Donnerstag, 8. November 2018

Ist die Mücke der Elefant - oder ist es umgekehrt?



Im Land tobt ein großer Streit, weil sich die Regierung Kurz/Strache aus dem Migrationspakt der UNO verabschiedet. Die Wogen gehen hoch. Viele fürchten, dass sich Österreich international isoliert und in die Welt der Orbans und Trumps abdriftet. Kurz und Strache verteidigen ihr Vorgehen mit dem Verweis darauf, dass man sich klar zum Multilateralismus bekenne. Aber was soll man wirklich davon halten? Wem soll man glauben? Oder haben doch jene recht, die in dem ganzen Getümmel nichts denn Symbolpolitik sehen, bei dem es darum geht, innenpolitisch zu punkten.

Bei der Beurteilung der Debatte um den 12-Stunden-Tag ist das kaum anders und auch nicht, wenn es um die Zusammenlegungen der Sozialversicherungen geht, um die Mindestsicherung, die BVT-Geschichte, um den Umgang mit Migranten, um Umweltthemen, um die Landwirtschaft oder um die Bildungspolitik. Und nicht anders ist es auch, wenn man versucht die Lage in den USA einzuschätzen, oder Putins Politik oder gar, was vom neuen brasilianischen Präsidenten zu halten ist. Ist die Mücke der Elefant, als der sie daherkommt, oder ist es umgekehrt? Man tut sich schwer, zu einer Meinung zu finden und bleibt verunsichert. Es ist heute so schwer, sich ein Bild zu machen. So leicht an Informationen zu kommen wie heute, war es noch nie, aber es war noch nie so schwierig, sich zu informieren.

Nichts ist mehr so wie es war. Es gibt kaum mehr Informationen ohne Spin, ohne den gewissen Dreh, damit etwas erreichen zu wollen und nicht mit dem Ziel, bloß Information zu bieten. Information wird heute schier überall als das Werfen von Nebelgranaten begriffen, auf das der Betrachter möglichst schnell die Orientierung verliert. Und das alles nicht nur in Fernsehen und Zeitungen, sondern auch auf Facebook, Twitter und Co. Und rund um die Uhr.

Es fehlt an Instanzen, die Orientierung bieten. Und es fehlt an Vielfalt und Expertise. Es scheint, als ginge es nur mehr darum, Interessen zu transportieren und durchzudrücken. Um Ausgewogenheit mag man sich heute gar nicht mehr bemühen. Verschwunden sind die Zwischentöne aus den öffentlichen Debatten, wenn man sie denn überhaupt noch so nennen mag. Es gibt nur mehr, so scheint es meist, schwarz und weiß und nichts dazwischen. Kaum je geht man noch auf Argumente ein, schon gar nicht so, dass irgendeine Form der Wertschätzung erkennbar wäre, viel öfter zählt nichts denn der eigene Standpunkt.

Politiker und Unternehmen beschäftigen heute Heerscharen von Kommunikationsarbeitern, die nichts anderes tun, als stromlinienförmige Wordings und Meinungen zu lancieren und, wenn es sein muss, auch kommunikationspolitische Minen zu legen, mit dem Ziel die Gegner möglichst früh auszuschalten und unpassende Einschätzungen und Stimmungen erst gar nicht erst entstehen zu lassen.

Heraus kommt eine glattgebürstete Informationspolitik, wie sie früher nur von PR-Agenturen üblich war. Bots, also Maschinen, die Meldungen in den sozialen Medien steuern, gehören heute zum Handwerkszeug, "Fake News" ist zu einem Wort geworden, dass man überall versteht. Immer mehr Staaten versuchen mit den neuen Methoden Einfluss auf Wahlen und die Politik in anderen Ländern zu nehmen.

Gerade die klassischen Medien stehen diesem Treiben oft hilflos gegenüber. Dabei wären sie gerade jetzt wichtig wie nie. Um die Meldungen und Ereignisse einzuordnen, um Orientierung zu geben und um eine Einschätzung zu ermöglichen. Doch dieser Aufgabe entsprechen nur mehr wenige. Viele erliegen der Versuchung, selbst Politik machen zu wollen, vielen gilt die fette Schlagzeile mehr als die Fakten, viele lassen sich instrumentalisieren.

Distanz ist heute eine Kategorie, die im Journalismus kaum mehr gepflegt wird. Und nur mehr selten gilt das Zitat, das Hajo Friedrichs, dem legendären Moderator der ARD-Tagesthemen, zugeschrieben wird -"Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache -auch nicht mit einer guten Sache, dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört."

So ein Verständnis ist heute kaum mehr zu finden. Im Verein mit der Kommunikationspolitik, wie sie in der Politik en vogue geworden ist, hat das längst ein Trümmerfeld hinterlassen. Ein Trümmerfeld, auf dem man sich kaum mehr Orientierung verschaffen kann. Und auf dem man beeinflussbar geworden ist. Spielzeug von Leuten und Mächten, und benutzt für deren Interessen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. November 2018

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