Mittwoch, 14. Juni 2017
Placebos für das Volk
Als Innenminister Wolfgang Sobotka Pläne ventilierte, wie die Sicherheit vor Terroranschlägen in Österreich verbessert werden könnte, platzte dem Präsidenten der Rechtsanwaltskammer der Kragen. "Nur ein Placebo für das Volk" sei, was der Minister da vorschlage, schimpfte er. Fußfesseln für potenzielle Gefährder, akustische Überwachung von Autos und vieles andere mehr aus Sobotkas Wundertüte fand nichts denn die wütende Häme des Präsidenten. Mit diesen Maßnahmen solle "dem Volk nur vermittelt werden, wir machen etwas für die Sicherheit", ließ er sich in den Zeitungen zitieren. "In Wahrheit wird nicht mehr Sicherheit geschenkt, sondern nur mehr Freiheit genommen", kritisierte er. Denn das alles sei "nicht geeignet, ein Attentat zu verhindern". Er hat wohl recht. Wie zur Bestätigung präsentierte wenige Wochen später im deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" der Autor, Journalist und Blogger Sascha Lobo eine Bilanz, die diese Einschätzung nur bestätigt. "Daten belegen", schreibt er, "wer in Europa in den vergangenen Jahren ein Attentat verübt hat, war den Behörden vorher als gewaltaffin bekannt." Sein Schluss daraus trifft sich mit dem des obersten Anwalts des Landes: "Unsere Sicherheit ist eine Inszenierung."
Und das mitunter bis an die Grenzen der Lächerlichkeit. Nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt etwa hielt es die Linzer Polizei für angemessen, leere Polizeifahrzeuge entlang der wichtigsten Einkaufsstraße der Landeshauptstadt aufzustellen. Selbst blutjunge Polizistinnen wurden in schwere schusssichere Westen gesteckt und mit Maschinenpistolen auf Patrouille geschickt. Man wolle das Sicherheitsgefühl stärken, hieß es. Der kottaneske Spuk dauerte nur ein Wochenende.
Ein anderer Spuk dauert freilich schon viel länger und ist inzwischen zu einem Dauerärgernis geworden, obwohl die Sinnhaftigkeit zumindest ebenso schwer nachzuvollziehen ist. Die Grenzkontrollen kosten viel Zeit, bringen aber wenig für den Aufwand, der betrieben wird, und die Nerven, die sie den Autofahrern kosten. Und vor allem, sie bringen kaum das, dessentwegen sie eingerichtet wurden. Denn den Grenzposten gehen immer weniger illegale Einwanderer ins Netz, dafür aber reihenweise Alkound Drogenlenker, Schmuggler und andere, die etwas auf dem Kerbholz haben.
Aber man ist dennoch stolz und klopft sich gegenseitig auf die Schultern, dass man die Kontrollen wieder verlängert hat. Nicht anders verhält es sich mit den Kontrollen auf den Flughäfen, die nichts sind denn reine Schikane, an der Grenze zur Lächerlichkeit. Aber Hauptsache die Inszenierung passt.
Nicht nur in der Sicherheitspolitik wird viel für die Galerie gemacht, das wenig bringt und von den wahren Problemen ablenkt. In anderen Bereichen ist es nicht anders. Vieles von dem, was als Problemlösung verkauft wird, geschieht um nichts als seiner selbst willen. Und um vorzugeben, etwas zu tun -oft mangels anderer Ideen. Und es funktioniert auch. Zumindest im Sinne der Politik. Schnell sind die Bürgerinnen und Bürger zufriedengestellt. Und sie lassen das auch mit sich geschehen.
Diese Placebo-Politik, die vorgibt, Lösungen für Probleme bieten, das aber in Wirklichkeit nicht tut und an den tatsächlichen Erfordernissen vorbeigeht, quält die Bürger nicht nur mit Warteschlangen auf Flughäfen und an Grenzen. Sie quält auch mit Unmengen an Bürokratie, die sich ihretwegen auftürmt -von den Meldevorschriften über Umweltvorschriften bis hin zu den Regularien, unter denen die Banken zu leiden haben. Sie treibt den Aufwand oft in unglaubliche Höhen, ohne dass dem auch nur annäherungsweise entsprechende Ergebnisse gegenüberstünden.
In Wahlkampfzeiten, wie wir sie gerade durchleben, hat dieses Missverständnis von Politik Hochkonjunktur. Viele der Versprechen, die wir zu hören bekommen und noch zu hören bekommen werden, sind wohl nichts denn Placebos. Nachhaltige Lösungen hingegen haben es in diesem Umfeld schwer. In Abwandlung des Zitats des Präsidenten der Anwaltskammer will man "dem Volk" wohl mit dem, was wir in den nächsten Monaten präsentiert bekommen, nur vermitteln, dass man etwas für die Lösung von Problemen tut.
Handfeste, nachhaltige Lösungen freilich würden oft anders aussehen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Juni 2017
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