Sie ärgern sich Monat für Monat, wie viel Lohnsteuer Ihnen abgezogen wird? Es stellt Ihnen jedes Mal die Haare auf, wenn der Einkommenssteuerbescheid ins Haus flattert? Und Sie haben, auch wenn Sie ihn schon damals nicht mochten, Christian Kern Recht gegeben, als er sagte "Jedes Wiener Kaffeehaus und jeder Würstelstand zahlt in Österreich mehr Steuern als ein globaler Konzern"?
Er meinte Konzerne wie Apple, Amazon oder Starbucks und wie sie alle heißen. Sie spielen Katz und Maus mit den Staaten oder sie richten es sich mit willfährigen Regierungen, die auf Steuereinnahmen großzügig verzichten, um die Firmen ins Land zu locken, um zumindest Arbeitsplätze zu schaffen.
Man wundert sich, wie lange man zuschaut und wie machtlos man ist. In Österreich sowieso, wo die großen internationalen Konzerne weit weniger Steuern abführen, als es dem Gewinnanteil entspräche, den sie hierzulande erzielen. Aber auch international läuft es kaum anders. Multinationale Konzerne zahlen heute weniger Steuern als 2008, vermeldete kürzlich die Financial Times. Der effektive Steuersatz, das Verhältnis zwischen tatsächlicher Steuerlast und dem Unternehmensertrag vor Steuern, sei um neun Prozent gefallen. Seit dem Jahr 2000 habe er sich gar um fast ein Drittel, von 34 auf 24 Prozent, verringert.
Das hätte man auch gerne. Ergo wäre es für den gemeinen und in der Regel braven Steuerzahler fein, wenn sich daran etwas ändern würde. Alleine schon der Gerechtigkeit wegen und auch wegen des Gefühls. Wer will schon gerne der Draufzahler sein?
Aber die Situation ist schwierig und vielschichtig. Die viel beklatschte Einigung Irlands mit Apple zeigt das Dilemma. Zuweilen wollen die Staaten das Geld gar nicht, das ihnen zustünde. Obwohl die US-Amerikaner auf Betreiben der EU-Kommission 13 Milliarden an Irland zahlen müssen, ist man in Dublin darüber alles andere als glücklich. Während Brüssel die Vereinbarung zwischen Apple und Irland als unzulässige Hilfe sah, meinten die Iren, die EU habe die irische Gesetzgebung "missverstanden". Noch läuft beim Europäischen Gerichtshof daher ein Verfahren, dessentwegen das Geld ab Mai einstweilen auf einem Treuhandkonto zwischengeparkt wird.
Ganz ähnlich geht es der Europäischen Union mit den Plänen, von Internetriesen wie Google, Facebook oder Amazon Steuergelder zu bekommen. Erst im März wurde groß das Konzept einer Digitalsteuer auf die in Europa erzielten Umsätze der Konzerne vorgestellt, das Milliarden in die klammen Brüsseler Kassen spülen soll. Inzwischen ist aber selbst dem zuständigen Kommissar klar, dass es damit so schnell wohl nichts wird. Weil die Pläne nicht ins Steuersystem passen, stehen selbst viele der EU-Finanzminister auf der Bremse und können sich nicht darauf einigen, wie eine Digitalsteuer konkret aussehen soll.
Eine nicht unwesentliche Rolle in der ganzen Thematik um die Besteuerung von weltumspannenden Konzernen spielt auch das aufgeheizte politische Klima zwischen Brüssel und Washington. Steuerliche Retourkutschen aus Washington will niemand und den ohnehin drohenden Handelskrieg will auch niemand zusätzlich befeuern.
Gegen die Anforderungen, die der Umgang mit den Internetriesen, die allesamt in den USA und damit im mächtigsten Staat der Erde verwurzelt sind, nehmen sich die Anforderungen, die sich im Umgang mit multinationalen Konzernen herkömmlichen Zuschnitts ergeben, als nachgerade einfach aus.
Dabei geht es um weit mehr als darum, den ganz Großen bloß Steuern abzuzwacken. Da geht es vor allem auch darum, wem die Daten gehören und wer was damit macht. Da geht es um Wettbewerbsfragen und auch um ethisch-politische Fragen, die sich bisher nicht gestellt haben.
Damit muss man erst lernen umzugehen. Und dafür braucht es ein neues Bewusstsein. Die EU kämpft wacker darum, Einfluss zu gewinnen, andere Staaten, wie die USA, wollen sich darum gar nicht kümmern, weil sie sich in der Gewissheit wiegen, dass ihnen die neuen Technologien und die Zeit in die Hände spielen.
Daten aber sind der Rohstoff der Zukunft schlechthin. Sie werden zum fünften Element, wichtig wie Luft, Wasser, Feuer und Erde. Europa muss sich anstrengen und auf die Hinterbeine stellen, will es nicht zu einer Kolonie der USA oder Chinas werden.
Alleine dafür ist Steuergerechtigkeit zu fordern, kann doch damit das nötige Geld beschafft werden, um auch in Zukunft mitmischen zu können - im Sinn braver Steuerzahler wie unsereiner.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Mai 2018
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen