Donnerstag, 21. September 2017

Der ganz normale Wahnsinn und eine fromme Hoffnung



Kurz? Kern? Wahlkampf? Das ist alles nichts - der Butterpreis ist zu hoch, das ist der wahre Aufreger in diesem Land. "Alles in Butter bei der Butter?" fragt der Boulevard und weiß wie immer die Antwort "Von wegen! Butter ist so teuer wie nie". Man tut, als ginge die Welt unter und breche deswegen in Österreichs Haushalten die Armut aus.

Man kennt das. Immer wenn sich die Bauern gerade ein bisserl erholen und die Preise anziehen, geht das Geschrei los.

Die Bauern kennen dieses Spiel inzwischen. Sie wissen, dass es ein Kampf gegen Windmühlen ist, sich zu wehren. Dass niemand hören will, wenn sie zu erklären versuchen, dass der aktuelle Anstieg der Butterpreise bei einem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von gut fünf Kilogramm keinen Euro pro Monat ausmacht. Ihnen bleibt nur trockener Sarkasmus. Facebook-Postings wie "Das neue iPhone kostet fast 1200 Euro, aber die Welt geht unter, weil ein Viertel Butter mehr als zwei Euro kostet. Und wenn die Milch um fünf Cent mehr kostet, rasten alle aus", werden geteilt, wo immer es geht, um dem Wahnsinn nicht ganz untätig zuzusehen.

Nirgendwo tut man so aufgeregt, wie in Österreich. Und nicht nur die Bauern fragen sich, warum stehen bei uns ausgerechnet die Lebensmittelpreise so im Fokus? Wo doch alle immer von der angeblich so hoch geschätzten Bauernarbeit reden, davon, dass die Bauern einen gerechten Preis verdienen und wo man so schnell Krokodilstränen wegen des Bauernsterbens vergießt.

Lebensmittelpreise werden hierzulande ganz offensichtlich nicht ernst genommen. Jeder nutzt sie nach seinen eigenen Bedürfnissen. Die Konsumenten, um zu klagen und die Gefahr der Verarmung auszurufen, wenn sie hoch sind. Der Handel, um sich als Retter der Konsumenten zu profilieren. Die Industrie, wie kürzlich erst die Brauer, um Preiserhöhungen zu rechtfertigen. "Geringe Getreideernte und Preisanstieg bei Gerste macht Bier bald teurer", ließ der Brauunion-Chef Anfang September via Medien wissen. Gedankenlos und achselzuckend aber werden solche Erklärungen zur Kenntnis genommen und weiterverbreitet. Dabei werden pro Hektoliter Bier gerade einmal ein paar Kilo Gerste gebraucht. Entsprechend gering ist der Anteil an den Erzeugungskosten.

Mit den Lebensmittelpreisen geht immer etwas. Nur dann nicht, wenn sie niedrig sind. Dann spielen sie keine Rolle und sind unwichtig. Dabei könnte man der Logik der Brauer zufolge auch fragen, warum das Bier in den vergangenen Jahren des Getreidepreisverfalls nie billiger wurde. Das freilich ist nie zu hören. Die Bierpreise steigen immer. Wenn es nicht der Getreidepreis ist, dann sind es Lohnkosten, Energie, Steuern.

Der tatsächlichen Bedeutung, die sie haben, werden die Lebensmittelpreise in diesem Umfeld, das in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten entstanden ist, nur selten gerecht. Man spielt damit politische Spiele, sieht sie als Marketing-Gag und biegt sie sich zurecht, wofür immer man sie braucht. Mit der Wirklichkeit, und schon gar nicht mit dem, was die Landwirtschaft bräuchte, und verdienen würde, haben sie meist wenig zu tun.

Das Spiel ist übel. Scheinheilig ist nicht nur das der Medien, die sonst so gerne die Bauern mit allerlei grünen Thesen und Forderungen vor sich her treiben. Scheinheilig ist vor allem auch das Spiel des Handels und oft auch das der Industrie. Überall hängt man sich gerne das grüne und nachhaltige Mäntelchen um und lässt sich als Umweltretter und Bauernförderer beweihräuchern.

Das indes ist meist nichts als hohle Mache. Schnell vergessen und völlig wertlos in der täglichen Realität. Der Preis muss in Wahrheit möglichst niedrig sein. Das ist es. Und sonst nichts. Allen treuherzigen Beteuerungen zum Trotz.

Den Bauern bleibt immerhin so etwas wie Schadenfreude. Mit einem Mal haben auch die Konsumenten mit dem zu kämpfen, mit dem sie selbst nach der sukzessiven Öffnung vieler Märkte Jahr für Jahr mehr zu kämpfen haben - mit dem unberechenbaren Auf und Ab der Preise, der Volatilität.

Abbeißen können sie sich freilich davon nichts. Geholfen wäre Ihnen - und den Konsumenten - nur, wenn diese oft schamlosen Spiele mit den Agrar- und Lebensmittelpreisen und der Unterschied zwischen dem Schein der PR- und Werbewelt, in der sich alle als einzig um Bauern und Konsumenten bemüht geben, und der Realität unterbunden werden würde.

Aber das freilich ist nicht mehr als eine fromme Hoffnung. 
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. September 2017

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1