu tun haben. Und hoffentlich nicht so wenig, wie die Entscheidungen und Beschlüsse im Wahlkampf 2008, der vielen mit der Innenpolitik Befassten als Horrorszenario gilt. Rund 30 Milliarden Euro hat bisher gekostet, was damals wenige Tage vor der Wahl im Buhlen um die Wählergunst beschlossen wurde -von der Hacklerregelung, die Abschaffung der Studiengebühren bis hin zu Heizkostenzuschüssen für Senioren. Von Politikern des Geistes, wie den oben zitierten, die, das sei nochmals angemerkt, nicht nur in der SP sitzen. Denn auch die VP versteht sich auf dieses Spiel. Auf eine Milliarde Euro werden die Kosten ihrer Vorhaben geschätzt.

Freilich: Was die SP noch unbedingt durchbringen will kostet zwei Milliarden. Ausgang offen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 1. Juni 2017

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