Donnerstag, 22. Juni 2017
Helft den Sozialdemokraten
Nach Trumps Sieg bei den US-Wahlen gab es ein paar Monate, da dominierte vor allem in Europa die Meinung, dass dieser Wahlsieg auf dem alten Kontinent die rechtspopulistischen Parteien und ihren europafeindlichen Kurs stärkt.
Nun, wir wissen, es kam anders. Die Befürchtungen zerschlugen sich rasch. Zuerst ging in Holland Geert Wilders kläglich unter, dann scheiterte Marine Le Pen in Frankreich. Auch dass sich in Österreich letztendlich Alexander Van der Bellen gegen Norbert Hofer durchsetzte, wird gerne in diesem Zusammenhang gesehen.
Europa scheint sich seither erfangen zu haben. Man schätzt die Union mit einem Mal wieder mehr, als man das noch vor Jahresfrist getan hat und erkennt, was eigentlich auf dem Spiel steht. Und nach Trumps ersten Wochen im Weißen Haus hat man schnell erkannt, dass man lieber doch keinen von den abenteuerlichen Polit-Desperados seines Zuschnitts am Staatsruder haben will. Vor allem nicht in Westeuropa, respektive dem westlichen Teil der Union.
Ob das schon die Wende gewesen ist, muss freilich bezweifelt werden. "Nein", sagte sogar EU-Kommissionspräsident Jean Claude-Juncker, angesprochen auf die Wahlergebnisse in Frankreich, den Niederlanden und in Österreich, kürzlich in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel"."Man übersieht bei der Begeisterung für die jüngsten Wahlergebnisse, dass die Gefahr von extrem rechts weiterhin besteht. Das Problem ist, dass viele in den traditionellen Parteien den Populisten alles nachplappern und dadurch selbst zu Populisten werden, anstatt sich denen in den Weg zu stellen."
Es ist wohl nichts denn ein "Window of opportunity", wie das heute so schön heißt, um sich neu aufzustellen und all die Fehler zu korrigieren, die in den vergangenen Jahren die europäische Politik und die Europäischen Union in eine Lage gebracht haben, die so viele als misslich empfunden haben. Und die große Frage ist, ob man in Europa dieses Fenster auch nutzen kann und die Wende tatsächlich schafft.
Viel deutet nicht drauf hin. Von Brüssel selbst ist bisher noch nichts gekommen, was Zuversicht nähren würde. Viel hängt wohl davon ab, wie gut der neue französische Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wirklich zusammenarbeiten und ob sie es schaffen, die Idee Europa wieder zum Blühen zu bringen. Vieles, was die beiden in den vergangenen Wochen verlauten ließen, gibt Hoffnung. Immerhin. Mehr ist es aber einstweilen nicht, denkt man nur an die Schlagzeilen, für die jüngst Griechenland wieder sorgte und denkt man an Italien und seine Schwierigkeiten, die einem Damoklesschwert gleich über der Zukunft des Euro und der Union hängen.
Viel hängt aber auch davon ab, wie sehr es der europäischen Sozialdemokratie gelingt, wieder ihre Stammwählerschaft hinter sich zu versammeln und nicht weiter hilflos zuzusehen, wie sie zu den Rechtspopulisten abwandert. Dort entscheidet sich wohl, ob die EU über die Schwierigkeiten wirklich hinwegkommt und der dröhnende Rechtpopulismus in der Art von Marine Le Pen oder HC Strache nachhaltig überwunden und Europa wieder gefestigt werden kann. Während die konservativen Parteien an ihren Hausaufgaben zumindest arbeiten, kämpft die Sozialdemokratie mit ihrer Linie. Und, wenn es so weitergeht, bald auch gegen ihren Untergang. In Frankreich wurde die Partei aus der Verantwortung gejagt. Und in Deutschland bringt Martin Schulz, immerhin bis vor kurzem noch Präsident des Europäischen Parlaments, keinen Fuß auf den Boden.
In Österreich liegen die Dinge durchaus ähnlich. Kanzler Kern steckt in Schwierigkeiten. Vorbei sind die Zeiten, als die Partei geschlossen hinter ihm stand. Vor Jahresfrist war er als tougher und anerkannter Manager mit einem klaren Profil angetreten, dem man über die Partei hinaus zutraute, die Republik wieder auf einen richtigen Kurs zu bringen. Inzwischen gilt er vielen als biederer Pizzabote, der -nach der Aufkündigung der Koalition durch Sebastian Kurz endgültig aus dem Konzept geraten -glaubt, sich überall anbiedern zu müssen: in seinem alten Simmeringer Grätzel im Sportdress als ehemaliger Fußballbub, am Life Ball mit Selfies mit seiner Frau und in Interviews als treusorgender Familienmensch. Auch sein politisches Profil ist dabei, zu zerbröseln. "Er lässt keinen taktischen Fehler aus", ätzen die Kommentatoren.
Da wundert nicht, dass es neuerdings immer öfter heißt: "Die FPÖ ist wieder da."
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Juni 2017
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